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Ins Exil getrieben

 
     
 
Die große Familiensaga des Hauses Ullstein beginnt im Jahre 1835. Zu dieser Zeit betreibt Hajum Hirsch Ullstein lediglich eine Papiergroßhandlung.

Sein Sohn Leopold wächst zu einem intelligenten, ehrgeizigen jungen Mann heran, doch für Papier interessiert dieser sich nicht. Kaum daß er alt genug ist, geht er auf große Fahrt. In England lernt er seine zukünftige Frau Matilda kennen, hat jedoch zunächst nur Augen für ihre ältere Schwester Priscilla. 1857 heiratet er dann aber die lebhafte Matilda, die ihm sieben Kinder schenken wird.

Da Leopold kein Interesse daran hat, den Handel seines Vaters auf ewig weiterzuführen, verläßt er seine Heimatstadt Fürth, geht nach Berlin und ist 1877 bereits Herausgeber
der ersten Zeitung, die somit den Grundstein für den Aufstieg der berühmten Verlagsdynastie Ullstein darstellt.

Der Autor Sten Nadolny, der durch "Die Entdeckung der Langsamkeit" bekannt wurde, verfolgt zu Beginn des Romans das Leben von Leopold Ullstein, gewährt dem Leser jedoch auch kurze Einblicke in die Lebensläufe mehrerer Familienmitglieder, in deren Wünsche, Träume und das, was das Schicksal letztendlich für sie wirklich bereithält.

Aufgrund des chronologischen Aufbaus erlebt der Leser die Zeit unter Bismarck, die Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges, die Weltwirtschaftskrise zur Zeit der Weimarer Republik und den schick-salsschweren Tag der "Machtergreifung" Adolf Hitlers.

Am Ende eines jeden Kapitels gibt Nadolny eine kurze Zusammenfassung der geschichtlichen Ereignisse des jeweiligen Zeitabschnittes, was die Situation der jüdischen Familie Ullstein für den Leser in den entsprechenden geschichtlichen Rahmen setzt.

So erweitern die Söhne Leopolds das Familienunternehmen und schaffen somit den ersten modernen Medienkonzern der Welt. 1933 aber wird die jüdische Familie durch das NS-Regime enteignet und ins Exil getrieben.

Dem Autor ist es mit diesem Roman gelungen, die wichtigsten Personen des Hauses Ullstein, deren facettenreiche Charaktere, Taten und Schicksale auf sachlicher sowie auf emotionaler Ebene dem Leser darzubringen. Und auch wenn der Leser sich wahrscheinlich nicht jeden Namen der Familienmitglieder wird merken können, so behält er jedoch das Wissen, daß es sich bei ihnen um eine Reihe unterschiedlichster Menschen gehandelt hat.

Die Individualität jedes einzelnen, das Besondere an ihm und seinem Leben hat Sten Nadolny in dieser lesenswerten Familiensaga auf Papier gebannt. Der Aufstieg, Glanz und Glorie sowie der Leidensweg der Verlegerfamilie wurde von ihm tiefgründig und bewegend umgesetzt.

Der Leser wird die Lektüre des Buches mit dem Wissen beenden, daß es sich bei den Ullsteins nicht nur lediglich um eine deutsche Familie jüdischen Glaubens, sondern auch um ein Stück deutscher Geschichte handelt.

Sten Nadolny: "Ullsteinroman", Ullstein, München 2003, Roman, geb., 483 Seiten, 24 Euro
 
     
     
 
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