|
Fast scheint es, als wolle die Regierung Bush mit dem Problem Castro vor ihrer Tür nun endgültig aufräumen. Washington zieht die Sanktionsschraube abermals fester an.
Die Wirtschaft des kommunistischen Inselstaats ist dringender denn je auf Dollar-Einnahmen angewiesen, seit sich der sozialistische Wirtschaftsraum unter der Führung Mos-kaus mit dem Untergang der Sowjetunion aufgelöst hat. Zwischen knapp einer und drei Milliarden US-Dollar schicken Exilkubaner aus den USA nach unterschiedlichen Schätzungen jährlich zu Verwandten auf die
Zuckerinsel. Der Tourismus bringt zwei Milliarden - allerdings brutto, das heißt: Alles, was für die Versorgung der Touristen eingeführt werden muß, geht von der Summe wieder ab. Die Rohstoffexporte (Nickel, Zucker und Tabak) werfen gerade eineinhalb Milliarden ab. Die Devisen reichen jetzt schon kaum noch, um die desaströse sozialistische Volkswirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Ohne das Zubrot in Fremdwährung und zahlreiche Hilfspakete von Exilkubanern aus den USA aber wäre die Castro-Riege wohl längst am Ende.
Daher setzt US-Präsident Bush genau hier die Axt an: Sein neuer Erlaß schreibt vor, daß Hilfspakete oder Geldsendungen von Exilkubanern künftig nur noch an direkte Verwandte gehen dürfen, und dies auch nur, wenn die Bedachten weder Staatsbeamte noch Mitglieder der kommunistischen Partei Kubas sind. Ferner dürfen die Verwandten in Castros Reich nur noch einmal alle drei Jahre besucht werden statt wie bisher jedes Jahr einmal. Für jede Reise ist künftig eine eigene Genehmigung nötig. Die bislang üblichen Dauergenehmigungen fallen weg. Bei ihrem Aufenthalt auf Kuba dürfen die Exilanten aus den USA überdies nur noch 50 Dollar am Tag ausgeben statt bisher 164. Bildungsreisen und akademischer Austausch werden erheblich eingeschränkt.
Die Maßnahmen treffen die kubanische Volkswirtschaft ins Mark. Liberale exilkubanische Politiker und Bush-kritische Medien fürchten daher eine ungesunde Zuspitzung der Beziehungen, unter der zwar die Menschen in einer der letzten kommunistischen Diktaturen zu leiden hätten, die dem Ziel einer Demokratisierung Kubas eher abträglich sei.
Die Versorgungslage ist auch ohne Bushs jüngste Verschärfungen bereits dramatisch, gar von Notstand ist die Rede. Der Versuch des Castro-Regimes, aus den neuesten US-Sanktionen propagandistisch Kapital zu schlagen, ist nach Informationen der spanischen Tageszeitung El País indessen offenbar gründlich fehlgeschlagen. Die Reaktionen in Kubas Bevölkerung zeigten hingegen, daß die sich verschlimmernde Situation der eigenen Regierung angelastet werde statt George Bush.
Montag nacht vergangener Woche wandte sich die Staatsführung in einem dramatischen Appell ans Volk, in dem von einem abermaligen "Angriff auf die Revolution" getönt wird: "Uns erwarten Tage der Arbeit und der Opfer, aber auch des Ruhmes und der Siege für unser heroisches Vaterland!"
Als erste "Kampf"-Maßnahme wurde der Verkauf aller Produkte für Dollar mit Ausnahme von Lebensmitteln und Hygieneartikeln sofort gestoppt. Kuba unterhält wie einst die DDR "Intershops", in denen Waren für harte Währung - hier also: Dollar - verkauft werden. Zu für Kubaner nahezu unerschwinglichen Preisen: Ein Kilo Hühnerfleisch kostet hier 2,75 Dollar, ein Liter Speiseöl 1,95 oder eine Tube Zahnpasta einen glatten Dollar. Der offizielle Umtauschkurs liegt bei 26 Pesos zu einem
US-Dollar bei gerade 250 Pesos durchschnittlichem Monatsgehalt.
Waren des täglichen Bedarfs gibt es außer auf dem Schwarzmarkt oder in den Dollar-Läden nur auf Lebensmittelkarten. Hier einige Beispiele für die kümmerlichen Mengen Lebensmittel, die jedem Kubaner per Marke monatlich zustehen: acht Eier, 112 Gramm Kaffee, 230 Gramm Öl, 2.760 Gramm Reis, 460 Gramm Huhn, 308 Gramm Fisch, 230 Gramm "Hackfleisch und Soja", 560 Gramm Bohnen, 345 Gramm Wurst. Butter ist nur für Dollar zu haben: 1,45 für 250 Gramm. Die Monatsration der Marken reiche bei vielem nur für eine Woche, schimpft ein 38jähriger Wirtschaftsfachmann in der Hauptstadt Havanna gegenüber El País in bislang kaum gekannter Freimütigkeit.
Er sagt dies nur wenige Monate, nachdem 120 Schriftsteller und Journalisten für bis zu 27 Jahre verhaftet worden waren für allzuviel kritische Offenherzigkeit. Die Wut sitzt tief und sucht sich immer unverhohlener ihren Weg auf die Straße. Das Regime hat nun noch einen gravierenden Fehler gemacht, der den Ärger weiter anfacht: Es verkündete seine "Gegenmaßnahmen" bereits vier Tage, nachdem Bush seine neuesten Sanktionen bekanntgemacht hatte. Zweifellos würden sich die Sanktionen schwer auswirken, so die Analyse des 38jährigen, aber derzeit könne doch niemand sagen, wann und in welchem Ausmaß. Somit wittert der Kubaner hinter den schäumenden Kampfsprüchen der politischen Führung nicht mehr als die Vorbereitung auf baldige Preiserhöhungen für Dollar-Waren. So sei das immer gewesen. Die Angst, sich die kaum ersetzbaren Dollar-Waren bald so gut wie gar nicht mehr leisten zu können, hat sich in den Tagen nach dem dramatischen Fernseh-Aufruf in regelrechte Panik gesteigert. Aus Furcht vor Hamsterkäufen ließ die Regierung zunächst alle Dollar-Läden schließen.
Mit seiner Bitterkeit ist der junge Wirtschaftsfachmann nicht allein. Nicht Washington bereite die nächste Aggression auf das kubanische Volk vor, so vernehmen die spanischen Reporter von zahlreichen Interviewpartnern, sondern die eigene Führung unter Fidel Castro selbst.
Schon schallen öffentlich Spottgesänge auf die Regierung durch Havannas Straßen - jüngst genau an der Stelle, an der noch Stunden zuvor die von der Partei organisierten Massen "Kampf gegen den Imperialismus" skandierten - eine noch vor kurzem undenkbare Szene.
Die Stimmung erinnert an die Dämmerung der DDR: Das Volk verliert in dem Maße die Angst vor dem Zugriff des Regimes, wie dieses nicht mehr in der Lage ist, die einfachsten Anforderungen des täglichen Lebens zu befriedigen. Dabei konnte von quantitativer Lebensmittelknappheit wie auf Kuba in der DDR sogar in ihrer Schlußphase noch nicht einmal die Rede sein. Elisa Wachtner
Angeblich wegen Inventur geschlossen: Aus Angst vor Hamsterkäufen ließ die Regierung zunächst alle Dollarläden schließen. |
|