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Geschichte und Kultur - Klammer der Nation

 
     
 
Bayerns Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung sowie Familie und Frauen, Christa Stewens, weist in ihrer zum 25. Jubiläum der bayerischen Patenschaft für die Freundeskreis Ostdeutschland gehaltenen Rede auf die historischen Verknüpfungen Bayerns und Preußens hin

Vor 25 Jahren hat die Bayerische Staatsregierung die Patenschaft für die Freundeskreis Ostdeutschland übernommen. Von Ministerpräsident Goppel vollzogen und von Franz-Josef Strauß bis Edmund Stoiber
mit Leben erfüllt, feiern wir heute ein Obhutsverhältnis, auf das wir stolz sind.

Der Freistaat Bayern ist die älteste gewachsene Demokratie Deutschlands. Trotz der Katastrophe von 1945 haben wir unsere Identität bewahrt. Unsere Tradition hat sich erhalten und mit ihr der unverstellte Blick auf historische und kulturelle Zusammenhänge. Daher haben wir immer deutsche Geschichte und Kultur als gemeinsame Klammer der ganzen deutschen Nation begriffen.

Wir stehen zu den deutschen Heimatvertriebenen. Wir stehen zu ihnen in Solidarität und im Zeichen des Dankes für ihre großartigen Leistungen beim Wiederaufbau und bei der Entwicklung moderner Strukturen unseres Landes. Diese Verbundenheit findet ihren Niederschlag in unserer Verläßlichkeit:

Angefangen und immer wieder gefordert im politischen Beistand, fortgesetzt in einer konsequent ausgeübten ostdeutschen Kulturförderung und hervorgehoben durch zwei besondere Obhutsverhältnisse: die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen und die Patenschaft für die Freundeskreis Ostdeutschland. Zum 25jährigen Bestehen dieser Patenschaft überbringe ich Ihnen die Glückwünsche der Bayerischen Staatsregierung. Besonders grüßen läßt Sie der Bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber.

Unsere Verbundenheit mit den Ostdeutschland geht immer auch auf die "vielfältigen jahrhundertealten historischen und kulturellen Bindungen zwischen Bayern und Ostdeutschland" zurück, wie es in der Patenschaftsurkunde heißt.

Seit Siegfried von Feuchtwangen 1309 die Hochmeisterresidenz des Deutschen Ordens von Venedig in die Marienburg verlegte, spielten in Ostdeutschland bayerische Geschlechter eine maßgebliche Rolle. Von den 34 Hochmeistern des Ordens kamen nicht weniger als 15 aus Bayern, Franken und Schwaben. 1525 hat der letzte Hochmeister, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, den Ordensstaat in das weltliche Herzogtum Preußen umgewandelt.

Im 18. Jahrhundert waren es die bayernstämmigen protestantischen Salzburger, die zur Siedlung und Gestaltung Ostdeutschlands beitrugen. Unvergessen bleibt die "Münchner Ostdeutschlandhilfe", der älteste freundschaftliche Zusammenschluß ostdeutscher Bürger in Bayern aus dem Jahr 1915. Die Patenschaftsurkunde nimmt darauf eigens Bezug. Den Ehrenvorsitz dieses nach dem Russeneinfall 1914 ins Leben gerufenen Hilfswerkes hatte der bayerische Minister des Äußeren und spätere Reichskanzler Graf von Hertling.

Die zurückliegenden 25 Jahre unserer Patenschaft erinnern an die gewaltigen Veränderungen in Deutschland und in Europa: Ost-West-Konfrontation, Aussiedlerwellen, Zusammenbruch des Kommunismus, Einheit Deutschlands. Sie war übrigens die erste NATO-Ost-erweiterung, was meistens vergessen wird! Dann EU-Binnenmarkt, Währungsunion und EU-Osterweiterung. Das alles ist innerhalb der Zeitspanne von nur einer Generation geschehen und zeigt, wie schnellebig unsere Zeit ist.

