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Insel der dreckigen Schicksale

 
     
 
Pleasant Island" - eine vergnügliche Insel, ist der kleinste Staat der Welt, eine Republik ohne echte Parteien, ein Land im Zeichen des Fregattvogels und seiner Exkremente, eine Oase für Abenteurer und Piraten und das zweitgrößte Geldwäscheparadies nach den britischen Kaiman-Inseln. Es ist ein faszinierender Staat, nicht nur für die Drogenmafia, die ihre Geschäfte
auf Nauru weißwäscht. Die Insel und ihre melanesisch-polynesische Bevölkerung blickt mit Stolz auf "die schönsten Frauen des Pazifik", eine bewegende Geschichte und ist zugleich Schauplatz einer Umweltkatastrophe ohnegleichen, Bühne für Glücksrittertum und Verelendung. Eine glückliche Insel - das war Nauru einmal.

In Stammesfehden verwickelt bot das einsame Eiland schon bei seiner "Entdeckung" ein trauriges Bild: Piraten, freigesetzte Sträflinge und die Eingeborenen waren dem Alkohol verfallen. Eine unschöne Situation für geschäftstüchtige Kaufleute, die ab 1870 mit Kokosnußplantangen Profit zu machen suchten. Sie riefen das Deutsche Reich als Kolonialmacht auf den Plan und holten den lagunenschönen Ort von zwölf Kilometern Umfang aus einem tropischen Schlaf der Bedeutungslosigkeit. 1888 wurde Nauru deutsch, die Häuptlinge "erkannten die Schutzherrschaft an", wie die Kolonialmacht berichtete. Bis heute spricht man auf Nauru gut über die Deutschen - Entschädigung und Entschuldigung forderte das Land nur von Australien. Ein historischer Überblick der "Gründerjahre" Naurus der "Deutsch-Nauruischen Gesellschaft" bescheinigt ihr noch heute anerkennend: "Nachdem der Alkoholkonsum untersagt und die Waffen eingesammelt wurden, endeten die inneren Kämpfe, die beinahe zur Selbstvernichtung des Volkes geführt hätten." Deutschland als Friedensbringer für die zwölf Volksstämmchen der Insel räumte erst einmal auf. Eine anständige Verwaltung mußte her, Missionsschulen wurden gegründet, so daß ein "Geographisches Handbuch" bereits 1895 stolz meldete; "Die fünf Quadratkilometer große Insel Pleasant (Nauru oder Navodo) ist deutsch, dort wohnen ein deutscher Regierungsbeamter und sieben Händler unter 1.324 Eingeborenen". Die wohl verzweifelte Suche nach weiteren Erwerbsmöglichkeiten brachte einen deutschen Kaufmann auf die Idee, eine Probe des Schichtgesteins der Insel nach Australien zu schicken. Die adressierte australische Handelsfirma sollte untersuchen, ob man aus dem steinigen Material Kinderfiguren schnitzen könnte, doch die Australier stellten zuerst fest, daß sich der Stein hervorragend als Türstopper für ihr Lager eignete und befaßten sich nicht weiter mit ihm. 1900 nahm ein Angestellter den Block noch mal zur Hand und entdeckte, daß er zu 80 Prozent aus Phosphat bestand, versteinertem Guano.

In Millionen von Jahren aufgehäufte Fäkalablagerungen von Seevögeln machen Nauru zur Goldgrube der Düngerindustrie. Der Dung ist seither Fluch und Segen der Insel. Deutsche und Briten förderten ihn ab 1905, bauten noch vor dem Ersten Weltkrieg elektrische Feldbahnen, die Japaner holten sich gar von 1942 bis 1945 fast ihren ganzen kriegsbedingten Bedarf an Phosphat vom einsamen Korallenfelsen und verschleppten die Insulaner gleich mit. Nach dem Zweiten Weltkrieg beutete Australien die Vorkommen aus. Seit Verkündung der Unabhängigkeit des einst grünen Fleckchens Korallenland 1968 verdienen die Einwohner am Raubbau von bis zu zwei Millionen Tonnen Phosphat jährlich.

