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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Hitler ist immer dabei. Wir haben uns an den lieben Gruselgast seit langem gewöhnt. Es fehlt uns etwas, wenn er nicht spätestens zur zweiten Brötchenhälfte beim Frühstück aus der Zeitung purzelt. Oder aus dem Fernseher. Oder dem Radio. Wenn er sich verspätet, werden wir nervös. "Von Hitler heute schon was gesehen oder gehört? Es ist bereits nach acht!" Ein Leben ohne unser täglich Hitler - undenkbar. Legionen emsiger Mahnmal-Einweiher, Dokumentarfilmer, Schülerwettbewerbs
-Ausschreiber, Gedenkredner und anderer Pädagogen schuften von früh bis spät für unsere Hitlergrundversorgung. Wir fühlen uns sicher.

Womit wir falsch liegen, wenn man warnenden Stimmen dieser Woche glauben mag. In Bernd Eichingers Film "Der Untergang" werden gleich zwei Tabus gebrochen, erschrecken uns einige Kommentatoren: Erstens wird Hitler als Mensch gezeigt, der zweitens das tut, was alle Menschen irgendwann müssen: Er stirbt! Zum erstenmal am 16. September, wenn der Streifen in die Kinos kommt. Danach voraussichtlich viele, viele Wochen lang jeden Tag. Danach könnte unser täglicher Begleiter tatsächlich regelrecht tot sein. Der gefürchtete "Schlußstrich" klopfe an die Tür, raunen die Warner.

Auf so eine Katastrophe darf niemand unvorbereitet zuschreiten. Die Rettungsmaßnahmen laufen daher schon seit Monaten auf Hochtouren. Herausgekommen ist eine Lawine von Wiederauferstehungsprojekten im Kino, die uns unseren Hitler zurückgeben wollen: "Der neunte Tag" startet am 11. November, das "Goebbels-Experiment" ebenfalls noch diesen Herbst und die Filme "Speer" und "Napola" folgen später.

Besonders wichtig ist die Ganztagsbetreuung mit Hitler für die Kleinen. Darum beginnt sie mit dem Kinderbuch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" seit langem bereits im Kindergarten. Und bald werden all die Kinofilme ja ins Fernsehen kommen, wo sie ihre ganze Wirkung auch auf den Nachwuchs ausbreiten. Woran aber erkennt man, ob der Zwerg auch fein Acht gegeben hat beim "Untergang" und den anderen Schinken? Kein Problem: Kinder spielen bekanntlich gern nach, was sie in ihrer Umgebung wahrgenommen haben. Wir waren ja früher auch Piraten oder Indianer oder ähnliches, wenn s die am Abend vorher in der Glotze gab. Wenn die Wichte also demnächst schnarrend "Raum" für ihre Playmobilfiguren einfordern, wie Goebbels humpeln oder ihre Spielhütte zu Speers Reichskanzlei aufwerten, wissen wir: Es wirkt.

Und es hilft den jungen Menschen auch im späteren Leben. Nichts suchen Heranwachsende dringender als Anerkennung und Aufmerksamkeit! Wie vielen aber bleibt dies alles kalt versagt. Das muß nicht mehr sein. Hitler kennt jeder, den skurrilen Gruß dazu auch. Wem nie einer zuhört, wer verzweifelt darum bettelt, wenigstens einmal groß rauszukommen, der laufe nur mit ein paar Freunden auf den Pariser Platz in Berlin und lasse den Gruß drei-, viermal laut ab. Schon ist er der Star des Tages, aufgestiegen vom nichtssagenden Pickelgesicht zum "Symptom dafür, daß die Demokratie in Deutschland gerade unter jungen Menschen noch immer nicht hinreichend gefestigt ist". Ein "Symptom" - immerhin ein Anfang und allemal besser als ein Niemand, der man noch gestern war. US-Medien haben Gerüchten zufolge sogar stattliche Honorare für solche Auftritte berappt, das Showgeschäft winkt.

