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Leyer und Schwert im Zeitgeist-Sog

 
     
 
Die pseudodemokratischen Geschichtsstürmer haben einen Mann ins Visier genommen, der bislang als deutscher Patriot galt: Theodor Körner. In Mecklenburg-Vorpommern, dort ist er begraben, wirft man jetzt sogenannte "kritische Blicke" auf den jungen Dichter. Dabei verweisen die Kritiker oft darauf, wie die Nazis unter Berufung auf Theodor Körner ihre jungen Soldaten auf den "Opfertod" einstimmten. Bei dieser Kette ist klar, was man den Leuten suggerieren will.

Der junge Patriot ist nur 21 Jahre alt geworden. Am 26. August 1813 fiel er in den napoleon
ischen Befreiungskriegen in Mecklenburg bei Gadebusch in einem unbedeutenden Gefecht. Einen Tag später ist er bei Wöbbelin beigesetzt worden. Dort befindet sich heute die Theodor-Körner-Gedenkstätte. Sie soll nun nicht nur die Erinnerung an den Dichter von Leyer und Schwert wachhalten, sondern sie soll auch ein antifaschistisches Mahnmal sein.

Wöbbelin – nur wenige Autominuten von der großen Autobahn Hamburg–Schwerin–Berlin entfernt. Der kleine Ort macht einen gepflegten Eindruck. Über dem Eingang zu dem kleinen Museum steht der Satz "Unserem Theodor Körner" – offenbar ein Satz aus vergangenen Tagen. Doch die heutige Museumsleitung will sich nicht nur um den Dichter bemühen, sie will sich auch um die Toten aus einem KZ-Außenlager kümmern, die hier 1945 kurzerhand beigesetzt worden waren. So muß Theodor Körner in seinem Hause ein bißchen rücken, um Platz zu machen. In dem eigentlich nur Theodor Körner bestimmten Museum befinden sich heute zwei Ausstellungen unter einem Dach. Zum einen kann man dort die Dokumentation "Theodor Körner. Poet und Patriot. Seine Ergebung zum Idol" sehen, zum anderen "KZ-Außenlager Wöbbelin".

Im vergangenen Jahr wurde in Wöbbelin die Ausstellung "Theodor Körner. Poet und Patriot. Seine Ergebung zum Idol" eröffnet. Das Kultusministerium von Mecklenburg-Vorpommern steckte rund 86 000 Mark aus dem Gedenkstättenfonds in die neue Exposition. Museumsleiterin Edeltraut Schure sagte zum pädagogischen Ziel: "Es wird eine Ausstellung, die sich sehr kritisch mit der deutschen Geschichte auseinandersetzt." Konkret bedeutet dies, daß man gegen den Toten schwere Vorwürfe erhebt. In dem Ausstellungsprospekt heißt es dazu, daß "Körners Kriegsgesänge" "mit dazu beigetragen haben, daß sich die unheilvolle ,Erbfeindschaft‘ entwickeln konnte, die fast eineinhalb Jahrhunderte andauerte und erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein Ende fand". Weiter schreiben die Ausstellungsmacher: "Theodor Körner war ein jugendlicher Heißsporn, ein Idealist und ein Patriot im Sinne seiner Zeit. Um ihn rankte sich eine bewußt nationalistisch bestimmte Wirkungsgeschichte, die an seinem Beispiel zum Opfertod für das Vaterland aufrief." Gezeigt werden in der Ausstellung zunächst die historische Person Theodor Körner, seine Herkunft, sein Lebenslauf, seine Haltung zur franzö-sischen Revolution, seine Gedichte, die Befreiungskriege und sein früher Tod.

In den nächsten Abteilungen kann man dann sehen, wie die folgenden Epochen mit der historischen Figur umgingen: wie man in der Epoche bis zum Ersten Weltkrieg Theodor Körner ehrte und Gedenkfeiern organisierte, wie das Dritte Reich Theodor Körner für sich beschlagnahmte, wie die DDR anfangs Körner wegen seiner nationalen Gedichte in Zweifel zog, wie man ihn ab 1953 wieder stärker ehrte und Straßen, Schulen, Plätze und Produktionseinrichtungen nach ihm benannte. Und das, was bei den meisten Ausstellungsbesuchern – und auch bei den Journalisten – hängenbleibt, ist die Verbindung Körners mit den Nazis. Eindrucksvolles Beispiel ist ein Bericht der Ostsee-Zeitung aus Rostock, der vor der Eröffnung den Lesern erklären will, was es dort zu sehen gibt. Die ersten Sätze lauten: "Am 15. März 1945 steht im Körner-Hain zu Wöbbelin eine Kompanie jugendlicher Grenadiere bereit zur Waffenübergabe durch Gauleiter Hildebrandt. Mit Berufung auf Körners ,Opfertod‘ werden die jungen Soldaten auf den Kampf und den Heldentod fürs Vaterland eingeschworen." Ein makabrer Zufall in der deutschen Geschichte hat es nun so gefügt, daß wenige tausend Meter westlich der Gedenkstätte Wöbbelin sich 1945 das KZ-Außenlager Reiherhorst befand. Dort starben KZ-Häftlinge an Hunger, Durst und Krankheiten. Als die amerikanischen Soldaten das Gebiet besetzten – Ostseezeitung: "die amerikanischen Befreier" –, ließen die Amerikaner einige der Toten kurzerhand im Körnerhain in Wöbbelin bestatten.

In der DDR wurde nach anfänglichem Zögern 1952 das Körnermuseum in Wöbbelin wiedereröffnet, und alljährlich wurde dort auch von den DDR-Oberen am Körner-Todestag der Dichter geehrt. Eine gleichzeitige Ehrung der im Körnerhain bestatteten KZ-Opfer fand bis 1989 nicht statt. Ihrer wurde am 8. Mai, am 1. September und 7. Oktober gedacht.

Neue Wege geht seit 1993 die Interessengemeinschaft "Lützowsches Freikorps von 1813" aus Leipzig-Groß-Zschocher, die im Rahmen ihrer Körnerehrung in Wöbbelin auch auf den Gräbern der KZ-Toten Blumen niederlegte und so aller Toten gedachte.

Die Sympathien der Museumsleiterin Edeltraut Schure gelten ganz offensichtlich den KZ-Toten. Sie "hatten gegen den aufgeputschten deutschen Nationalismus und seine Folgen Widerstand geleistet oder waren als Verfolgte Opfer geworden. Nur in diesem Sinne ist es erlaubt und gerechtfertigt, über gewisse Beziehungen zwischen dem Toten von 1813 und den Toten von 1945 nachzudenken", sagt Edeltraut Schure.
 
     
     
 
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