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In der Vielzahl berühmter Liebender darf das mythische Urpaar nicht fehlen. Von ihm soll - textlich gerafft und aufgelockert - die Rede sein. Das Schöpfungswerk war so gut wie vollendet. Milliarden Sterne kreisten im Universum. Auf der Erde, dem "blauen Stern", hatte Gott Nebel einfallen lassen, der den Boden befruchtete. Fichten, Palmen, Pinien wuchsen, Sträucher sprossen. Tiere nährten sich, Vögel zwitscherten, Fische bevölkerten die Meere, Seen, Flüsse. Der Wind bewegte das Laub zweier unauffällig er Bäume. Das waren der Baum des Ewigen Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, die Früchte trugen.
"Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe da, es war sehr gut." Aber etwas fehlte in den paradiesischen Gefilden: ein lebendes, beseeltes Wesen, das sich über die Schönheit freute. Dieses Wesen sollte dem Schöpfer selbst, dem "Bilde Gottes", gleichen. So schuf er den ersten Menschen, "Adam". Er formte ihn aus Ackererde und blies ihm Atem ein. Mitten im wunderbaren Eden gab er Adam Bleibe, gebot ihm aber, keine Frucht der beiden Bäume zu verzehren, vor deren Genuß er ihn warnte. Das war leicht zu erfüllen. Adam hatte köstliche Nahrung zur Auswahl: Pfirsiche, Orangen, Mirabellen, Kiwis, Beeren, Feldsalat, Sauerampfer und vieles mehr; er fühlte sich zufrieden. Gott aber war mit Adam nicht zufrieden. Dieser von ihm geschaffene Mensch freute sich nicht, kein Lachen entrang sich ihm. "Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei."
Unter "Gehilfin" verstanden die Verfasser der hebräischen Bibelschriften, die aus vielen Jahrhunderten v. Chr. stammen, etwas gänzlich anderes, als spätere christliche, oft frauen- und sexualfeindliche Auslegungen es vermittelten. Das hebräische Schrifttum sieht in der Frau keine Dienstmagd, Haushaltshilfe, sie ist dem Mann auch nicht untertan. Die Beziehung Mann/Frau beruht von Anbeginn an auf Gleichartigkeit, Ebenbürtigkeit im geistigen und seelischen Bereich, in diesem Sinne bilden Mann und Frau eine Einheit. Martin Luther gab in seiner Übersetzung der alttestamentlichen Schriften diese Auslegung in Mose 1.2,13 wieder.
Gott hatte Adam in einen tiefen Schlaf gesenkt und ihm eine Rippe entnommen. Aus diesem Knochen schuf er "Eva", die Frau, und führte sie zu Adam. Verwundert, vielleicht sogar bestürzt, rief Adam: "Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin heißen, darum daß sie vom Manne genommen ist." Daß beide binnen kurzem zur in Liebe verbundenen Zweisamkeit finden würden, ahnte das erste Menschenpaar nicht. Noch standen sie sich fremd gegenüber, empfanden sich auch nicht als schön. Weder Fell noch Federn schmück-ten sie, nur nackte, blasse Haut. Jeder wollige Schafbock, jeder Kolibri war prächtiger anzuschauen. Nichts lockte sie, sich zu berühren. Sie lebten friedlich, keiner störte den anderen.
Doch im Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen ringelte sich die Schlange. Auch sie Gottes Geschöpf und gegen dessen Willen als listige Versucherin tätig. Die Widerstandsfähigkeit des so offenkundig langweiligen Menschenpaares wollte sie auf die Probe stellen. Sie streckte den Kopf aus dem Laub und redete auf Eva ein. Weshalb sie denn nie einen Apfel genösse? Eva antwortete: "Adam und ich essen alle Früchte, nur die Äpfel vom Baum mitten im Garten dürfen wir nicht essen." Die Schlange züngelte: "Papperlapapp. Gott will nicht, daß ihr sehend und wissend werdet wie er. Wunder würdet ihr erleben. Das größte Wunder ist die Liebe." Eva zögerte. "Was ist Liebe?" fragte sie. "Iß einen Apfel, und du erfährst es", erwiderte die Schlange. Sie zog sich ins Laub zurück, behielt aber Eva im Auge. Sie wußte, daß sie Siegerin blieb, daß Versuchung, einmal geweckt, das strengste Verbot überwindet.
