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Der Wahlkampf hat begonnen. Deshalb befaßt sich der Bundeskanzler jetzt auch mit dem Thema Familie. Nach einem Aufsatz in der französischen Zeitung "Le Monde" präsentierte Schröder seine Gedanken auch in der "Welt". Und es darf gestaunt werden. Aus dem "Gedöns" ist nun das "Kernelement der Zivilgesellschaft" geworden. Die Familie stehe im Zentrum "aller Restrukturationsbemühungen der Sozialsystem e", sie sei die letzte Zufluchtsstätte des Menschen. Ein typischer Schröder. Denn nach den Lobeshymnen kommen die Nachrufe auf die sogenannte "traditionelle Familie", auf die "überholte Rolle der Mutter und Hausfrau". Was Familie für diesen Kanzler eigentlich ist, bleibt offen. Man hat es jetzt immerhin schwarz auf weiß, daß es zu den "absoluten Prioritäten" der Regierung gehört, der undefinierten Familie und vor allem den Frauen zu helfen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Das ist nichts Neues. Selbst die CDU hat das Rennen um die Vereinbarkeit zur absoluten Priorität erhoben. Aber darum geht es nicht. Eine vernünftige Familienpolitik schafft Wahlfreiheit zwischen den Berufen zu Hause und denen außer Haus. Wer beides vereinbaren will, soll das tun, sollte dann aber nicht über die Doppelbelastung und die fehlende Zeit für die Erziehung, mithin Fehlentwicklungen bei den Kindern jammern. Momentan besteht zur Klage allerdings mehr als genügend Anlaß. Denn die Wahlfreiheit existiert nicht. Weder die Regierung Kohl und noch weniger die rot-grüne Koalition haben sich um echte Wahlfreiheit bemüht. Sie sind immer nur den Vorgaben aus Karlsruhe gefolgt, und das auch nur mit halbem Herzen. Vollmundig aber haben sie alle in den Chor der Vereinbarkeit und der Verfemung des Herdes eingestimmt, als ob dieses arme Küchengerät Teufelswerk wäre. Abgesehen davon, daß der Herd, wie Alfred Biolek unermüdlich zeigt, ein durchaus menschliches Arbeitsfeld ist, hat er auch eine kulturelle Vergangenheit. Auf dem Forum Romanum sind noch heute die Reste des Tempels der Vesta, der Göttin des Herdfeuers, zu sehen. Das Herdfeuer war Mittelpunkt des Hauses und des Staates, das Feuer der Vesta hatte immer zu brennen. Im Französischen ist Foyer, die Feuerstelle, gleichzeitig das Heim. Mit der Aufgabe der Feuerstätte zugunsten von Fastfood hat man die Wärme der familiären Gemeinschaft auf die Temperatur des Kühlschranks abgekühlt. Es gibt kaum einen Ort der Erziehung, der markanter wäre als das regelmäßige gemeinsame Essen. Natürlich kann man auf diese Gemeinsamkeit verzichten und den Tisch warmer Gemeinsamkeit durch den Kühlschrank ersetzen, aus dem sich jeder einzeln bedient. Menschlich gesehen ist das ein Rückschritt.
Betreuung ist eben nicht gleich Erziehung. Hier wird deutlich, woran es der Gesellschaft und der Politik gebricht. Man denkt das Kind-Sein in den Kategorien "sauber, satt, beschäftigt", also betreut und das Frau-Sein in der Beziehung von Familie und Beruf außer Haus. Aber beide, Kinder wie Frauen, sind mehr. "Erziehung ist Beschenkung mit Menschlichkeit", schreibt Johannes Paul II. in seinem Brief an die Familie, und deshalb seien Eltern auch "Lehrer ihrer Kinder in Menschlichkeit".
