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Gab es in Ostdeutschland bereits Informationstechnologie? Heute sind uns Begriffe wie TV, Fax und Handy geläufig - doch für die Zeit vor 60 Jahren wird diese Frage erheblichen Zweifeln begegnen. Und doch war es so, denn "IT" (Informationstechnologie) bedeutet nichts anderes als die Übermittlung von Nachrichten vom Absender zum Empfänger mittels technischer Hilfsmittel, wobei allerdings die Hilfsmittel sich nach dem jeweiligen technischen Wissen richten. Die Prußen als die Ureinwohner unserer ostdeutschen Heimat müssen wir dabei allerdings außer Betracht lassen, denn sie kannten noch keine Schriftzeichen. Nachrichten überbrachten Boten mündlich, wobei sie sich durch einen besonders geformten Holzstab auswiesen.
Aber schon der Ritterorden verfügte über ein wohl geordnetes Botenwesen, dessen Wege von Rom bis Reval reichten. Transportmittel waren jetzt Boten zu Fuß und zu Pferde , aber auch Wagen und Boote beförderten bereits Sendungen aller Art. Dasselbe galt für die Hanse, die nicht nur über See, sondern auch entlang der Flüsse im Binnenland ihr Verkehrsnetz betrieb. Damit haben wir bereits wesentliche Merkmale der damaligen Informationstechnologie beschrieben, nämlich die Übermittlung von Nachrichten (Briefe, Pakete) über feststehende Verbindungslinien. Zwar diente die Postbeförderung in dieser frühen Zeit zumeist nur den Herrschenden und den Wohlhabenden, also hier den Ordensrittern und den Handelskaufleuten, doch war die breite Masse der Bevölkerung ohnehin des Schreibens und Lesens noch nicht kundig. Die Schulpflicht wurde in Preußen erst im Jahre 1717 eingeführt und brauchte annähernd einhundert Jahre zu ihrer Verwirklichung.
Über die in jenen Jahrhunderten benutzten technischen Hilfsmittel würden wir heute wahrscheinlich lächeln, doch auch sie machten bedeutende Fortschritte, auf denen wir auch jetzt noch weiter aufbauen. Boten, Reiter und Wagen benötigten Wege und diese entwickelten sich von einfachen Pfaden und Landwegen zu Landstraßen und Chausseen und letztlich zu Autobahnen. Auch die Brücken nahmen diese Entwicklung, von der Furt über Stege und Holzbrücken zu Stein- und Stahlbrücken. Bei den Wagen ging die Entwicklung von den offenen Bauernkarren zu den gefederten, gedeckten Reisewagen. Besondere Bedeutung hatte die Zugkraft, nämlich das Pferd, und gerade im Pferdeland Ostdeutschland fand die Züchtung geeigneter Reit- und Zugpferde große Aufmerksamkeit. Alle diese, nach heutigen Maßstäben bescheidenen technischen Entwicklungen wurden immer wieder durch Kriege und Notzeiten unterbrochen. Aber ihr allmählicher Fortschritt brachte auch dem Land den Fortschritt, die Zunahme des Postverkehrs erlaubte der Wirtschaft und der Kultur zu wachsen und damit den Wohlstand zu mehren.
Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert bot mit der Dampfkraft und der Elektrizität einen großen Entwicklungsschub, wovon auch die Post in Ostdeutschland profitierte. Eisenbahnzüge ersetzten allmählich Pferd und Wagen bei der Postbeförderung. Und mit der Elektrizität kamen der Telegraf und das Telefon, die ersten modernen Mittel der Informationstechnik. Trotz der geringen wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland investierte die Post erhebliche Finanzmittel, um gleichmäßig gute Nachrichtenmittel wie im gesamten Reichsgebiet anzubieten. Beispielhaft für die Wechselwirkung zwischen technischer und wirtschaftlicher Entwicklung seien die ersten Eisenbahn-Nebenstrecken genannt, die zwischen Königsberg und Pillau sowie Cranz gebaut wurden, den beiden Vor-Häfen des Königsberger Hafens. Und nur wenige Jahre später wurden zwischen eben diesen Städten die ersten Fernsprech-Fernleitungen errichtet.
Die kriegerischen Ereignisse der Jahre 1914/15 brachten für die Post wie für die ganze Provinz besondere Belastungen, wobei sich die Postangehörigen durch Pflichterfüllung und mutigen Einsatz auszeichneten. Die folgende Friedenszeit ermöglichte wieder erhebliche Fortschritte, beispielsweise mit den Postbankdiensten, dem Kraftfahrzeug und dem Rundfunk. Die durch den Versailler Vertrag geschaffene Insellage der Provinz, die Abtrennung des Memelgebietes und die Abstimmungen in den Allensteiner und Marienwerder Gebieten stellten wieder besondere Anforderungen an die Post. Besondere Briefmarken erinnern an die Abstimmungsgebiete sowie an die Abtrennung und spätere Rückkehr des Memelgebietes.
Inflation und Weltwirtschaftskrise brachten andere Sorgen, zum Beispiel wenn bei den Buchungsmaschinen des Postscheckamts Königsberg die Zählwerke nicht mehr ausreichten, um die Millionen- und Milliardenbeträge vollständig zu erfassen. Ebenso wenn die in der Flut des Papiergeldes ertrinkenden Schalterbeamten die kleineren Scheine verzweifelt in den Ofen steckten, da sie bereits am nächsten Tag völlig wertlos wurden.
Erwähnt werden sollen auch die Postangehörigen, die lange Arbeitszeiten unter oft schwierigen Bedingungen abzuleisten hatten. Für die Landbriefträger war bereits die Einführung des Fahrrades eine fühlbare Erleichterung. Die Postler wuchsen allmählich zu einer "Postfamilie" zusammen, die sich in Schrebergarten-, Wohnungsbau- und vor allem Sportvereinen auch privat zusammenfanden.
Der Zweite Weltkrieg forderte den letzten Einsatz aller Kräfte. Die Zuarbeit zur Feldpost, die Spar- und Notmaßnahmen, Luftangriffe und Partisanenüberfälle seien als Beispiele genannt. Besonders fernmeldemäßig wuchs die beschauliche Rastenburger Gegend mit dem Führerhauptquartier "Wolfsschanze" zum Mittelpunkt Europas heran. In einem außerordentlichen technischen und organisatorischen Einsatz wurde von dieser Zentrale aus von Norwegen bis Nordafrika und vom Atlantik bis zur Wolga ein Nachrichtennetz aufgebaut, das allerdings ebenso schnell wieder zusammenbrach. Bis Anfang April 1945 ein letzter Trupp von Telegrafenbeamten auf einem Panzer vorgehen mußte, um die letzte Telefonverbindung zwischen Königsberg und dem Reich zu reparieren.
Verfolgt man die Geschichte der Post im Zusammenhang mit der Geschichte, mit der technischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung unserer Provinz, so erhält man ein farbiges Bild mit großen Entwicklungslinien, aber auch mit vielen örtlichen Details. n
Die beiden Autoren sind Verfasser des Buches "Die Post in Ostdeutschland. Ihre Entwicklung von den Anfängen bis ins zwanzigste Jahrhundert", Verlag Nordostdeutsches Kulturwerk, Lüneburg 2000, 480 Seiten, 138 Farb- und Schwarzweißabbildungen, 45,00 Euro.
Karriolpost bei Nidden: Gemälde von Richard Eschke aus der Zeit um 1930
Foto: Bundespostmuseum, Frankfurt am Mai |
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