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Der Krieg war vorbei, aber in den dunklen Falten der Nachkriegsjahre verbarg sich ein neuer, ein anderer Krieg, der Krieg der Davongekommenen gegen Hunger und Kälte und Arbeitslosigkeit. Und es steckte Ungewißheit darin über zukünftige Berufs- und Lebenswege", schreibt der Pommer Klaus Hupp in seinem Buch Als die Flüchtlinge nach Kiel kamen (Husum Verlag, 182 Seiten, zahlr. sw Abb., 24,80 DM). Und: "Das Leben erschöpfte sich von morgens bis abends im Kampf ums tägliche Brot. In der Erhaltung der biologische n Existenz lag der Sinn des Lebens. Nach einem höheren geistigen Sein regte sich kein Verlangen. Es zeigte sich in den Nachkriegsjahren, wie stark der Mensch doch angebunden ist an seine erdhafte Natur."
Zu Tausenden waren die Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein geströmt, geflohen vor der Roten Armee, vor Krieg und Verderben. Sie fanden Unterkunft bei den Einheimischen, die sie nicht immer mit offenen Armen aufnahmen, oder in Massenquartieren, zusammengepfercht mit anderen Leidensgenossen. Klaus Hupp, Lehrer aus Köslin, schildert in seinen Erinnerungen lebendig diese ersten schweren Jahre des Neubeginns im Westen. Nachdem die größten Schwierigkeiten überwunden waren, man wieder Halt unter den Füßen gewonnen hatte, konnte man auch daran gehen, etwas für die Seele zu tun. Integration hieß das Zauberwort. Klaus Hupp und seiner Familie ist sie gelungen, "doch das Band zur alten, angestammten Heimat wurde dadurch nicht zerrissen; wir Flüchtlinge und Vertriebene können es nicht loslassen. Immer wieder knüpfen wir das Band zur Heimat aufs neue und halten die Gedanken und Gefühle daran wach; wir können innerlich nicht weggehen ..."
Historische Bilanz dieser ersten Nachkriegsjahre zieht auch eine Wanderausstellung, die vom Haus der Bayerischen Geschichte (Postfach 10 17 51, 86007 Augsburg; www.bayern.de/HDBG) zusammengestellt wurde. In Bayern angekommen ist der Titel, der schon deutlich macht, daß es vor allem um die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen nach 1945 geht. Zu sehen ist die Ausstellung jetzt vom 16. Januar bis 4. März im Stadtmuseum Erlangen. Bis November 2002 wird sie anschließend in verschiedenen bayerischen Städten gezeigt, so auch im Spätsommer 2002 im Kulturzentrum Ostdeutschland im Deutschordensschloß Ellingen.
Wer keine Gelegenheit hat, die Ausstellung zu besuchen, der kann sich anhand des Begleitheftes über die Inhalte informieren (48 Seiten, viele sw Abb., brosch., 7,50 DM). Ein ausführlicher Überblick über das historische Geschehen erleichtert auch denen den Zugang zu diesem komplexen Thema, die damals noch nicht geboren waren.
Zwei Millionen Neubürger galt es in Bayern zu versorgen. Nicht immer wurden die Flüchtlinge und Vertriebenen herzlich aufgenommen und so manches, heute belächelte Kuriosum sorgte vor mehr als einem halben Jahrhundert für Aufregung. So mußten Gemeindeverwaltungen von amtlicher Seite gar darauf hingewiesen werden, daß es nicht gestattet sei, diese neuen Bürger außerhalb der Friedhofsmauern zu bestatten. Nach anfänglichem Chaos jedoch gelang es schließlich, den Zustrom der "Fremden" weniger als Belastung denn als Chance zu sehen. Staatliche Initiativen, aber auch eine gehörige Portion an Selbsthilfe trugen zur wirtschaftlichen Integration erheblich bei. Aber auch die "mentale Integration" war erwünscht. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu leisteten schließlich die Freundeskreisen. Fotos, Dokumente, Zeitzeugenberichte und Originalobjekte machen diese Wanderausstellung zu einer sehenswerten Präsentation Geschichte zum Anfassen.
"Handfeste" Beispiele der kulturellen Eigenarten aus dem deutschen Osten bietet darüber hinaus ein Kochbuch, das unter dem Titel Liegnitzer Bomben und Pommersche Gänse im Zusammenhang mit der Ausstellung erschienen ist (für 10 DM in der Ausstellung oder beim Haus der Bayerischen Geschichte). Von Schmandsuppe bis Königsberger Marzipan, aber auch Notrezepte wie Löwenzahnsalat oder Gierschgemüse zeugen von einer langen bis heute nicht vergessenen Tradition.
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