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Merkel will Tempelhof erhalten

 
     
 
Buchstäblich fünf Minuten vor Zwölf erschien vergangenen Montag ein Silberstreif am Horizont für den legendären Berliner Zentralflughafen Tempelhof. In einem Vieraugengespräch soll Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Berichten zufolge auf Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eingewirkt haben, den Beschluß der rot-roten Rathauskoalition zur Schließung von Tempelhof zu überdenken.

Ebenfalls Anfang der Woche wurde überdies bekannt, daß eine US-amerikanische Investoren
gruppe Interesse gezeigt habe, den Flughafen im Herzen der deutschen Hauptstadt kommendes Jahr zu übernehmen. Linienverkehr bis 50 Tonnen und Geschäftsverkehr sollen demnach weiterhin möglich sein.

Die Amerikaner wissen, wohinein sie ihr Geld stecken. Die Attraktivität von Temeplhof ist trotz aller Todesdrohungen unübersehbar: Keine andere Weltmetropole verfügt noch über solch einen Flughafen mitten in der Stadt. Auch in der Politik merken dies immer mehr. FDP-Chef Guido Westerwelle ließ die Abschlußveranstaltung des Berlin-Wahlkampfs der Liberalen im September bekenntnishaft im Flughafen Tempelhof steigen. Dort geißelte er die Geschichtsvergessenheit und standortpolitische Kurzsichtigkeit des rot-roten Senats, unter dessen Ägide die Berliner Luftfahrtbehörde die Schließung des Flughafens zum 31. Oktober 2007 angekündigt hat.

Für den am 8. Oktober 1923 eröffneten Verkehrsflughafen, der seit der Luftbrücke Symbol der Freiheit Berlins ist, hatten sich während des Wahlkampfes auch viele andere Prominente zu Wort gemeldet, darunter auch Merkel, die jedoch später ausrichten ließ, nur als Parteivorsitzende gesprochen zu haben. Die Welle der Tempelhof-Befürworter erfaßt nun selbst einige der einst heftigsten Kritiker, die vor Schreck - wohl aus wahltaktischen Gründen - plötzlich Gesprächsbereitschaft signalisierten.

Angesichts dessen bekam sogar Wowereit weiche Knie. Der Regierende verband die Aussicht auf seinen Seitenwechsel jedoch listig mit seiner Lieblingsforderung nach mehr Geld vom Bund. So machte er den Weiterbetrieb von Tempelhof von der Bereitschaft der Bundesregierung abhängig, diesen als Regierungsflughafen zu nutzen - unter Übernahme aller finanziellen Risiken, versteht sich. Ein Hemmschuh für die Bundesregierung, der sich mit dem Einstieg der Amerikaner von selbst erledigen könnte.

Das Verteidigungsministerium hat bereits öffentlich erwogen, die Flugbereitschaft des Bundes nach Tempelhof zu verlegen. Weitere Hoffnung gaben die in diesem Herbst veröffentlichten Betriebsergebnisse, die Tempelhof für das Jahr 2006 deutschlandweit als den Flughafen mit der größten Wachstumsrate auszeichneten mit einer Zunahme des Verkehrs zu innerdeutschen Zielen um 84,5 Prozent.

Allerdings hat die Interessengemeinschaft "City-Airport Tempelhof e.V." (ICAT) derzeit zwei Rückschläge zu verkraften. Vergangene Woche wurde bekannt, daß die betreffenden Flugzeuge der Regierungsflotte nun doch zunächst in Tegel und später in Schönefeld stationiert werden sollen. Zudem verlagerte die zu "Air Berlin" gehörende Fluggesellschaft "dba" mit Beginn des Winterflugplans Ende Oktober sämtliche Flüge nach Tegel, was zunächst einen Verlust von 40 Flügen pro Woche und 130000 Passagieren im Jahr bedeutet.

Ein herber Rückschlag: Nach den Passagierzahlen der "ICAT" geht der Passagierzuwachs des Jahres 2005 auf insgesamt 545600 Fluggäste maßgeblich auf die Köln-Flüge der "dba"-Linie zurück. Positiv vermeldet Tempelhof indes, daß im Gegenzug die österreichische "Airline Intersky" Tempelhof in ihr Netz aufgenommen hat und nun Linienflüge nach Graz anbietet.

Ein wesentlicher Faktor für die Zukunft des geschichtsträchtigen Flughafens - der britische Star-Architekt Norman Foster nannte ihn die "Mutter aller Flughäfen" - dürfte der Flugbetrieb von Privatjets werden. So war Tempelhof bereits während der WM unentbehrlich geworden, als es - offiziell zum Flughafen für die "General Aviation der WM" erklärt - als Dreh- und Angelpunkt fungierte. "Kaiser" Franz Beckenbauer schwebte hier regelmäßig mit dem Hubschrauber ein.

Am 1. Dezember wird die "ICAT" zusammen mit den Berliner Landesverbänden von CDU und FDP die Initiative für ein Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens starten, dem sich bereits weitere Organisationen angeschlossen haben.

Da noch unklar ist, welche Ergebnisse die laufenden Gespräche und Initiativen zeitigen werden, versuchen die Tempelhof-Verteidiger zumindest, Zeit zu gewinnen. Bis 2011, dem avisierten Termin für die Fertigstellung des neuen Großflughafens "Berlin Brandenburg International" (BBI) in Schönefeld, solle Tempelhof allein schon deshalb offengehalten werden, weil in Berlin zu Spitzenzeiten nach wie vor mit Kapazitätsengpässen zu rechnen sei, so die "ICAT".

Bis dahin, so die Hoffnung, wird sich die Erkenntnis von der besonderen Bedeutung eines solchen Zentralflughafens in Ergänzung zu Schönefeld überall durchgesetzt haben.

"Mutter aller Flughäfen": Berlin-Tempelhof besticht durch seine zentrale Lage und die monumentale Architektur der 30er Jahre. (Berlin-Airport)
 
     
     
 
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