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Dänemarks Sozialdemokraten können den aktuellen Wahlausgang nur schwer verkraften. Hatten sie gedacht, der Sieg der Rechten 2001 wäre nur ein Ausrutscher gewesen, mußten sie jetzt erleben, daß die erfolgreiche Politik und der Imagewechsel der ehemaligen Bauernpartei Venstre unter Führung des 52jährigen Rasmussen sogar ihre eigene Stammklientel überzeugte: Sechs von zehn Arbeitern machten ihr Kreuz bei den Konservativen, Rechtsliberalen oder der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei. Wie erklärt sich der dänische Rechtsrutsch?
Während südlich der deutsch-dänischen Grenze ein Landtagswahlkampf tobt, in dem sich die schleswig-holsteinische n Parteien von den Grünen über die SPD bis zur CDU zu übertreffen versuchen in Aufrufen zum "Kampf gegen Rechts", wählen nördlich davon die Dänen unbefangen und frohgemut in ihrer großen Mehrheit rechte bis rechtsradikale Parteien, auf daß sie wiederum die Regierung in Kopenhagen bilden. Mit 29 Prozent stärkste Kraft wurde - wie schon bei der Folketingswahl vor drei Jahren - die Venstre-Partei, die zwar "Venstre" = Links heißt, tatsächlich aber nationalliberal orientiert ist, eine politische Richtung, für die es zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland keine Partei gibt.
Die Konservativen, die zusammen mit der Venstre die Regierung bislang bildeten und auch in Zukunft bilden werden, gewannen 10,3 Prozent und die "Dänische Volkspartei", die man in großen Zügen durchaus mit den in Deutschland als "rechtsradikal" verschrieenen Parteien vergleichen kann, nahm kräftig zu und steht nun mit 13,2 Prozent der Stimmen an dritter Stelle. Sie hat in den vergangenen Jahren, und wird es wohl auch in Zukunft tun, die rechte Regierung toleriert und nicht selten erheblichen Druck auf sie ausgeübt.
Vor drei Jahren erregte es über Dänemark hinaus Aufsehen, daß die traditionell von Sozialdemokraten und Sozial-Liberalen ausgeübte Herrschaft durch einen deutlichen Rechtsruck bei den Wahlen abgelöst wurde. Ausschlaggebend war damals wie auch beim jüngsten Urnengang der Wunsch einer Mehrheit dänischer Wähler, die Einwandererflut (die allerdings weder zahlenmäßig noch prozentual die der Bundesrepublik erreicht hatte) einzudämmen. Die Dänen fürchteten den Verlust ihrer nationalen Identität. Und jene Parteien, die die rigorosesten Einschränkungen der Zuwanderung versprachen, erhielten dann auch die Mehrzahl der Stimmen.
Sie haben Wort gehalten. Dänemark hat die schärfsten Einwanderungsgesetze in Europa, wodurch deutlich der Zuwandererstrom eingeschränkt und die Integration verbessert wurde. Zahlreiche von den früheren linken Regierungen geschaffene Schlupflöcher für Zuwanderung wurden gestopft. Daß unter dem Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen die restriktive Ausländerpolitik nicht erlahmte, dafür sorgten die rechts außen agierenden Politiker der "Dänischen Volkspartei" unter ihrer energischen Vorsitzenden Pia Kjaersgaard, auf deren Stimmen die Regierung im Parlament angewiesen war.
Dieses Erfolgsrezept bewirkte, daß der belgische liberale Innenminister nach Kopenhagen reist, um Anregungen für die belgische Ausländerpolitik zu holen, was seinen sozialdemokratischen Koalitionspartner in helle Aufregung versetzt hat. Die sozialdemokraten befürchten, daß die Liberalen mit dem Gedanken spielen, nach dänischem Muster in Brüssel eine Minderheitenregierung ohne Sozialdemokraten zu bilden, die von der Rechtspartei "Vlaams Belang" (bis vor kurzem "Vlaams Blok") toleriert wird.
