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Goethe-Institut

 
     
 
Was macht Island seit dem 1. April zusammen mit Albanien in Europa einzigartig? Die Antwort mutet wie ein Aprilscherz an, ist aber nur bundesrepublikanische Politikwirklichkeit: die Nordmeerinsel und das Land der Skipetaren haben jetzt in der deutschen Kulturpolitik den gleichen Stellenwert. Island hat keine deutsche Kulturvertretung mehr; das Goethe-Institut in Reykjavik ist geschlossen.

Das deutsche Auswärtige Amt
entzog die Mittel und sprengte damit den wichtigsten Brückenpfeiler des kulturellen Austausches zwischen Island und Deutschland.

So paradox es klingen mag, Schuld an der Schließung des Goethe-Institutes scheint die notorische Deutschfreundlichkeit der Isländer zu sein, die Tradition hat: weil Island sich weigerte, Deutschland den Krieg zu erklären und die eigene Neutralität aufzugeben, durfte es 1945 nicht Gründungsmitglied der Vereinten Nationen werden. Und als einziges nordisches Land befürwortete es erst vor kurzem die Einführung von Deutsch als Arbeitssprache im Europarat – Gründe für Außenminister Kinkel, zu solch aufdringlicher Anbiederei auf Abstand zu gehen?

Da halfen auch die Protestdemonstrationen enttäuschter Germanistikstudenten in Reykjavik nichts. "Goethe skal lifa!", Goethe soll leben, skandierten sie, doch Goethe geht. Das Althing, die Volksvertretung, prostestierte einstimmig gegen diesen "verhängnisvollen Schritt". Aber selbst der dezente diplomatische Hinweis der Isländer, daß schließlich Außenminister Halldór Asgrimsson vor den Vereinten Nationen ausdrücklich für einen ständigen Sitz Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat das Wort ergriffen habe, stieß bei Kinkel auf taube Ohren.

Statt dessen brüskierte das Auswärtige Amt die Isländer mit der Entscheidung, ihr Land künftig vom Goethe-Institut in Kopenhagen aus zu betreuen. Ein Blick ins Geschichtsbuch hätte dem ahnungslosen Kinkel zeigen müssen, daß dies bei den Isländern, die jahrhundertelang unter der politischen und kulturellen Kolonialhegemonie der Dänen standen, ungute Gefühle wecken muß. Eine Betreuung aus Dänemark gleich welcher Art werden sich die freiheitsliebenden Isländer, die erst seit 1944 in einer unabhängigen Republik leben, wohl nicht mehr wieder wünschen. Während die knapp siebentausend Bücher der Institutsbibliothek weiter fleißig in Kisten verpackt und eingemottet werden, wird mit Elan über dem Reykjaviker Stadtteich eine Prachtvilla aufwendig hergerichtet: die neue deutsche Botschaft. Renoviert mit den 350 000 Mark, die das Außenministerium mit der Schließung des Institutes jährlich einspart?

Wären die Isländer ein Volk, das latent abwehrend und mißtrauisch gegen Deutschland eingestellt wäre, hätten sie ihr Goethe-Institut wahrscheinlich behalten können. Diese Begründung reichte nämlich aus, ein analoges Haus in Rotterdam vor der Schließung zu bewahren. Auch bietet sich auf der Insel kein großer wirtschaftlicher Absatzmarkt.

Seit 1994 machten 23 Goethe-Häuser dicht, mußten jedes Jahr bis zu zwei Prozent des gesamten Personals abgebaut werden.

Versuche ausländischer (!) Geldgeber, über Spenden Goethe-Häuser zu retten, torpediert das Bundesfinanzministerium, indem es eine Steuer von sage und schreibe 41 Prozent erhebt. Der Schriftsteller Rolf Hochhut empört sich darüber im "Spiegel": "Hat je eine  geistfeindlichere  Mischpoke Deutschland regiert? Ernst Jünger notierte, Bismarck habe abgelehnt, ,Einkommen aus musischen Tätigkeiten zu besteuern‘. Für die Kultur ist es letzten Endes kein gar so großer Unterschied, ob Hitler oder Ulbricht die Literatur geistig knebeln – oder ob Kohl das wirtschaftlich tut." Thomas Paulwitz

 
     
     
 
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