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Mehr als 100 Schüler ausländischer Herkunft gehen allein in Hamburg zur Schule - illegal. Sie sind nicht oder mit falschen Angaben an den Lehranstalten verzeichnet. Genaugenommen haben Schulleiter dafür Urkunden gefälscht, die Schulbehörden und den Steuerzahler betrogen, Gesetze gebrochen. Alles zum Wohl der Kinder, sagen sie. Es ist ein Rechtsbruch, dessen Risiken allerdings vor allem jene tragen, die es vermeintlich vor Abschiebung und Ausgrenzung zu schützen gilt - die Kinder.
Eher zufällig wurde der Skandal aufgedeckt. Die Kultusministerkonferenz - sonst belächelt für ihre Rechtschreibreform - plant ein bundesweites Schülerregister. Der Grund: Von Eltern vernachlässigte Kinder sollen erkannt werden. Die Adressen aller Schüler müssen den Behörden vorliegen, so die Lehre aus dem Tod der siebenjährigen Hamburgerin Jessica, die zu Hause verhungert war. Diesem nationalen Register gehen Landesregister in den Bundesländern voraus.
Nicht bloß Hamburgs Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig ist also vor die Aufgabe gestellt, ihre Eleven elektronisch zu erfassen. Allerdings wollte sie die Pläne rasch umsetzen. Viele Schulleiter Hamburgs bekamen es daraufhin mit der Angst zu tun, denn wenn sie alle Schüler melden müssen, können die jahrelang in zahlreichen Schulen heimlich eingeschulten Illegalen nicht mehr vertuscht werden. Bis 1. Oktober hatten die Rektoren Zeit, die Daten zu melden. Inzwischen ist es Mitte Oktober und erst jede dritte Schule hat übermittelt. Offener Widerstand regt sich. Mit einem Geheimtreffen wollen sich Schulleiter eilig koordinieren, meldet das "Hamburger Abendblatt" - nicht um Lösungsvorschläge zu unterbreiten, sondern um die rechtswidrigen Einschulungen fortzuführen.
Jedem Kind ist eine Schulausbildung zu gönnen. Allerdings setzen sich die Lehrer per Gruppenentscheid über Gesetze hinweg, bemänteln dies als Menschlichkeit. In deren Namen verstecken sie die Kinder. Viele sehen nicht ein, warum sie nun womöglich disziplinarisch von der Schulbehörde belangt werden oder gar rechtlich haften. Eine Katastrophe sei das, schließlich habe die Gesellschaft an sich keine Lösung für die Illegalen, und die Kinder sollten doch wenigstens zur Schule gehen, echote die "Hamburger Morgenpost" - richtig und doch am Problem vorbei.
Faktisch haben die Lehrer längst ihre Pflicht vernachlässigt. Als Beamte engagieren sie sich im Namen der Kinder gegen Gesetze, die sie zu vertreten haben. Das ist paradox. So mag es Lehrern vielleicht absurd erscheinen, zu melden, wenn jemand ohne Bleiberecht deutsche Schulleistungen in Anspruch nimmt. Allein, es liegt nicht an ihnen, darüber zu entscheiden. Ausnahmeregeln und Härtefälle werden von der Ausländerbehörde in Abstimmung mit Innen- und Schulbehörde festgelegt.
Das Unrechtsbewußtsein der Lehrer scheint gering. Auch in anderen Bundesländern wird es solche Fälle geben. Die Verlierer werden somit die Kinder bleiben. Sie sind als illegale Schüler in ihrer freien Entfaltung behindert: "Sie dürfen nicht auffallen, weder positiv, noch negativ", so Senatorin Dinges-Dierig. |
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