Der Sündenfall: Nicht der Geschlechtsakt - wie fälschlich oft angenommen -, sondern der Griff zum Apfel war es. Eva hatte der verbotenen Frucht nie Aufmerksamkeit geschenkt. Gemessen an Bananen, Feigen sahen Äpfel reichlich mickerig aus. Nun aber dünkte ihr, das gelb- und rotbackige Gewächs lache sie an. Sie pflückte einen Apfel, drehte, rieb ihn, biß hinein. Der säuerliche Geschmack enttäuschte sie. Adam sollte auch kosten - und tat es. Augenblicklich verloren beide ihre Unbefangenheit. Sie sahen nun, daß sie leiblich schön gestaltet waren, in geringen Einzelheiten sich körperlich unterschieden. Ein Gefühl, das sie nicht gekannt hatten, befiel sie: die Scham. Aus Feigenblättern flochten sie sich Schurze und bedeck-ten ihre Lenden. Sie hörten Gott durch den abendkühlen Garten kommen und versteckten sich. Es half nichts. Gott rief nach ihnen. Adam antwortete, er fürchte sich, aus dem Versteck zu kommen, weil er nackt sei. "Woher weißt du das?" fragte Gott, "hast du die verbotene Frucht gegessen?" Das bei der späteren Menschheit gebräuchliche Beschuldigungswechselspiel fand seine Uraufführung. Adam: "Herr, das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir den Apfel." Gott fragte Eva: "Warum hast du das getan?" Evas Ausrede: "Ich wollte kein Gebot übertreten, aber die Schlange verführte mich."
Totenstille herrschte im Garten, kein Blatt raschelte, kein Vogellaut ertönte, als Gott seine Urteile sprach: Furcht und Ekel sollte zukünftig die sich bäuchlings windende Schlange erregen, jedermann vor ihr erschrecken, fliehen oder sie töten; Adam und Eva in mühseliger Plage ihr Dasein verbringen, Schmerzen, Krankheit, Gebrechlichkeit erleiden, am Ende ihres Lebens zu Erde werden, in sie zurückkehren.
Nach dem Urteilsspruch bekleidete Gott in barmherziger Geste die beiden Sünder mit Pelzgewändern, damit sie in der neuen fremden Welt nicht frören. Erst dann wies er sie aus dem himmlischen Garten, dessen Eingang fortan ein Cherubin, der Engel mit dem Flammenschwert, bewachte, damit kein Frevler an den Baum mit den Früchten des ewigen Lebens gelangen könne. Und dafür haben wir Grund, dankbar zu sein. Ewig währende Alterung, nicht endende Gebrechen? Nein!
Adam und Eva sahen sich nun allein - und sie "erkannten" sich. Das ist die hebräische Bezeichnung für den Intimakt, der Mann und Frau vereint. Und sonst? Nichts wuchs ihnen mehr in den Mund. Im harten Lebenskampf mußten sie sich ein Zuhause, Nahrung schaffen. Jetzt erfuhren sie, was das "Wunder Liebe" bedeutet, nämlich Vertrauen, Hilfe, Geborgenheit, seelische Sicherheit. Wer Glück hat, erlebt es.
Das Buch zum Thema erscheint Anfang Dezember im Brücken-Verlag, Wiesbaden.
"Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei", sprach Gott
Peter Paul Rubens: Adam und Eva (Öl, vor 1600; im Besitz des Rubenshauses, Antwerpen) Fotos (3): Archiv
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Cranach d. Ä.: Kreuzigung; Altargemälde in der Stadtkirche St. Peter und Paul zu Weimar (Herderkirche), vollendet von Lucas Cranach d. J. 1555; dort fand Johann Gottfried Herder vor 200 Jahren seine letzte Ruhestätte Welch ein Reichtum, Literarische Streifzüge durch Thüringen |
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