Kinomuffel müssen nicht einmal warten, bis die Kinohitler-Dauerserie über Video- und DVD-Restverwurstung endlich im Fernsehen angekommen ist. Das ZDF hat seinen eigenen "Untergang" inszeniert. Da kann man auch den ersten russischen Stadtkommandanten von Berlin, Bersarin, sehen, wie er noch während der letzten Kriegstage Rotarmisten aburteilt, weil sie sich der deutschen Zivilbevölkerung gegenüber unziemlich verhalten hatten. Ja, so war das damals bei der Befreiung. Hätten Sie gar nicht gedacht, was?

Selbstredend bleibt es nicht ganz ohne Wirkung auf die politische Entscheidungsfindung von Jugendlichen, wenn sie von den Windeln bis zum Führerschein an einer braunen Multimedia-Schau entlanggescheucht werden. Gehört haben die jungen Saarländer zwar immer bloß "Hartz", meist aus dem Munde von Lafontaine, verstehen konnten viele von ihnen aber begreiflicherweise kaum mehr als "Hitler". Der kommt nämlich viel öfter im Fernsehen als dieser ... - na, Sie wissen schon. Hitlers Partei soll heute die NPD sein, auch das haben die Jungen gelernt. "Da kennen wir uns aus!", sagten sich elf Prozent der saarländischen Erstwähler und machten ebendort ihr Kreuz.

Zunächst kam dann am Wahlabend ein wenig Enttäuschung auf. Man wählt ja nicht bloß NPD, weil man sich nach lebenslanger Bebräunung besser eingewiesen wähnt als jeder Napola-Absolvent. Man will die "Alten", die "Etablierten" piesacken. Meist klappt das hervorragend. Die offiziösen Kommentatoren kreischen nach solchen Ergebnissen wie an der schönen Saar normalerweise schon nach der ersten Hochrechnung auf wie ein Kränzchen betagter Gouvernanten, denen man ein Pornoheft auf den Kaffeetisch geworfen hat. Diesmal jedoch passierte stundenlang fast nichts. Ärgerlich. Auch spätere Entrüstungen fielen seltsam lau aus.

Selbst von einem "Alarmsignal für die Demokratie", das "stete Wachsamkeit" erfordere, wollten die Meisten nicht laut reden. Wissen die denn gar nicht, was sie unserer Jugend antun? Jugend will sich die Hörner abstoßen. Aber wie? Scheiben einwerfen? Kommt ein Therapeut und sabbelt einen zu. Nackt ausziehen und so rumlaufen? Wird zur "Aktionskunst" umgetauft. Autos zu Schrott fahren? Wird mit Urlaub für "sozial gefährdete Jugendliche" in Bolivien oder Finnland belohnt. Und wer einem Politiker eine runterhaut, dem droht gar ein "Diskussionsangebot". Gräßlich. Aber NPD oder sowas wählen, das zog noch! Vorbei?

Die Schlipsträger vom linken Satiremagazin Titanic haben sich jetzt daran gemacht, der rabatzbedürftigen Jugend eine Art kontrollierten Abenteuerspielplatz zu bauen und "Die PARTEI" gegründet. Die setzt sich für den Wiederaufbau der Mauer und einigen anderen Blödsinn ein. Die Titanic-Leute halten das wahrscheinlich für "provokativ" und hoffen, so ihre öffentliche Bekundung, die Jugend auf diese Weise vom "rechtsradikal wählen" abzuhalten. Na wunderbar: Damit die "sozial Gefährdeten" kein Feuer machen, bietet man ihnen an, ein bißchen an der Mikrowelle zu spielen. Unter Aufsicht, versteht sich. Solchen Schabernack wird die NPD mit leichter Hand zu toppen wissen. Und die Gouvernanten werden ihr spätestens nach der Sachsenwahl wieder ins Netz gehen. Wetten?

"Wenn ich gewußt hätte, daß die immer nur diese eine Strophe dudeln ..."

 
     
     
 
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