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John Kohlsaat gehört nicht zu den Führungskräften, die gern eine Krawatte tragen. Die Umgangsformen des Chefs von "Easyjet Deutschland", einer der führenden Billigfluggesellschaften, sind eher lässig, einer wie Kohlsaat vergreift sich nicht so schnell im Ton. Er sei nicht "wie der Hunold, der immer gleich meckert und zetert, wenn ihm was nicht paßt", vergleicht ein leitender "Easyjet"-Angestellter die Haltung seines Bosses mit der von "Air Berlin"-Chef Andreas Hunold.
Inzwischen jedoch ist Kohlsaat die lockere Art vergangen. Der 42jährige hat kurzfristig eine Pressekonferenz anberaumt - mitten im Wahlkampf. Gegenstand des Gesprächs mit den neugierigen Vertretern der Hauptstadtpresse: "Easyjet warnt vor Bau eines Milliardengrab s."
Es geht gegen den neuen Großflughafen "Berlin Brandenburg International" kurz: BBI. Da BBI das Steckenpferd des Regierenden Bürgermeisters von Berlin ist, muß der rot-rote Senat Kohlsaats Auftritt als Kampfansage verstehen. Klaus Wowereit (SPD) läßt sonst seinen Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei/PDS) die miesen Wirtschaftsdaten bekanntgeben, schickt ihn zu vom Rausschmiß bedrohten Mitarbeitern von Pleitefirmen.
Nur die guten Nachrichten präsentiert Wowereit selbst der Öffentlichkeit. Und wenn er über Zukunftspläne redet, dann über BBI. Den Großflughafen, der Arbeitsplätze und Aufschwung "für die ganze Region" verspricht. BBI ist Chefsache.
"Der neue Großflughafen wird Billigfliegern nicht gerecht", spuckt jetzt der "Easyjet"-Chef dem Senat in die Suppe. Die Landesregierung kann die harschen Äußerungen nicht einfach als die betriebsbedingten Sorgen eines Firmenchefs abtun. Schließlich ist Kohlsaat mit seiner Billigfluggesellschaft (Parole: "Berlin will fliegen") erheblich daran beteiligt, die herbeigesehnten Touristen nach Berlin zu bringen. "Wir fliegen rein, nicht raus", streicht Kohlsaat über die berlinfördernde Struktur seiner Kundschaft heraus. "Easyjet" befördere mit insgesamt 120 Maschinen vor allem Besucher nach Berlin, während Berliner nur in geringerem Maße Ziele wie Rom, Paris oder Laibach zum Billigtarif ansteuerten, so der "Easyjet"-Chef.
"Wir sind die viertgrößte Fluggesellschaft Europas", verkündet Kohlsaat. Und fügt hinzu: "Schönefeld ist unser größter Standort außerhalb des Vereinigten Königsreichs." 400 Mitarbeiter arbeiteten dort für sein Unternehmen. Das könnte jedoch auch daran liegen, daß die britische "Easyjet" 2004 mit Sonderkonditionen wie verbilligten Flughafenentgelten nach Berlin gelockt wurde, die sie wegen der BBI-Planungen nun gefährdet sähe, spottete jüngst der Sprecher des Konkurrenten "Air Berlin", Peter Hauptvogel. Die Gesellschaft "German Wings" will sich Kohlsaats Kritik ebenfalls nicht anschließen. Wenn BBI ein eigenes "Low Cost Terminal" haben werde, dann sei das zufriedenstellend.
Was genau stört die Fluggesellschaft jetzt? "Easyjet" beschwert sich über die angeblich viel zu großen Entfernungen. Die Fußwege in BBI würden weitaus länger als bislang gewohnt. Die Fluggäste bräuchten viel mehr Zeit. Aufgrund langer Wege und zu weniger Standplätze würde jede seiner Maschinen statt bisher 30 dann 50 Minuten am Boden bleiben müssen. Das hieße für die Zukunft, "auf einen Arbeitstag hochgerechnet ... für Easyjet den Verlust eines ganzen Fluges pro Flugzeug." Was herbe wirtschaftliche Einbußen zufolge habe, denn: "Unsere Flugzeuge müssen in der Luft sein, nicht am Boden", um Gewinn zu machen.
Mehrere Gebäudekomplexe sind geplant, die sich über das Gelände verteilen und nicht miteinander verbunden sind. Der Übergang von Gebäude zu Gebäude und zum Flugzeug soll per Bus erfolgen. Dies wird zwar auch in anderen Großflughäfen so gehandhabt, doch, so beklagt Kohlsaats Pressesprecher Oliver Aust, "ein Bustransfer ist die schlechteste Variante". Außerdem seien für alle Billigflieger zusammen nur zehn Standplätze vorgesehen. Schon jetzt nutze allein "Easyjet" in Schönefeld sechs Plätze.
Die Pläne für BBI stammten aus den 90er Jahren, als ein Flug von Berlin nach Stuttgart oder Köln noch 200 bis 300 Euro kostete, weil die Lufthansa als Monopolist die Preise habe diktieren können. Damals habe es weder "Easyjet" noch "Airbaltic", "DBA" oder "HLX" gegeben.
Doch, darin sind sich Tourismusexperten in der Tat einig: Den Billigfliegern gehört die Zukunft, was in den Plänen für BBI laut "Easyjet" nur unzureichend berücksichtigt worden ist. Heute rechnet der Flughafenbetreiber selbst damit, daß ab BBI nur noch 30 Prozent Linienmaschinen fliegen werden - und 70 Prozent Billigflieger.
Bleibe es bei den derzeitigen Bauplänen der Flughafenbaugesellschaft, so drohe BBI "ein großer leerer Glaspalast zu werden", warnt Kohlsaat. Nur 16 statt der erhofften 38 Millionen Fluggäste würden dann den Flughafen nutzen. Der Ansehensverlust wäre gewaltig, wenn sich unter Urlaubern wie Vielfliegern erst einmal der Rat herumspräche: "Flieg bloß nicht über Schönefeld!"
Kohlsaats Kritiker indes werfen dem rührigen "Easjet"-Chef vor, mit seiner Attacke gegen BBI vor allem Werbung in eigener Sache machen zu wollen. Vergangenen Dienstag erfolgte 14 Jahre nach den ersten Planungen der erste Spatenstich. Ob der neue Flughafen allerdings - Billigflieger hin oder her - überhaupt je die Chance haben wird, sich neben den vorhandenen deutschen Umsteigeflughäfen wie Frankfurt oder München als neues "Drehkreuz" zu behaupten, steht Fachleuten zufolge in den Sternen. |
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