Doch seit ein paar Jahren ist Schluß mit den paradiesischen Zuständen. Das Phosphat geht aus, eine "unbewohnbare Mondlandschaft aus Korallenresten und Geröll, deren Besuch unbedingt zu empfehlen ist", bedeckt das Inselinnere, wie die Deutsch-Nauruische Gesellschaft lakonisch bemerkt. Wohlstand sollte nach dem Ende des Phosphatfiebers durch internationale Aufmerksamkeit ins Land geholt werden. 1998 kaufte Nauru die Weltmeisterschaften im Gewichtheben für 2000, indem die Inselrepublik erstmals in deren Geschichte Preisgelder auslobte. Die versprochenen 6.500 D-Mark pro Goldmedaille waren das gewichtigere Argument, die deutsche Mitbewerberstadt Riesa verlor. Für einen Moment war Nauru die Aufmerksamkeit der Welt sicher, wenn auch nur die der Gewichtheber. Doch der Zwergstaat überhob sich, sagte die Veranstaltung 2000 in letzter Minute ab. Es folgte eine Pleite nach der anderen. Im Jahr darauf saß der Präsident Bernard Dowiyogo in Australien fest - Nauru Air und seine einzige Maschine waren finanziell am Ende, Australien untersagte den Weiterflug wegen Sicherheitsbedenken, die Insel war vom Rest der Welt abgeschnitten. Zwei Monate später wurde Dowiyogo gestürzt: Er hatte es gewagt, sein Volk auf die rapide sinkenden Staatseinnahmen aufmerksam zu machen, kostenlose staatliche Dienstleistungen und medizinische Versorgung wollte er nicht mehr garantieren.

Das Land hat seine Erwerbsquelle verloren, die Staatsschulden steigen, und Schlagzeilen macht Nauru nur noch mit Asylbewerbern, die Australien auf der Insel zwischenlagert. Einige wenige wohlhabendere Nauruaner sind aus dem Raubbau mit schmucken Häusern in Hanglage hervorgegangen. Die anderen der zirka 10.000 Insulaner leben dicht gedrängt am Strand, denn nur der maximal 300 Meter breite Küstenstreifen ist überhaupt noch bewohnbar. Die kalkigen Krater des Phosphattagebaus mit Mutterboden zu füllen, bleibt ein utopischer Gedanke. Inzwischen muß jegliche Nahrung außer Fisch und Wasser importiert werden. Noch vor wenigen Jahren hatte Nauru das höchste statistische Pro-Kopf-Einkommen der Welt, seit Ende der 90er Jahre scheint der Wandel von der Dreckinsel über das Schlaraffenland zum Armenhaus unausweichlich. Denn selbst die jüngste Profitquelle trocknet aus: die Geldwäsche. Nach dem 11. September 2001 gerät Nauru unter Druck der USA. Die 450 Bankniederlassungen auf der Insel, die zu einem Drittel arabischen Instituten gehören, wecken nicht nur den Verdacht der Geldwäsche. Es gibt keinerlei Aufsicht oder Gesetze für sie - Nauru steht ganz oben auf der "Schwarzen Liste" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), einer Liste der Staaten mit schädlichen Steuerpraktiken. Die Russenmafia säubert ihr Geld auf dem pazifischen Flecken ebenso wie Südamerikas Drogenkartelle. Sanktionen drohen. Im Januar 2000 stoppten die Deutsche Bank und Bankers Trust aufgrund nauruischer Geldwäsche Zahlungen an das Land.

Noch geht der Abbau selbst der letzten Phosphatmengen weiter - in zehn Jahren kommen die Nauruaner womöglich auf Australiens Angebot einer kompletten Umsiedlung der Bevölkerung zurück. Für die Zeit nach Guano sammelt die Regierung Aktien und Immobilien im Ausland. Hochhäuser wie der 50stöckige Nauru-Tower in Melbourne, auch "birdshit-tower" genannt, sollen dann Einkommen schaffen. Verspekuliert hat sich Nauru schon mehrfach. Nach der traditionellen Lebensweise, der eigenen Überlie- ferung, Kultur und Umwelt werden die Bewohner das wenige verlieren, was ihnen von ihrer Heimat noch geblieben ist.

Durch Vogelmist reich geworden: Das ehemalige deutsche Schutzgebiet Nauru
 
     
     
 
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