Für die Pflege und Weiterentwick-lung des ostdeutschen Beitrags zur deutschen und europäischen Kultur bedeutet dieser Wandel, daß diese Arbeit nun endlich auch in den Ursprungsgebieten vollzogen werden kann. Europäische Zukunft heißt Mobilität, heißt Besinnung und Rückkehr zu den gemeinsamen Wurzeln. Ohne den Blick auf die Kulturleistungen der Deutschen im Osten von Riga bis Hermannstadt, von Königsberg bis Eger gibt es kein Verständnis für die mitteleuropäische Gemeinsamkeit.

In den 25 Jahren der Patenschaft haben die Ostdeutschland in Bayern und darüber hinaus wertvolle Arbeit geleistet. Ich erinnere an das unvergessene Wirken der Ost- und Westpreußenstiftung in Oberschleißheim. Für die in Bayern lebenden Landsleute war sie in entscheidender Zeit ein Stück Heimat. Unzählige Anstöße und Maßnahmen hatten dort ihren Ausgangspunkt. Zu einem guten Teil auch die Patenschaft, die wir heute in Ellingen feiern.

Dieses Kulturzentrum Ostdeutschland ist ein Kind der Freundeskreis. Zur Aufnahme von ostdeutschem Kulturgut bestimmt, hat sich dieses imposante Schloß des Deutschen Ordens zum Mittelpunkt der ostdeutschen Kulturarbeit in Bayern entwickelt. 1981 wurde das Zentrum feierlich eröffnet, seine Nutzfläche seither auf 1.500 Quadratmeter erweitert. Um die Arbeit in Ellingen noch stärker ideell und materiell zu unterstützen, wurde 1997 ein Förderverein gegründet, dessen Vorsitzende die Fürstin von Wrede ist. Dafür sage ich Dank und Anerkennung!

Intensive Arbeitskontakte unterhält diese rührige Einrichtung mit vorzüglichen Mitarbeitern und ihrem Leiter, Wolfgang Freyberg, zu polnischen, russischen und litauischen Einrichtungen unter anderem in Allenstein, Königsberg und Memel.

Im Verbund mit dem Ostdeutschen Landesmuseum in Lüneburg ist das Kulturzentrum Ellingen Teil der Ostdeutschen Kulturstiftung und hat die gemeinsame Geschäftsstelle inne.

Es freut mich natürlich, daß ich dieser Einrichtung in schwieriger Zeit helfen konnte. Ich erinnere mich gern an meine Verhandlung mit dem damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Nida-Rümelin. Damals gelang es mir, den schon beschlossenen Ausstieg des Bundes aus der Förderung Ellingens abzuwenden. Ich bin glücklich, daß Bund und Land eine Regelung getroffen haben und seither in gleicher Höhe fördern.

Zwei Jubiläen stehen an, die den Blick nach Ostdeutschland richten. Demnächst feiert Königsberg, die ehemalige preußische Residenz-, Krönungs- und ruhmreiche Universitätsstadt, ihr 750jähriges Bestehen. Die Zukunft dieser russischen Exklave ist ungewiß. Noch immer gibt es kein deutsches Konsulat dort, was nicht allein Ausdruck russischer Verweigerung, sondern auch lang anhaltender deutscher Zurückhaltung ist, für die ich kein Verständnis habe.

Ein besonderes Jubiläum, an dem ich teilnehmen werde, wird dieses Jahr in Allenstein begangen. Die Stadt wird 650 Jahre alt. Mein Ministerium pflegt zur Woiwodschaft Ermland und Masuren, zur Stadt Alleinstein und in erster Linie zu den Angehörigen der deutschen Volksgruppe enge Beziehungen.

Im Jahr 2000 haben wir das "Haus Kopernikus" der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit er- öffnet. Der allergrößte Teil seiner Finanzierung ist von Bayern geleistet worden. Beteiligt war die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, beteiligt waren aber auch die treuen Ostdeutschland in Deutschland.

