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Faszination des Drucks Erinnerung an den Maler und Graphiker Robert Budzinski
Seine Druckgraphik kann man heute noch hin und wieder mit viel Glück in entsprechenden Antiquariaten finden. Seine "Entdeckung Ostdeutschlands" aus dem Jahr 1914 wird von Freunden des tiefgründigen Humors noch heute geschätzt. Diesem Humor begegnet man auch, liest man in Westermanns Monatsheften (1929) über seine ersten schriftstellerischen Gehversuche. Dort schrieb Robert Budzinksi in seiner bekannten heiter-ironischen Art: "Im Jahre 1920 gab ich den berühmten und weitverbreiteten Ostmarkkalender heraus, zum erstenmal und gleich mit solchem Erfolg, daß mir 2900 Stück davon zur eigenen Benutzung liegenblieben. Das Papier erwies sich zur praktischen Benutzung ungeeignet, war aber auf der einen Seite unbedruckt, so daß es förmlich nach einem Beschreiben schrie. Diese Arbeit übernahm ich denn auch, und sie artete aus zu obiger Schriftstellerei mit einer dreimaligen Krisis, dargestellt durch die drei Bücher ,Entdeckung Ostdeutschlands, ,Kuri-neru und ,Der Mond fällt auf Westpreußen, Werke, die alle Aussicht haben, in die Weltliterat ur einzugehen ..."
Nun, wenn sich diese sicher nicht ganz ernstgemeinte Prophezeiung auch nicht bewahrheitet hat, so sind vor allem diese drei Bücher von Robert Budzinski in den Herzen der ostdeutschen Leser fest verankert. Erfreulich auch, daß "Die Entdeckung Ostdeutschlands" immer wieder einmal im Faksimile erscheint, so im Verlag Gerhard Rautenberg, Leer.
Robert Budzinski war jedoch nicht nur der heiter-ironische Schilderer seiner Heimat, er war auch ein brillanter Graphiker und Illustrator und nicht zuletzt ein einfühlsamer Maler. Geboren wurde er am 5. April 1874 (nicht 1876, wie er später aus persönlichen Gründen sogar in Lexikonartikeln veröffentlichen ließ) in Klein Schläfken, Kreis Neidenburg. Seinen Beruf als Zeichenlehrer an einem Gymnasium in Westpreußen übte er nur kurze Zeit aus, um sich dann als freischaffender Künstler in Königsberg niederzulassen. Einige seiner Werke befanden sich in den Kunstsammlungen der Stadt Königsberg. Den Nachlaß des am 27. Februar 1955, vor nunmehr 45 Jahren, in Marburg verstorbenen Künstlers pflegt heute das Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Marburg/Lahn. Nur wenige kennen Robert Budzinski als einen ernsthaften Künstler. Und gewiß, ein Schmunzeln ist stets zu spüren, liest man seine Bemerkungen über seinen Besuch der Königsberger Kunstakademie: "Infolge verschiedener Stipendien und Preise kam ich hier auf die kuriose Idee, ein großer Künstler zu sein; ich bildete meine Augen zum photographischen Objektiv aus, lotete und winkelte mit Begeisterung. Es war da ein alter Herr als Professor, er hieß Max Schmidt nur, aber er hat mir durch sein Menschentum viel gegeben, und es tut mir jetzt noch leid, daß ich ihm zehn Mark schuldig geblieben bin, denn er ist schon lange tot. ,Wollen Sie eine Landschaft malen, sagte er zu uns, ,so denken Sie, es ist ein Mädchen, das Sie heiraten wollen, sehen Sie die Landschaft des Morgens, Mittags, Abends, trübe, lachend, finster, von allen Seiten, dann setzen Sie sich hin und malen Sie. Das ist ein sehr guter Rat. Fürs Heiraten und fürs Malen, und ich habe ihn deshalb nie befolgt ..."
