A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Gedanken zur Zeit:

 
     
 
Entwertete Außenpolitik

Europa lebt in den Nationen / Von L. Opoczinski

Der neue Bundeskanzler setzt die  schlimme Tradition seines Vorgängers fort, das Außenministerium und damit die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen zum mediengerechten Profilierungsinstrument und zur Spielwiese seines kleineren Koalitionspartners zu machen. Der obendrein mit der Bezeichnung "Vizekanzler" geschmückte Amtsinhaber reist sodann als personell
e Visitenkarte Deutschlands durch alle Welt.

Nichts kann den gegen null gehenden Stellenwert der Außenpolitik in den Augen der politischen Führungselite besser charakterisieren, als diese Erniedrigung der Wahrung und Durchsetzung der nationalen Interessen zum koalitionspolitischen Instrument.

Dabei hatte Wolfgang Schäuble erklärt, daß "es kaum ein wichtigeres Thema als die Zukunft der deutschen Außenpolitik geben kann" und zugleich bedauert, "daß wir aufgrund der besonderen Entwicklung, die die Bundesrepublik genommen hat, der Außenpolitik im breiten Bewußtsein nicht den Platz zuweisen, der ihr in einem Land vergleichbarer Größe zukommen müßte."

So spielte denn auch die Außenpolitik im Bundestagswahlkampf so gut wie keine Rolle. Die Deutschen waren ohnehin zuvor mit Hilfe der interessierten Großbanken und der Großindustrie rechtzeitig mit der dreisten Kampagne "Der Euro kommt" über den Tisch gezogen worden, wobei alle die Europäische Union betreffenden Fragen in Deutschland eher als "europäische Innenpolitik" denn als Außenpolitik im klassischen Sinn abgehandelt werden. Keine Beachtung mehr findet dabei die Feststellung Otto von Bismarcks: "Ich habe das Wort ,Europa‘ immer nur in dem Munde derjenigen Politiker gefunden, die von anderen Mächten etwas verlangten, was sie im eigenen Namen nicht zu fordern wagten. Der viel mißbrauchte Begriff ,europäische Interessen‘ wird uns nicht verleiten, der deutschen Nation zuzumuten, daß sie ihre Politik nach anderen als nach deutschen Interessen regelt."

Nochmals Schäuble zitiert: "Eine  echte Bestandsaufnahme, wo Deutschlands Interessen und Ziele in der Welt nach dem Kalten Krieg liegen, hat es in der Tat nicht gegeben." Stimmten man dieser Feststellung zu, ist es um so schlimmer, daß kurz vor einer zu erwartenden Wahlniederlage und dem Machtantritt einer eher inflations- als stabilitätsorientierten neuen Regierung in Deutschland die auf Stabilität gegründete DM auf den Altar Europas gelegt wurde.

Schon die ersten Vorstöße des neuen Bundesfinanzministers in Richtung Bundesbank zeigen, daß die Regierung Lafontaine-Fischer im Blick auf die Europäische Zentralbank eher der Linie aktiver politischer Einflußnahme auf die Geldpolitik entsprechen wird, die die sozialistisch-kommunistischen Regierungen in Paris und Rom praktizieren und befürworten, als der klassischen stabilitätsorientierten Politik.

War der Euro von den Interessenten rechtzeitig vor der Wahl "in trockene Tücher" gebracht worden, spielten andere außenpolitische Themen im Wahlkampf keine Rolle. Die "Männerfreundschaft" mit dem russischen Bankrotteur Jelzin war dafür ebenso unattraktiv wie die Frage nach dem Weitblick der Chefvolkswirte auf die russische Wirtschaftsentwicklung.

Darum erlebten wir einen Wahlkampf ohne Außenpolitik. Der CDU ist zu raten, die Erkenntnisse aus der Berliner Rede Schäubles zur Grundlage ihrer außenpolitischen Konzeption zu machen: "Die Nationalstaaten sind historisch betrachtet das Europäische an Europa. Sie werden auf absehbare Zeit die bestimmende staatliche Organisationsform bleiben. Die Staaten vermitteln den Menschen Zugehörigkeit, Identität, ohne die freiheitliches Zusammenleben auf die Dauer nicht gelingt ... Das größere Europa, in das wir gehen, hat wenig gemeinsam mit dem Europa, das den Gründervätern in den 50er Jahren vorschwebte. Vereinigte Staaten von Europa wird es, soweit wir von hier sehen können, nicht geben, die Europäische Union wird eine multinationale Gemeinschaft bleiben."

Den 68ern der neuen Regierung bei Grünen und in der SPD wird diese Erkenntnis gewiß verborgen bleiben. Aber die CDU muß jetzt ihre Politik für später formulieren, auch in der Außenpolitik.

 

 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Für Sie entdeckt

Jetzt reicht s sogar Thierse

Chronisch knappe Kassen

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv