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Hildegard Rauschenbach und Inta-Elisabeth Klingelhöller berührten in ihren Lesungen das Publikum

 
     
 
Hildegard Rauschenbach begann ihre Veranstaltung mit der Aufforderung an ihr Publikum, es ihr gleichzutun und ebenfalls die eigenen Erinnerungen niederzuschreiben, um dem tief schmerzenden Verschweigen deutschen Leids in dieser Gesellschaft entgegenzuwirken. Dem deutschen Emissär bei den jüngsten Zwangsarbeiterentschädigungsverhandlungen Otto Graf Lambsdorff warf die rüstige Dame in diesem Zusammenhang vor, nicht darauf hingewiesen zu haben, daß deutsche Zwangsarbeiter
bereits Reparationen geleistet haben und die Bundesrepublik diese auch nicht entschädigt hat. Positiv heben sich da in ihren Augen die einfachen Russen ab, die sie während ihres Zwangsaufenthaltes in Sibirien mit den Worten zu trösten versuchten: "Mädchen, du tust mir so leid. Krieg ist etwas Schreckliches, aber: Ihr habt nicht Schuld, und wir haben nicht Schuld."

Die eigentliche Lesung aus ihrem Buch "Vergeben ja - Vergessen nie" begann die Autorin mit der Schilderung ihrer ersten Begegnung mit der Roten Armee. Eindrucksvoll beschreibt sie, wie die Rotarmisten auch bei ihr, getreu den Parolen Ilja Ehrenburgs, "ihre Rechte als Sieger" wahrnahmen, ihre daraus resultierende Todessehnsucht und den langwierigen Entscheidungsprozeß, der schließlich dazu führte, daß sie aus Rücksicht auf ihre Familie und die Mitbewohner dann doch darauf verzichtete, im Selbstmord ein Ende der Qual zu suchen. Wie furchtbar das Erlittene war, ließ die Ostpreußin aus Dickschen, Kreis Pillkallen, erahnen, als sie die folgenden letzten Worte des Kapitels "Die russischen Soldaten sind da" vorlas: "Nach drei Tagen wurde ich vor eine Entscheidung gestellt: ,Leitnant fragt, ob du wollen bleiben bei ihm und wenn Truppe weg von hier, du gehen zurück zu Mama und Papa. Oder du wollen mit nach Sibirien , hatte mich der Dolmetscher gefragt. Ohne zu zögern antwortete ich ihm: ,Ich will nach Sibirien. "

Die ehemalige Zwangsarbeiterin beschreibt, daß es nicht der Wille war, zu überleben, sondern vielmehr das Gefühl des Hungers, daß nach Eßbarem streben ließ. Dafür waren sie und ihre Leidensgenossinnen sogar zum Betteln bereit, wenn sie es auch um der Selbstachtung willen euphemistisch "Klingeln" zu nennen pflegten. Trost fanden sie in Liedern, wobei komischerweise insbesondere das Deutschlandlied bei einigen Russen besonders gut ankam.

Aus dem Kapitel "Kinder, ihr fahrt nach Hause" las die ostdeutsche Autorin die ersten Passagen, in denen geschildert wird, wie sie völlig überraschend die Information erreichte, daß es nun heimwärts gehe, nachdem unmittelbar zuvor noch das Gerücht herumgegangen war, man würde womöglich für immer in Sibirien gefangengehalten werden.

Den für sie auf der "Heimfahrt" - so der Titel des folgenden Kapitels - entscheidenden Moment beschreibt die Ostpreußin folgendermaßen: "Am Sonntag, dem 22. August, rollt der Zug gegen Abend über die Oderbrücke bei Frankfurt. Ohne uns vorher verabredet zu haben, fallen wir alle nacheinander auf die Knie und singen ,Nun danket alle Gott . Können bald nicht weitersingen, die Kehle ist wie zugeschnürt, die Stimme versagt. Wir sind auf deutschem Boden!"

Da sich nach der Beendigung des Vortrages aus "Vergeben ja - Vergessen nie" sofort ein Pulk von Interessierten um die Schriftstellerin bildete, der sich nur sehr langsam auflöste, ging ihre Veranstaltung fast fließend über in die nächste. Inta-Elisabeth Klingelhöller, geborene Meier, las aus ihren "Lebenserinnerungen einer Ostpreußin" mit dem Titel "Eilig liefen meine Füße".

Sinnigerweise begann sie ihre Lesung mit der Schilderung ihrer Geburt. Der Vater sei am Abend des 27. Januar 1934 "beim Lesen in der Bibel ruhig und müde geworden. Dann habe er die Uhr 12 schlagen hören und gedacht. ,Heute ist der 27. Januar, da wird nicht geschustert und gearbeitet, denn es ist der Geburtstag seiner Majestät, des Kaisers. In seiner Schülerzeit sei dieser 27. Januar stets ein höchst angenehmes Datum für ihn gewesen, denn am Geburtstag des Kaisers hatte es immer schulfrei gegeben. Ein lautes Krachen hätte ihn dann erschrocken auffahren lassen. Ein Windstoß hätte wohl einen trockenen Ast gegen das Fenster geworfen, gleichzeitig sei ein Eichenkolben im Ofen mit lautem Krachen geborsten. In der darauffolgenden Stille war dann der Schrei eines Kindes zu hören, und das war ich."

Amüsant ist auch das folgende Mißverständnis, das an jenem Samstagnachmittag ebenfalls zum besten gegeben wurde: "Bei uns zu Hause wurde noch jahrelang zu Kaisers Ehren am 27. Januar geflaggt. In meinem kindlichen Sinn nahm ich immer an, die Fahne an meinem Geburtstag würde mir zu Ehren aufgezogen, und deshalb hob sich mein Geburtstag stets etwas von den Geburtstagen meiner Geschwister ab. Erst Jahre später begriff ich, daß nicht mir zu Ehren am 27. Januar geflaggt wurde."

Auch die Methoden der eigenen Erziehung wurden thematisiert, und kommentiert: "Wir wurden nach alter preußischer Tradition und Tugend erzogen: streng, sparsam, ja spartanisch und leicht militärisch nach dem Motto: ,Gelobt sei, was hart macht und abhärtet! Aus heutiger Sicht müßten wir alle ein Kindheitstrauma haben. Falls wir ein Trauma haben oder gehabt haben, ist es aber nicht in Ostdeutschland entstanden."

Und so ließen sich noch diverse Vorkriegsepisoden aus dem Familienleben derer Meier anführen, die an jenem Nachmittag im Raum 2 des CCL einem interessierten Publikum dargeboten wurden. Leider verging die Zeit darüber wie im Fluge, so daß die Flucht und die anschließenden Erlebnisse in Westdeutschland leider etwas kurz kamen. Niemand jedoch, der es wirklich will, ist daran gehindert, diese Jahre und Jahrzehnte im Leben der Inta-Elisabeth Klingelhöller in ihren Erinnerungen selber nachzulesen. D. Beutler

Zog Zuhörer in ihren Bann: Hildegard Rauschenbach berichtete über ihr Schicksal als Zwangsarbeiterin.
 
     
     
 
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