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Mitte dieses Jahrzehnts werden wir den 750. Geburtstag der Hauptstadt Ostdeutschlands begehen können. Knapp 100 Jahre nach der Gründung der Pregelstadt, 1351, wurde vom damaligen Hochmeister des Deutschen Ordens, Winrich v. Kniprode, zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit die Schützengilde zu Königsberg (Pr) ins Leben gerufen.
Anfänglich wurde mit der Armbrust geschossen. Im 16. Jahrhundert kam das Gewehr hinzu, das sich als Hauptwaffe schließlich durchsetzte. Im 19. Jahrhundert trat an die Stelle des militärischen Aspekt s der sportliche. Aus der Übung für den Verteidigungsfall wurde ein Sport. Im 20. Jahrhundert schließlich erlebte die Gilde mit dem Bombenterror sowie Flucht und Vertreibung ihre schwerste Zeit, von der sie sich auch materiell bis heute nicht erholt hat und die sie fast ihre Existenz gekostet hätte.
Nach dem Krieg und dem Verlust der Heimat machte sich das Gildemitglied Walter Meyer auf die Suche nach seinen über das gesamte Land verstreuten Schützenbrüdern. 1949/50 hatte er bereits mehr als 30 von ihnen wiedergefunden. Für sie verfaßte er kleine informative Rundbriefe mit Berichten über eigene Aktivitäten und lud sie zu Wiedersehenstreffen ein. Zu ihnen zählte auch die Witwe des letzten Gastronomen im Königsberger Schützenhaus, Jutta Schulz.
In Hamburg eröffnete die Königsbergerin eine Gaststätte, und hier setzten sich am 15. November 1958 acht Schützenbrüder zusammen, um über die Bildung eines Vorstandes zu beraten. Ein gutes Vierteljahr später, am 21. Februar 1959, fand in den Räumlichkeiten des Gastronomiebetriebs die erste offizielle Vorstandssitzung statt. Für die Position des Obervorstehers stellte sich Walter Meyer zur Verfügung, der auf der Mitgliederversammlung im August 1959 auch gewählt wurde. 1967 trat er aus Alters- und Gesundheitsgründen zurück und begab sich in den Ruhestand. Im selben Jahr beschloß die Mitgliederversammlung, den offiziellen Vereinssitz nach Hamburg zu verlegen und die Gilde in das Vereinsregister beim Amtsgericht Hamburg eintragen zu lassen.
Walter Meyers Nachfolger als Obervorsteher der Gilde wurde Walter Schiemann. Aus der Überlegung heraus, daß bei weiterer Traditionspflege ohne Beteiligung an regelmäßigen Schießübungen die Schützengilde ein absterbender Verein sei, führte er die Gilde aus ihrer Passivität heraus und zum modernen Schießsportgeschehen hin.
Als der Schützenverein seines neuen, vor den Toren Hamburgs gelegenen Wohnortes Glinde im Dezember 1967 das Richtfest für einen Neubau feierte, stellte er sich den Glindern als Königsberger Schütze vor und überbrachte neben Glückwünschen und Grüßen als Geschenk einen Orden als Schießpreis für das erste Schützenfest in der neuen Anlage. Außer zu den Glindern bekam Walter Schiemann an diesem Tage auch noch Kontakt zu den Sachsenwald-Vereinen Reinbek, Bergedorf, Aumühle, Friedrichsruh und Wentorf. Und die Vorsitzenden aller dieser Vereine waren bereit, die Königsberger auf ihren Anlagen schießen zu lassen.
Als Walter Schiemann dann auch noch zwei Luftgewehre aus einer Patenschaft bekommen konnte und drei weitere Waffen aus seinem Privatbesitz zur Verfügung stellte, war die Ausübung des Schießsports wieder möglich. Nach 29 Jahren der Enthaltsamkeit fand 1969 wieder ein Königsschießen statt.
Drei Jahre später trat die Gilde als Mitglied des Deutschen Schützenbundes in den Schützenkreis Sachsenwald ein. Dieser Kreisverband im Landesverband Hamburg und Umgebung ermöglichte seinem Mitgliedsverein aus Königsberg nun eine würdige 650-Jahr-Feier, indem er dem kleinen Verein ohne eigenem Haus die Möglichkeit bot, den runden Geburtstag im Rahmen des Kreisschützenfestes zu feiern, das dieses Jahr in Geesthacht stattfand.
Das Festprogramm begann am Nachmittag des 9. Juni mit einem Sektempfang im Rathaus für die Könige, Adjutanten und Vereinsvorsitzenden des Kreises, auf dem neben dem Bürgermeister von Geesthacht, Ingo Fokken, auch der Erste Vorsitzende des Schützenkreises Sachsenwald, Klaus Großweischede, und der amtierende Nachfolger von Walter Meyer und Walter Schiemann im Obervorsteheramt, Max Roßner, zur Begrüßung der Anwesenden im Ratssaal das Wort nahmen.