Die Politik sollte endlich aufhören, den armen Herd zu verfolgen. Die Absicht ist so durchsichtig. Es geht ihr natürlich um die Wählerstimmen, das ist noch legitim, aber vor allem geht es vielen Vereinbarkeitsfanatikern darum, die Frauen mit ideologischer Gewalt in eine sozialpflichtige Erwerbsarbeit zu drängen und somit die Sozialsysteme noch über ein paar Runden weiter, sprich über die nächsten Wahltermine zu schleppen. Wer es ehrlich meint, der schafft Wahlfreiheit. Das ist auch zu finanzieren. Statt jährlich 18 Milliarden Mark für Kindergärten, -krippen und -horte aufzuwenden und demnächst noch mehr Geld in diese Orte der Betreuung zu investieren, sollte man es den Eltern freistellen, ob sie selber erziehen oder fremd betreuen lassen wollen. Das geht. Norwegen hat es vorgemacht. Dort zahlt man den Eltern die Kosten für die Betreuung und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen spart man erhebliche Gelder für Verwaltung, Unterhalt und Pflege der Betreuungseinrichtungen, zum anderen gibt man den Eltern Freiheit und damit auch Verantwortung, man entmündigt sie nicht, wie das in sozialistischen Ländern à la DDR üblich war und nun in ganz Deutschland künftig so sein soll.)
Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhoff hat jüngst auf den inneren Zusammenhang zwischen Staat und Familie hingewiesen: "Ohne Familie keine wirksame Erziehung, ohne Erziehung keine Persönlichkeit, ohne Persönlichkeit keine Freiheit." Ohne Familie mit dem Sinn für Gemeinschaft und nicht nur als Hotel- oder Pensionsbetrieb wird der Staat heimatlos. Dann verliert er seine Wurzeln, seine Herkunft und damit auch die Zukunft. Diese Zusammenhänge waren den Römern schon bewußt, sie sind noch heute gültig, denn der Mensch hat eine Natur und Grundbeziehungen, die zwischen Eltern und Kind. Gibt er diese Grundbeziehungen auf, atomisiert er die Gesellschaft. Auf diesem Weg ist die rotgrüne Koalition.
Jetzt schlägt die CDU zurück, man könnte auch sagen, sie zieht nach. Die CDU- Vorsitzende Merkel hat Schröder mit konkreten Vorschlägen geantwortet, ebenfalls in der "Welt". Zwar sind die Unions-Vorschläge noch nicht ausreichend, um die Misere der Familie zu wenden. Aber sie gehen weit über das hinaus, was Schröder vorschlägt. Und womit sich der Kanzler brüstet, stammt zur Hälfte aus dem Almosenreservoir, aus dem zu verteilen sein Vorgänger durch die Urteile aus Karlsruhe sich genötigt sah. Was Stoibers Denken und Merkels Konzept dagegen auszeichnet, sind die Ausbaufähigkeit und die Ernsthaftigkeit. Stoiber nimmt die Familien ernst, er nimmt die Hausfrauen und Mütter ernst und damit auch deren Erziehungsleistung. Nichts von alledem bei Schröder. Die Phrasen des 68ers im Kanzleramt sollen alle befriedigen, zuerst aber die Randgruppen. Sein Konzept von Familie löst sich auf in konsensuales Wohlgefallen. Damit ist kein Staat zu machen.
Immerhin, die Familie darf sich freuen: Der edle Wettstreit um sie und ihre Stimmen hat begonnen. Die CDU bekennt offen, daß sie das Kernelement der Gesellschaft vernachlässigt und deshalb 1998 die Mitte verloren hat. Wenn sie jetzt noch lernt, daß es einen Unterschied gibt zwischen Betreuung und Erziehung, daß das für alle so notwendige Humankapital durch die Erziehung geschaffen wird, was wiederum Zeit und Zuwendung erfordert, dann kann die Familie in Deutschland Hoffnung schöpfen. Es geht um mehr als Geld. Es geht um Leistungsgerechtigkeit. Die Erziehungsleistung muß noch ins Blickfeld rücken. Dafür hat der "Enkel" wider Willen unbewußt einen Beitrag geleistet. Seine Sprechblase, die vom Kern bis zum Rand der Gesellschaft alles umfaßt, hat die Debatte belebt. Maria Klausner
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