Ernsthafter sind dann schon die Ausführungen zu werten, die Budzinski über die bildende Kunst und das Akademieleben niederschrieb: "Wir jungen Raffaele und Rembrandts studierten damals aufs sorgfältigste und eindringlichste vor allem die Form, kamen jedoch nicht hinter ihr Geheimnis, aber auf den neuen Kunstschulen gelingt das noch weniger, weil es überhaupt nicht erlernbar ist. Erst wenn man sieht, was nicht zu sehen ist, erfühlt, was nicht mit Fingern erreichbar, vergißt, was alle wissen, wiedergibt, was nicht gegeben ist, erst wenn man die Formen zerstören kann, um sie sich selber wieder aufzubauen, wenn man das Wollen nicht mehr will und das Können nicht mehr kann, erst wenn die verflucht geschickte Hand ungeschickt wird, erst dann kann es vorkommen, daß bei günstiger Gestirnkonstellation, und wenn man seiner selbst nicht mächtig ist, daß dann ein Strich, ein einziger sich formt, der etwas wert ist."
Nahezu lyrisch wird Budzinski, als er beschrieb, warum er am liebsten Frauen und Blumen male, und zwar mit Aquarellfarben: "Das, was Blumen und Frauen haben, den weichen Glanz, die Perlmutterfarben, das Durchleuchten des Blutes, die schwimmenden Töne, Samttiefen, durchsichtige Halbschatten, schwebende Lichter, die Beseelung der Epidermis, das alles ist zum Ausdruck am besten vorbehalten der immateriellsten aller Farbenarten, der Wasserfarbe. Am besten noch, wenn der Malgrund, das Papier, fast unwirklich ist, dünn und durchsichtig; und am allerbesten, wenn ein solches Bildnis ,bei Gelegenheit entsteht, in dem Sinne, wie Goethe ein Gelegenheitsdichter war. Der Bildner kann sich ja nur ans Sichtbare, an die Oberfläche halten, die immer nur eine Bildung des Inneren, Unsichtbaren ist."
Seine besondere Liebe aber galt der Druckgraphik Holzschnitten, Lithographien oder Radierungen. Das Bearbeiten der Druckplatten faszinierte ihn geradezu "das Beseelen dieser mystischen, oft geheimnisvoll schimmernden Oberfläche, sie zum Sprechen zu bringen durch genaue Kenntnis ihrer Verwundbarkeit auf chemischem und physischem Wege, immerfort Neues, oft Überraschendes aus solcher Ebene herauszuholen, ihre Geheimnisse zu ergründen, alle Möglichkeiten durchzuproben und zuletzt zur größten Einfachheit zurückzukehren", schwärmte Budzinski begeistert. Worte, die erkennen lassen, mit welch großer Hingabe und Könnerschaft der Künstler zu Werke ging, ein Künstler, der eben weitaus mehr war als der "Entdecker Ostdeutschlands".
Viele Facetten Berliner Ansichten
In Berlin, der wohl immer noch größten Baustelle der Nation, richtet sich das Augenmerk vieler zur Zeit meist nur auf die neuen Bauwerke. Dabei ist gerade das historische Berlin in allen seinen Facetten und aller Zerstörungswut vergangener Jahrzehnte zum Trotz von besonderer Bedeutung. Das wird nicht zuletzt dem offenbar der in der Reihe "Berliner Ansichten" der Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH blättert. Die neuen Bände Der Berliner Dom von Laurenz Demps (72 Seiten) und Die Alte Nationalgalerie von Bernhard Maaz (70 Seiten) zeigen neben der Geschichte der Bauwerke auch den derzeitigen Zustand oder besser die Diskussion über die Sanierung der Bauten auf. Diese beiden Bauwerke sind ebenso wichtige Zeugen der brandenburgisch-preußischen Geschichte wie Die Bildergalerie von Sanssouci, der ein weiterer Band der Reihe gewidmet ist (von Christoph Martin Vogtherr, 70 Seiten). Die kleinen handlichen und illustrierten Bände kosten nur 9,80 DM und dürften Freunde preußischer Geschichte und Kultur erfreuen. o-n
Gewaltige Wortgewitter Der Ortelsburger Richard Anders ein Surrealist
Sich im Gehirn des Lesers spiegeln will er. Unmöglich! Er schwimmt darin als Phantom herum ...", liest man bei Richard Anders. Und: "Dein Schreiben wird abwegiger. Was einmal Weg war, hebt ab, verschlingt, verknotet sich, wird unbegehbar ..." Abwegig, verknotet und unbegehbar sind den meisten Lesern gewiß auch die Texte des 1928 in Ortelsburg geborenen Anders. "Nein, keine goldhaltigen Worte. Nur verröchelnde Silben, wie sie über die Lippen eines Sterbenden kommen. Eine für immer verschlüsselte Botschaft ..." Surrealistisch, nennen das Experten. In "Die Pendeluhren haben Ausgangssperre" (Edition Galrev, Berlin. 150 Seiten mit farbigen Collagen des Autors, brosch., 25 DM) legt der Autor eine Summe seiner lyrischen Arbeit aus fünf Jahrzehnten vor. Gedichte, deren Inhalte an Alpträume erinnern, an vage Schrecken der Kindheit, an Halluzinationen Erwachsener. Wortgewitter, entstanden aus der Technik des automatischen Schreibens, die der Franzose André Breton Anfang der zwanziger Jahre "erfand". Automatisch bedeutet, alles das aufzuschreiben, was einem in den Sinn kommt, Bilder und Sätze aus dem Unbewußten niederzuschreiben. "Schreiben Sie schnell, ohne gestelltes Thema, schnell genug, um nichts zu behalten und nicht versucht zu sein, zu überlesen", so Breton.
