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Wer "Goleo VI" hört, mag zunächst an die Entdeckung eines fernen Planeten denken, des sechsten im Sonnensystem "Goleo". Weit gefehlt, wie wir mittlerweile unterrichtet wurden: "Goleo VI", der "kesse Löwe" (so die DFB-Internetseite), ist das offizielle Maskottchen der Fußball-WM 2006 in Deutschland.
Und er ist mehr als das. "Goleo" ist eine Botschaft Deutschlands an die Welt: Wir sind ein freundliches, friedliches Land geworden, vor dem niemand mehr Angst zu haben braucht. So zahm sind wir, daß in unseren Händen sogar aus dem einst gefürchteten "König der Wüste" so etwas wie Goleo wird - ein zahnloses Plüsch-Schenakel mit abstehenden Ohren, das unaufhörlich Blödsinn brabbelt, herumhopst, lacht, gluckst und natürlich - in die Kameras winkt. So weltoffen, daß wir einen Löwen wählten, ein Tier, daß so unverwechselbar zu Deutschland gehört wie Pinguine zu Saudi-Arabien.
Auch der Name ist Völkerverständigung pur: Er setzt sich zusammen aus dem englischen "Goal" (Tor), dem spanischen Gefühlsausbruch "olé" und dem lateinischen "Leo". Die römische sechs steht für das Jahr der WM - und für das Versprechen, daß wir ihn dann überstanden haben. Deutsch ist allein der sprechende Ball, den Goleo immer dabei hat. Der heißt Pille und weiß alles. Die Nachricht an die Welt ist klar: Wir sind schlau und machen tolle Fußbälle, unsere Spieler hingegen ... ach, lassen wir das.
Das also sind unsere "Botschafter für die Fußballwelt". Es hätte schlimmer kommen können? Nein, hätte es nicht. Das Gespann läßt wirklich keinen Winkel möglicher Peinlichkeit aus: Dumm, häßlich und albern. Nicht einmal die genügsamsten Schenkel klopfer-Komödianten können da noch mit. Die meisten Deutschen werden sich wünschen, das haarige Ungeziefer mitsamt seinem Plapperball irgendwo zu verstecken, bevor die Weltöffentlichkeit die beiden bemerkt. Müssen wir uns denn immer vor allen Leuten unmöglich machen mit derlei krachender Witzigkeit?
Dabei können wir es doch besser: Während wir die Welt nämlich mit dem fusselnden Heini "Goleo" abspeisen, delektieren wir uns selbst heimlich an humoristischen Spitzenleistungen wie dem "Gesundheitskompromiß" von CDU und CSU. Da kommt alles zusammen, was für den Humor der feineren Sorte unerläßlich ist: Harte Arbeit, hintersinnige Ironie und ein Ergebnis, das dann wirklich zum Brüllen ist. Monatelang hatten sie sich in den Kulissen gezankt, gerauft, hintergangen und grinsend bemogelt, bevor sie uns schließlich eine Ballade serviert haben, die kein Auge trocken ließ. Selbst die sonst so bierernsten "Gesundheitsexperten" hielten sich diesmal die Bäuche, und zwar erstmals alle, egal welcher Couleur. Anschlußwitze grassieren wie der mit der Familie, die sich nicht einigen kann, ob sie Fisch oder Hase essen soll und dann eben einen Hering mit langen Ohren bestellt - eine schöne Parabel auf den "Kompromiß". Auf dem Weg zur ersehnten Regierungsfähigkeit ist die Union in jedem Falle ein Stück vorangekommen, wenn "Regierungsfähigkeit" bedeutet, der bestehenden Regierung ähnlicher zu werden. Was die Produktion gehobenen Blödsinns angeht, begegnet man sich endgültig auf Augenhöhe.
Das sollte Merkel und Stoiber nicht dazu verleiten, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Das Regierungslager rüstet nach und erinnerte sich einer alten Faustregel der guten Unterhaltung: Bleibe immer am Rand des Frivolen, und wenn s nicht recht zündet beim Publikum, geht ruhig mal drüber über den Rand. Aber bleibe originell und wage das Unerwartete. Hätten Sie damit gerechnet, daß die Grünen als Antwort auf den islamistischen Terror und seine Haßprediger vorschlagen würden, das Ende des Ramadan zum gesetzlichen Feiertag zu machen? Wenn das kein Knüller ist!
Der war aber auch fällig, denn ansonsten beeindruckt an den Ströbeles, Trittins und Claudia Roths eher, mit welcher unverrück- baren Festigkeit sie an ihren alten Redewendungen hängen, so als hätte es das bißchen Bürgerkrieg in Holland nie gegeben. Das spricht zwar für ihre ehrfurchtheischende ideologische Festigkeit, die sich von keiner politischen Wirklichkeit erschüttern läßt. Doch wirkt diese auf Dauer ein wenig spröde, das Volk hat ein Recht auf Unterhaltung, dem durch diesen Vorschlag Rechnung getragen wird. Und sollte die Ramadan-Idee durchkommen, wird als Nächstes gewiß entdeckt, wie diskriminierend es ist, daß die Muezzine nicht über die Minarette ihrer wöchentlich mehr werdenden Moscheen zum Gebet rufen dürfen. Fortschrittliche und tolerante Menschen wissen, wie sehr der klangliche "Hauch von tausendundeiner Nacht" unsere kargen Metropolen bunter machen wird.
Christliche Fundamentalisten und Faschisten raunen erwartungsgemäß finster von "Überfremdung" oder "Parallelgesellschaften", als wenn die nicht vor allem die Folge mangelnder Integrationsbemühungen deutscherseits wären. Bewußt ignorieren die Rassisten die positiven Beispiele gelungener Integration. Viele Muslime haben eine gute Schulausbildung, haben sogar studiert und sprechend fließend die Landessprache. Mohamed B. etwa hatte die Mittlere Reife, eine höhere Ausbildung und konnte fehlerfrei niederländisch, wie dem Schreiben zu entnehmen war, das er mit einem Messer in den Bauch von Theo van Gogh integrierte.
So fest und unverrückbar wie unsere Grünen sind unsere Nachbarn leider nicht. In den Niederlanden sorgt das interkulturelle Mißverständnis zwischen Van Gogh und dem jungen "Niederländer marokkanischer Herkunft" für nicht enden wollende Verwirrung. Die ganze Sache paßt irgendwie nicht. Man war sich seiner schließlich so sicher.
1993 brannten im notorisch bösen Deutschland Häuser von Ausländern ab, angezündet von am Rande des Schwachsinns vegetierenden Jugendlichen. Es gab Tote. Deutsche Politiker beeilten sich damals die Welt aufzuklären, daß die Mordbrenner "aus der Mitte der Gesellschaft" stammen, also sozusagen Normalfall sind im "Land der Täter". Die Niederländer nahmen das dankbar auf und schrieben sofort 1,2 Millionen Postkarten ans Bonner Kanzleramt mit der Aufschrift "Ich bin wütend!". Nach dem Van-Gogh-Mord brennen ausgerechnet in Holland die Moscheen. Und nun? Bei Pisa haben die Holländer zwar besser abgeschnitten als wir. Dennoch sollte man ihnen mitteilen, daß das Kanzleramt unterdessen nach Berlin umgezogen ist. Sonst landen die zu erwartenden 2,4 Millionen "Ich-schäme-mich"-Postkarten noch im Rhein statt in der Spree.
Dienstantritt einer Hausheiligen
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