Anschließend spielten unweit des Rathauses auf dem Hof der Feuerwehr der Spielmannszug VFL Geesthacht, der Landesfanfarenzug Hamburg und das Blasorchester VFL Lüneburg auf. Zu den Klängen des Präsentiermarsches erfolgte der Einmarsch der Fahnen. Ihnen folgten der König und die Königin der Schützengilde zu Königsberg, Walter Wiese und Christine Denz, geborene Wiese. Der mit den Majestäten ebenfalls einmarschierende Obervorsteher Max Roßner schritt anschließend die Front der Fahnen ab, um jede nach einem kurzen Gruß mit dem Jubiläumsfahnenband seiner Gilde zu ehren.
Nach diesem Akt konnte der Umzug durch Geesthacht beginnen. An der Spitze hinter dem vom Sohn eines Königsbergers getragenen Banner des Schützenverbandes Hamburg und Umgebung sowie dem Verbandsbanner des Schützenkreises Sachsenwald das Geburtstagskind. Es folgten die anderen Schützenvereine des Kreises in alphabetischer Reihenfolge mit Ausnahme der Geesthachter Schützengemeinschaft, die als Gastgeberin das Schlußlicht bildete.
Nachdem das Ziel erreicht und im Schützenhaus Platz genommen worden war, erklang zu Beginn des Kommers das Ostdeutschlandlied. Augenscheinlich war die an diesem Abend für das musikalische Rahmenprogramm zuständige "Brinkers Sound Band" über die Bedeutung dieses Liedes für die Ostdeutschland nicht ganz im Bilde. Jedenfalls intonierte sie die Ostdeutschlandhymne derart locker, leicht und lässig im "Happy-Sound", daß die rund 300 Schützen und ihre Gäste erst diverse Momente der Besinnung benötigten, bevor sie sich dazu durchrangen, trotzdem aufzustehen und einzustimmen. Als die Band das Motiv allerdings zum vierten Mal wiederholte, verschlug es auch dem letzten die Sprache, denn die fünfte Strophe harrt bekanntlich wie alle folgenden noch ihrer Dichtung.
Dieses blieb allerdings die einzige ungewollte Komik an diesem Tage, und Obervorsteher Max Roßner hatte die Lacher auf seiner Seite, als er den Fauxpas humorvoll aufgriff, um ebenso elegant wie charmant zu seiner Festrede überzuleiten, die aus der Begrüßung der Gäste, einem ebenfalls von humoristischen Einfällen geprägten Rückblick auf die ersten Jahrhunderte der eigenen Vereinsgeschichte, einem Plädoyer für den Schießsport sowie dem Dank an die anderen Schützenvereine im Kreisverband für die jahrzehntelange Unterstützung bestand.
Es folgten die Grußreden des Präsidenten des Schützenverbandes Hamburg und Umgebung, des Ersten Vorsitzenden des Schützenkreises Sachsenwald sowie des Vertreters der Stadtgemeinschaft Königsberg Pr., Gott-hardt Conrad. Nach Königsberger Klopsen und Pillkaller wurde der Reigen der Grußworte von den Repräsentanten der anwesenden Vereine fortgesetzt.
Die zweite Hälfte des Kommers war von heiteren Wortbeiträgen bestimmt. Unter den Rednern dieses Teils befanden sich die Schützenkönigin, die von ihrem Telefonat mit dem Gründer der Schützengilde berichtete, und deren nicht-schießende Schwester, die über die mit dem Aufwachsen in einer Schützenfamilie verbundenen Probleme und Schwierigkeiten beredt klagte, ebenso wie der älteste noch lebende Schütze der Gilde, der mit Vertellchens im schönsten Ostpreußisch zu brillieren wußte. Auch der Erwähnung wert ist das "mobile musikalische Einsatzkommando" "Schräg", das mit seinem ebenso überraschenden wie mitreißenden Einsatz zu fortgeschrittener Stunde noch zusätzlichen Schwung in die schon so gutgelaunte Gesellschaft brachte.
Abschließend läßt sich konstatieren, daß die Art und Weise, in der die Schützengilde zu Königsberg (Pr) bereits ihren 650. Geburtstag zu feiern wußte, für den ungleich bedeutenderen 750. zu den größten Hoffnungen Anlaß gibt. M.R. Gildefahne: Ihre Weihe erhielt sie am 26. August 1973 unter Mitwirkung der Fahnen aller Mitglieder des Schützenkreises Sachsenwald durch die Vierländer Fahne aus dem Jahre 1592.
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