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Immer noch die Alten

 
     
 
Bei der Bundestagswahl 2005 waren alle Parteien Verlierer, doch während SPD und Union sich über ihre Verluste damit hinwegtrösten, daß sie die Regierung stellen, die FDP (61 Sitze) sich an ihrem Status als größte Oppositionspartei erfreuen kann und die Linkspartei die Zahl ihrer Sitze von zwei auf 54 Sitze erhöht hat, fällt es den Grünen schon erheblich schwerer, ihre Lage schönzureden. Doch wie reagiert man in der Partei auf den Absturz von einer Regierungspartei zur kleinsten Oppositionspartei mit nur noch 51 Sitzen?

Zunächst herrschte anscheinend eine gewisse Schockstarre, was auch verständlich ist, angesichts des Schröder-Coups der vorgezogen
en Neuwahlen. Doch nun hatte die Partei vier Monate nach der Wahl Zeit, sich über ihre Ziele in der Opposition Gedanken zu machen. Auch hatte sie Gelegenheit, aus Fehlentscheidungen in der Vergangenheit Lehren zu ziehen, aber während vor allem die Junge Union ihrer Mutterpartei mit scharfer Kritik drohte und in der SPD ein Posten-Karussell zu rotieren begann, herrschte um die Grünen Stille.

Wie sieht die neue grüne Identität aus, lautete denn auch die Frage an die Partei und einige ihrer prominentesten Bundestagsabgeordneten. Von den angeschriebenen Bundestagsabgeordneten meldete sich allein Renate Künast. In der Antwort versucht die ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft den Unterschied zwischen den drei Oppositionsparteien herauszuarbeiten. „Auch als kleinste Fraktion wollen wir die führende Rolle in der Opposition übernehmen. Wir sind die einzige Oppositionspartei mit radikalen, aber realistischen Inhalten. Die Linkspartei verspricht den Menschen das Blaue vom Himmel. Die FDP handelt einseitig marktradikal. Beides ist falsch.“ Klasse statt Masse und moderne linke Politik, so das neue Motto der Grünen.

Gemeinsam mit ihrem Amtskollegen Fritz Kuhn hat Renate Künast „Thesen zur Grünen Oppositionsarbeit“ aufgestellt, in denen als aller erstes die SPD verbal eins ausgewischt bekommt: „Insbesondere die SPD hat es versäumt, ihrer Anhängerschaft eine Verbindung von Modernisierung und Gerechtigkeit vorzuschlagen, …“ Eigene Fehler? Na ja, man habe halt mit Rot zusammen die Reformen zu spät eingeleitet und die Arbeitslosigkeit nicht senken können, dafür habe man aber die Gesellschaft erneuert und die ökologische Modernisierung vorangetrieben. „Selbstbewußt können wir sagen: … unsere Politik für die erneuerbaren Energien und den Klimaschutz oder für gesunde Lebensmittel und gegen die grüne Gentechnik war einfach zu gut.“ Und so wolle sich die Partei auch in Zukunft ihren Kernkompetenzen widmen, die da lauten: ökologische Modernisierung, weg vom Öl, Verbraucherschutz, Kinderpolitik, Minderheitenschutz und Bürgerrechte sowie Menschenrechtspolitik.

Das klingt ziemlich nach den alten Grünen. Erst etwas später folgt in dem Thesenpapier auch der Hinweis auf den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, der jedoch in einem Atemzug unter anderem mit „Neue Akzente in der Frauenpolitik“, „Neugestaltung der Integrationspolitik“, „Sozial und ökologisch vertieftes Europa“ genannt wird. Alles in allem erinnert das neue Programm der beiden im Vergleich zu ihren Vorgängern Claudia Roth und Reinhard Bütikofer professioneller auftretenden grünen Protagonisten Künast und Kuhn ziemlich an das alte Programm. „Kuhn und Künast sprechen von der Fraktion als Ideenwerkstatt. Konzepte ohne klare Machtperspektive drohen in der öffentlichen Wahrnehmung aber unterzugehen“, prophezeite „Die Welt“. Und auch die „Financial Times Deutschland“ meinte: „Zurück in der Opposition muß sich die Sonnenblumenpartei deshalb um ein neues Profil bemühen.“