Nur wo Volksgruppen über ein eigenes Zentrum verfügen, haben sie eine Heimat. Da, wo eigener Raum ist, vermag sich etwas zu entwickeln. Insofern ist das Haus Kopernikus eine Investition in die Zukunft, ein Mittelpunkt, der weit über die jetzige Nutzergeneration hinauswirkt. Deshalb sind wir stolz auf dieses Haus. Gemeinsam mit der Volksgruppe ist es eine Brücke zwischen Deutschen und Polen. Dafür sorgen viele Veranstaltungen und - wenn die Voraussetzungen geschaffen sind - demnächst auch ein Informationszentrum für Wirtschaft in seinen Räumen.

"Die Übernahme dieser Patenschaft will ein Zeichen der rückhaltlosen Gemeinschaft im Deutschland nach dem 2. Weltkrieg sein", heißt es in der Urkunde aus dem Jahr 1978. Das ist ein anspruchsvolles, ein großartiges Wort, das über Ostdeutschland hinaus ganz Deutschland im Blick hat. Ein Wort, das nach Preußens Mission in heutiger Zeit fragen läßt.

Preuße war man nicht allein durch Geburt. Man war es durch Bekenntnis. Das erklärt seine Anziehungskraft einst über Deutschland und heute über Preußens verordnetes Ende hinaus. Ich erinnere an ein Wort von Franz-Josef Strauß: "Wenn es darauf ankommt, sind wir Bayern die besseren Preußen."

Preußische Tugenden sind beispielhaft geblieben. In unserer heutigen Situation haben wir allen Grund, uns hieran zu orientieren: Zivilcourage, das hohe Ethos der Pflichterfüllung, des selbstlosen Einsatzes in einem vorbildli-chen Rechtsstaat, dazu Toleranz und hohe Geistigkeit der Verantwortlichen in Staat, Gesellschaft und Militär. Wenn ich den inneren Zustand unserer Gesellschaft betrachte, dann wünsche ich mir oft mehr preußische Tugenden. Was die besten Vertreter Preußens stets ausgezeichnet hat, waren Fähigkeit, Größe und Bescheidenheit. Dies und die Identifikation mit dem eigenen Staat ist es, was wir heute stärker bräuchten.

Im Testament Friedrich Wilhelms I. findet sich der Satz: "Menschen halte ich für den größten Reichtum." Muß uns das nicht in heutiger Zeit eine besondere Mahnung sein, wenn wir an den Bestand unseres Volkes denken, an das Erfordernis hoher Leistung und hoher Motivation? Daher ist es wichtig, in der heutigen Diskussion von preußischen Tugenden zu sprechen.

Von Preußen müssen wir wieder lernen, in langfristigen Dimensionen zu denken und dabei zielorientiert zu handeln. Preußen existiert in uns fort. Das Territorium dieser im Vergleich friedlichsten aller damaligen europäischen Mächte ist heute aufgeteilt unter Litauen, Rußland, Polen und Deutschland. Gemeinsam stehen sie in Verantwortung für ein großes Vermächtnis. Daran zu erinnern und dafür zu werben, werden wir in Bayern nicht nachlassen. Die vornehmste Verpflichtung aber liegt bei uns Deutschen selbst. Werden wir ihrer gerecht, dann können wir viele Probleme besser bewältigen! Graf von Hertling: Der einstige bayerische Minister des Äußeren und spätere Reichskanzler war Ehrenvorsitzender der 1915 gegründeten "Münchner Ostdeutschlandhilfe". /p> Imposante Stätte: Das Kulturzentrum Ostdeutschland befindet sich in einem alten Schloß des Deutschen Ordens in Ellingen. /p> Geschichtsbewußte Ministerin: Christa Stewens, zuständig für Arbeit und Sozialordnung sowie Familie und Frauen in Bayern.

Eine keineswegs nur ernsthafte Feier

Neben Reden und Ehrungen kam der unterhaltsame Teil bei der 25-Jahr-Feier der Patenschaft Bayern / Freundeskreis Ostdeutschland durchaus nicht zu kurz. So trug die Showtanzgruppe Ellingen Ausschnitte aus dem Musical "Falco meets Amadeus" vor, bei dem selbst der Leiter des Kulturzentrums Ellingen, Wolfgang Freyberg (r.), mitwirkte.
 
     
     
 
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