Beobachter in Dänemark sind sich einig: Wieder war es die scharfe Einwanderungspolitik der rechten Parteien, die ihnen den Sieg sicherte. Und die wirtschafts- und arbeitsmarkpolitischen Maßnahmen der letzten drei Jahre haben - anders als die der Sozialdemokraten vorher - die dänische Wirtschaft aufblühen lassen. Die Staatskasse weist, wie der Finanzminister strahlend erklärte, auch im Jahre 2005 wieder "einen satten Überschuß" aus. Er betonte: "Dänemarks Wirtschaft ist stark und gesund." Die Arbeitslosenquote ist auf 5,2 Prozent gesunken. Die Dänen können optimistisch sein. Im Gegensatz zu den Deutschen konsumieren und kaufen sie, selbst wenn sie dafür Schulden machen müssen. So stieg der Absatz von Neuwagen im Jahre 2004 um 33,6 Prozent, und das obwohl Autos in Dänemark aufgrund der hohen Besteuerung etwa doppelt so teuer sind wie in Deutschland. Nach einer jüngst durchgeführten internationalen Erhebung kann man die Dänen als "das glücklichste Volk der Erde" bezeichnen.
Diesen Optimismus verbreitet zu haben, ist sicherlich auch das Verdienst der Rechtsregierung in den vergangenen drei Jahren gewesen, und die Dänen wollen, daß sich diese Entwicklung fortsetzt.
Während man von Liberalen eher erwartet, daß sie den Wohlfahrtsstaat einschränken, haben sich die Nationalliberalen in Dänemark anders entschieden. Fogh Rasmussen will den Wohlfahrtsstaat nicht minder erhalten wie seine sozialdemokratische Konkurrenz. Aufgrund der glänzenden Wirtschaftslage des Landes kann er es sich auch leisten.
Als Hauptaufgaben für die Regierung, die wieder er bilden wird, gibt er die Durchführung einer umfassenden Kommunalreform Dänemarks an. Die bisherigen Gemeinden und Kreise ("Ämter") sind für die Bewältigung der Probleme einer modernen Gesellschaft nicht leistungsfähig genug. So sollen Kommunen und Kreise zusammengelegt werden. Nach gründlicher Diskussion ist das Konzept weitgehend akzeptiert. Jetzt geht es an die Umsetzung. Als weiteres Ziel nennt Fogh Rasmussen die Durchführung eines Volksentscheides über die EU-Verfassung. Die Regierung hofft auf Zustimmung, was keineswegs sicher ist, haben doch die Dänen bereits durch Volksabstimmung die Einführung des Euro abgelehnt.
Die dänischen Sozialdemokraten haben eine schwere Niederlage erlitten, obwohl sie sich endlich der Ausländerpolitik der Rechtsregierung angeschlossen hatten. Ihr Stimmenanteil beträgt nur noch knapp 25 Prozent.
Während sich Konservative und Nationalliberale in der Ausländerpolitik gründlich von der deutschen CDU unterscheiden - bezeichnend, daß Frau Merkel den dänischen Konservativen zum glücklichen Wahlausgang gratuliert hat, dabei aber nur deren Wirtschafts- und Finanzpolitik rühmt - ähneln sie ihr in der Frage der Sicherheitspolitik. Dänemark ist seit Jahren an der Interventionspolitik der USA beziehungsweise der Nato mit seinen Soldaten beteiligt. Allein im Irak stehen 500 dänische Soldaten, eine erhebliche Anzahl angesichts der insgesamt nur 20.500 Mann (und Frau) starken Armee. Und auch auf dem Balkan, in Äthiopien und in Afghanistan befinden sich dänische Streitkräfte. Diese Politik will die Rechtsregierung fortsetzen und dabei gleichzeitig die Wehrreform betreiben. Zwar gibt es in Dänemark die Wehrpflicht (für vier Monate), doch setzt man auf Freiwillige. Wer freiwillig zu den Soldaten geht, erhält eine größere Wahlmöglichkeit. Melden sich weniger als notwendig, will man auf die Wehrpflicht zurückgreifen. Bisher haben sich mehr Interessierte gemeldet als Plätze vorhanden sind.
Fogh Rasmussen wird bescheinigt, daß er sich im Laufe seiner bisherigen Regierungstätigkeit immer mehr zum pragmatischen Politiker entwickelt hat, der das Notwendige tut, ohne sich an Ideologien auszurichten - offenbar ein Erfolgsrezept. Dr. Hübner |
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