Auf die Frage der „Welt am Sonntag“, wie man von einem Aufbruch der Grünen sprechen könne, wo doch die gesamte Grünen-Spitze mit Personen besetzt ist, die alle-samt das Projekt Rot-Grün repräsentierten, widersprach Renate Künast. „Vielleicht ist es den meisten intellektuell zu anstrengend, die Menschen nach ihrem Können, nach ihren Leistungen zu bewerten.“ Dies klingt keineswegs so, als ob die Partei auf der Suche nach einer neuen Identität wäre und bei sich nach Fehlern für ihre Abwahl aus der Regierung sucht. Sie will so weitermachen wie bisher, dabei standen doch gerade die Grünen einst für Veränderung.

Und wo sehen die Grünen ihre Wähler? „Ein Gutteil der Bürger wählt Grün“, so Künast. Hier läßt sich jedoch anmerken, daß es sich um jene Teile des Bürgertums handelt, die nach ihren Protestjahren in den 60er bis 80er Jahren inzwischen als Rechtsanwälte oder Apotheker zur Bürgerlichkeit zurück-gekehrt sind. Für sie sind die Grünen wählbar, denn die Bevölkerungsgruppe hat trotz Probleme im Land immer noch ihr Auskommen. Erstwähler, bei denen die Grünen früher sehr gut punkten konnten, ziehen sich inzwischen zurück. Wer verzweifelt nach einem Ausbildungsplatz sucht, wer erleben muß, daß seine Eltern ihre Arbeit verlieren, und wer schon während der Schulzeit eingeimpft bekommt, daß er nicht rechnen darf, eines Tages eine Rente zu erhalten, der hat andere Sorgen als „Atomkraft, nein danke!“ und „Waldsterben“.

Sind die Grünen also eine Partei des Wohlstandes und somit ein Auslaufmodell? Vieles spricht dafür, zumal Renate Künast auf ihrer Internetseite die Ängste der Deutschen hinsichtlich der Überfremdung aus einer abgehobenen Warte heraus sieht. Die in Deutschland herrschende „Islamophobie“ sei nichts anderes als Ausdruck der „Abstiegsängste der Mittelschicht“. Der deutschen Mehrheitsgesellschaft sei der Boden abhanden gekommen, stellt sie richtig fest, doch schon die Entscheidung, nicht vom „deutschen Volk“, sondern von der „deutschen Mehrheitsbevölkerung“ zu sprechen, gibt einen Eindruck davon, wie bei den Grünen über den Stellenwert der Deutschen gedacht wird. Und letztendlich sind die Grünen, bei denen sich Alt-68er, Friedensbewegte und Umweltaktivisten engagieren, mit Schuld daran, daß den Deutschen der Boden abhanden gekommen ist. Auch wollen sie gar keinen neuen Boden wie folgende, der Internetseite von Renate Künast zu entnehmende Aussage vermuten läßt: „Unsere nationale Identität kann nur eine gebrochene sein. Nationalstolz können wir höchstens daraus beziehen, daß es uns gelungen ist, aus dem Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus ein echtes Engagement für die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde zu machen.“

Die Grünen, die einst ausgezogen waren, das Land zu verändern, haben einen nicht unbeachtlichen Anteil daran, daß Deutschland nicht mehr Deutschland ist, sondern wirklich nur noch ein Land mit verschieden großen Volksgruppen. Nun, wo Deutschland wieder Veränderung braucht, um zumindest nicht noch weiter abzusinken, haben die Grünen keine Rezepte parat. Es scheint so, als wäre abzüglich einiger Unebenheiten für die Partei letztendlich alles gut so, wie es ist. Die Tatsache, daß die einstige Regierungspartei aus ihrer Abwahl keine Konsequenzen gezogen hat, läßt zumindest keinen anderen Schluß zu.

Es ist angerichtet: Künast und Kuhn mit Gemüsefrikadellen
 
     
     
 
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