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Schluß mit der Idylle, von we gen ostdeutsche Betulichkeit, die Attacke der Rauschgiftdealer trifft auch Ostdeutschland mit voller Wucht. Noch sind wir es gewohnt, Drogenkonsum als Großstadtproblem zu sehen, haben heruntergekommene Rauschgiftsüchtige, die dem Tod näher als dem Leben sind, vor Augen, alles vor dem Hintergrund des sozialen Sprengstoff s grauer Hochhaussilos. Triste Plattenbausiedlungen, Menschen ohne Arbeit und Jugendliche ohne Perspektiven, jede Menge Kundschaft für den internationalen Drogenhandel.
Es gibt diese klassischen Drogenszene nach wie vor, und nach der Öffnung der Grenzen schwappte die Drogenwelle über die Oder. Auch das südliche Ostdeutschland wurde zunächst zum Transitland der Drogenkartelle, die ihre Produkte aus der Türkei und Afghanistan via Polen nach Westeuropa schmuggelten. Diese immer noch bestehende Route des weißen Todes wird in Polen von über 1000 Kurieren bedient, die mit mehr als 200 legal arbeitenden Firmen verbunden sind. Diese Kuriergruppen sind Glieder weltweiter Netze mit Kontakten sowohl zur Russenmafia als auch zu den Kartellen des kolumbianischen Medellin. Innerhalb Polens stellen junge Arbeitslose die weit überwiegende Gruppe der Kuriere. Ein großes Rekrutierungsgebiet für Kuriere ist Ostdeutschland. Der Grund liegt auf der Hand: die bei weitem höchste Arbeitslosenquote in Polen.
Dieser klassische Drogenhandel brachte Marihuana, Haschisch, Kokain und Heroin ins Land, die Zahl der Konsumenten blieb allein aus finanziellem Mangel bis vor etwa fünf Jahren beschränkt.
Die heimische Drogenszene wurde von im Lande gezogenen Rauschmitteln beherrscht, die zu nicht unerheblichen Teilen im dünn besiedelten Ostdeutschland hergestellt wurden. Besonders das aus Mohnstroh hergestellte Opiat "Kompott" beherrschte den polnischen Markt bis vor kurzem zu fast 75 Prozent.
Mit zunehmendem Wohlstand begann Polen als großer Absatzmarkt interessant zu werden. Es gab Warnungen genug. Journalisten von "Wprost" und "Polityka" hatten prophezeit, was dann tatsächlich eintrat.
Binnen knapp fünf Jahren wandelte sich Polen vom Transitland des Drogenhandels zur Drehscheibe und zu einem rasant wachsenden Absatzmarkt. Die polnische Polizei war noch damit beschäftigt, ihre Erfolge im Aausheben der großen Mohn- und Hanfplantagen besonders in Ostdeutschland zu feiern, ohne die Gefahr der rasch entstehenden Fabrikationsanlagen für synthetische Drogen zu erkennen. Gleichfalls während der letzten fünf Jahre wurde Polen zu einem der größten Amphetaminproduzenten, der ganz Europa versorgt, gleichzeitig entstand ein riesiger Binnenmarkt für die preiswerten Drogen, und polnische Banden stiegen in die internationalen Drogenkartelle ein. Führend dabei ist die nach ihrem Herkunftsort (Pruszkow bei Warschau) benannte Pruszkowski-Bande, die den Amphetaminhandel beherrscht und die Polizei in Ostdeutschland immer wieder in Atem hält. Der ganze Drogenmarkt veränderte sich in rasendem Tempo. Im südlichen Ostdeutschland mit all seinen sozialen Problemen und der 25 prozentigen Arbeitslosigkeit sind Drogen schon seit Jahren kein reines Großstadtproblem mehr. Besonders in den heruntergekommenen, perspektivlosen PGR-Siedlungen (polnische Variante der LPG) hatten "Kompott" und Klebstoffschnüffelei vor allem unter Jugendlichen längst genauso zugenommen wie der Alkoholkonsum. Besonders auf dem Land rächte es sich, daß man aus Geldmangel als erstes die Jugendclubs geschlossen hatte. Immer wieder werden kleine Hanf- und Mohnplantagen an schwer zugänglichen Seeufern entdeckt, werden ahnungslose Eltern damit konfrontiert, was ihre Sprößlinge auf dem Balkon da so an Pflanzen hochziehen.
Inzwischen hat sich zum klassischen Drogenmarkt mit seinen spezifisch polnischen Varianten ein zweiter, ganz neuer Markt aufgetan, der nichts mehr mit dem Schmuddelimage zu tun hat. Propere Dealer verkaufen propere Drogen an propere Jugendliche mit Geld eine brandgefährliche Entwicklung. Konnte man versuchen, dem klassischen Drogenmarkt mit regionalen Entwicklungsplänen und Initiativen für Jugendliche zu begegnen, bedroht dieser neue Markt die gesamte Jugend. Für die Drogenkonsumenten, die diesen Markt ausmachen, sind Drogen so normal wie für die Elterngeneration Kaffee, Wodka oder Zigaretten. Gerade die neue Leistungselite des Landes betrachtet diese Drogen als eine Art Doping. Marihuana und Haschisch wird zu Feten genommen, Ecstasy vor dem Discogang oder dem Popkonzert, und Amphetamine schluckt man vor den Examina. Es sind die Kinder der Ober- und Mittelschicht, die Drogen als legitimes Hilfsmittel zum Erreichen hochgestellter Ziele betrachten. Auf den klassischen Junkie sehen diese Jugendlichen mit Verachtung herab.