Richard Anders arbeitete nach dem Studium als Deutschlehrer in Athen und an der Universität Zagreb. Ab 1965 war er als Archivlektor in Hamburg tätig. Erste Ver- suche mit dem "automati- schen Schreiben" machte er in den sechziger Jahren. Seit 1970 lebt der Ortelsburger, der als Erster mit dem Wolfgang-Koeppen-Preis der Stadt Greifswald ausgezeichnet wurde, als freier Autor in Berlin. Hm
Mit der Feder geschabbert Neuer Katalog zeigt auch den Maler Erich Behrendt
Man kennt ihn meist noch als begnadeten Illustrator, der einfühlsam die Texte ins Bild setzte, ohne sich vorzudrängen. Siegfried Lenz, dessen Geschichten um "Suleyken" er so treffsicher illustrierte, erinnerte sich an Erich Behrendt: "Da ist immer viel Offenheit, und das heißt Dienstbarkeit gegenüber dem Autor. Da ist aber auch behäbiger Witz und freundlicher Eigensinn und mitunter gemütlicher Spott. Fast möchte man sagen: Er schabbert dreibastig mitte Fäder. Ich habe leider nur ein Buch, Suleyken, mit ihm gemacht, ich wünschte, es wären noch mehr geworden", bedauert der Lycker in einem Beitrag für einen kleinen, aber feinen Katalog, der anläßlich einer Ausstellung mit Werken von Erich Behrendt Ende vergangenen Jahres in Gunzenhausen herausgekommen ist.
Veranstaltet wurde diese Ausstellung vom Kunstforum Fränkisches Seenland e.V., Gunzenhausen, in Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum Ostdeutschland in Ellingen; dort ist übrigens auch der sehens- und lesenswerte Katalog zum Preis von 20 DM (inklusive Versandkosten) noch zu haben. Er zeigt eine Reihe von Illustrationen des 1899 in Wehlau geborenen Behrendt. Im Mittelpunkt aber stehen vor allem die Ölbilder und Aquarelle, die man hat zusammentragen können und die das Schaffen des Künstlers, der oft nur als Zeichner gesehen wurde, ins rechte Licht rücken.
Mit leichter Hand ist es dem Ostdeutschland stets gelungen, seine Motive zu Papier zu bringen. (Eine Auswahl ist noch bis zum 7. Mai im Ostdeutschen Landesmuseum in Lüneburg zu sehen.) Ähnlich wie bei den Federzeichnungen vermag Behrendt auch bei den Aquarellen (oft auf Japanpapier) mit nur wenigen Strichen Wesentliches auszudrücken stille Landschaften in Ostdeutschland wie auch in seinem Alterssitz Franken zu schildern, Menschen bei der Arbeit oder im Wirtshaus treffend darzustellen. Ein äußerst informativer Text über Leben und Werk des Wehlauers von Karl Friedrich Zink rundet das Bild ab. Ein Katalog, der auch nach der Ausstellung noch durchaus Bestand hat.
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