Vor allem Amphetamine haben derzeit Hochkonjunktur, sie sind in der gerade beginnenden Abiturzeit besonders gefragt, sowieso sind Gymnasiasten die besten Kunden.
Die auch vor Allensteiner Oberschulen wie dem Allgemeinbildenden Lyzeum patrouillierenden, von den Schulleitungen engagierten Sicherheitsdienste werden es auch nicht ändern, daß besonders höhere Schulen Hauptumsatzplätze für diese Drogen sind. Die Drogen werden nicht von schulfremden Dealern hereingetragen, sondern von Schülern mitgebracht die Drogenhändler sind selbst Schüler.
Diesen Markt der schicken Pillen beherrschen auch in Ostdeutschland polnische Banden. In Allenstein hat die Polizei Mitte Januar eine Gang ausgehoben, die den Markt für die Amphetamin-Variante "UFO" beherrschte, an der unlängst im Danziger Raum drei Menschen gestorben waren, bestätigte Pawel Niebrzydowski von der Allensteiner Wojewodschafts-Polizeikommandantur. Den eigentlichen Kopf der Bande vermutet er in der örtlichen Geschäftswelt.
Nicht nur Allenstein ist für solche Banden ein interessantes Pflaster, ein Beispiel dafür mag hier Nikolaiken sein. Die PruszkowskiBande suchte kürzlich den ostdeutschen Markt für Drogen und Schutzgelderpressungen von Nikolaiken aus zu erobern. Zuerst kamen legal im Lande lebende Syrer in den Ort, Mohammed A. eröffnete in Nikolaiken eine Diskothek sowie ein Restaurant und schuf die nötige Infrastruktur. Dann wurden in der ortsansässigen Kriminellenszene Anwerbeversuche mit solcher Brutalität betrieben, daß die drangsalierten und gefolterten Kleinstadtgangster sich um Schutz an die Polizei wandten und so für eine unverhoffte Verhaftungswelle sorgten.
Gerade die örtlichen Verhältnisse in Nikolaiken waren den Gangstern aus Pruszkow gut bekannt, verbringen etliche führende Bandenmitglieder dort doch immer wieder ihren Urlaub, mit Vorliebe im einzigen Luxushotel am Platze.
Es ist bei all dem kein Wunder, daß die Zahl der Abhängigen in der Allensteiner Region seit Mitte der 90er Jahre um das Vierfache gestiegen ist und die Zahl der mit Drogen im Zusammenhang stehenden Verbrechen sich binnen eines Jahres verdoppelte.
Allenstein liegt nach Angaben von Anna Apanasewicz vom Wojewodschafts-Polizeikommando landesweit schon an sechster Stelle bei der Drogengefährdung, Tendenz steigend. Elbing, Lyck, Lötzen und Johannisburg stehen dem inzwischen kaum nach.
Immer mehr, immer jüngere Jugendliche haben Kontakt mit Drogen; keine Allensteiner Schule ist drogenfrei, in der Provinz ist es nicht anders. Eine Umfrage an Lötzener Schulen ergab, daß auch dort jeder dritte 16jährige Schüler schon Kontakt mit Drogen hatte. Selbst die befragende Gizela Zawadzka von der psychologisch pädagogischen Ambulanz geht eher davon aus, daß tatsächlich etwa die Hälfte aller Schüler schon einmal mit Drogen in Berührung gekommen ist. Wieslaw Sztylkowski von der Hauptkommandantur der polnischen Polizei schätzt im Politmagazin "Wprost" sogar, daß 40 Prozent der Grundschüler und 80 Prozent der Schüler höherer Schulen bereits Drogenkontakt hatten.
Der Allensteiner Verein für Suchtprophylaxe "Monar" lenkt das Augenmerk auch auf eine ostdeutsche Besonderheit, denn dort greifen viel mehr Abhängige zu Heroin als beispielsweise in Thorn. Im Allensteiner Gebiet ist Heroin aus dem nahen russischen Königsberger Gebiet auf dem Vormarsch. Es sei leicht erhältlich und würde zu Dumpingpreisen auf den Markt geworfen, erklärte Janusz Strzelecki von "Monar" der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza". Mit zunehmender Beherrschung der grenznahen Kleinstädte wie Bartenstein würde das sicher noch mehr werden, erklärt Strzelecki.
Mit den Drogen werden auch Verbrechensstrukturen, mögli-cherweise Bandenkriege importiert, und ganz sicher die größte Bedrohung Aids, denn mit den Rauschmitteln von dort kauft der Konsument die Infektion gleich mit. Im Königsberger Gebiet wird der an sich farblose Inhalt der Ampullen mit Blut rötlich gefärbt, damit er von Wasser besser unterscheidbar ist. Die Zahl der Drogenopfer wird zwa |
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