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Oberflächlich betrachtet gibt es in Nahost eine Reihe von Erfolgen: Syrien hat sich dem US-Ultimatum gebeugt und ist aus dem Libanon abgezogen. Im Libanon gab es "erstmals demokratische Wahlen". Im Irak amtiert eine "demokratisch legitimierte Regierung". Die Palästinenser haben einen dem Westen (und vorläufig auch Israel) genehmen Präsidenten. Und die Vorbereitungen auf einen israelischen Abzug aus Gaza vermitteln den Eindruck, daß dieser tatsächlich stattfinden könnte.
Aber die Realität ist um einiges "komplizierter", wie sich soeben an den iranischen Präsidentenwahlen zeigte. Gewiß die "Vorauswahl" der Kandidaten läßt sich kritisieren. Aber die Stichwahl ist schon allein deswegen unanfechtbar, weil sie ein logisches Ergebnis brachte: Der Verlierer Rafsandschani ist einer der reichsten Männer des Landes, steht im Geruch der Korruption und gilt als "gemäßigt" - sprich: Geschäften mit dem Westen nicht abgeneigt. Der Sieger Ahmedinedschad, zuletzt Bürgermeister von Teheran, steht für Fundamentalismus und verkörpert diesen durch einfachen Lebensstil, persönliche Integrität und Fürsorge für die Armen.
Irgendwie kann man den Wahlausgang natürlich als amerikanischen Erfolg interpretieren, denn die israelisch-amerikanische "Öffentlichkeitsarbeit" für den geplanten Angriff auf den Iran erscheint nun "glaubhafter". Daß ein solcher Angriff jeder völkerrechtlichen Grundlage entbehrt, steht auf einem anderen Blatt. In diesem Zusammenhang sind übrigens auch die jüngsten Unruhen in der mehrheitlich arabischen Ölprovinz Khusistan zu verstehen: Die Destabilisierung des Iran durch Unterstützung kurdischer, arabischer und turkmenischer Minderheiten von Basen im Irak aus ist Teil der strategischen Planung.
Das Beispiel Ahmedinedschad verdeutlicht zugleich, warum fundamentalistische Bewegungen - etwa sunnitische in Gaza oder schiitische im Südlibanon - so großen Zulauf haben: Sie sind in allererster Linie soziale Einrichtungen - und "Almosen geben" ist eben einer der fünf Grundpfeiler der islamischen Lehre. In den Augen der Armen und Unterdrückten sind sie die einzigen glaubhaften Kämpfer gegen Korruption und "Kollaboration". Und gerade deshalb werden sie als "Terroristen" bekämpft - die sie gar nicht wären, wenn es nicht primär Unterdrückung und Ausbeutung gäbe.
Syrien gab mit seinem Abzug aus dem Libanon amerikanischem Druck nach, denn es wäre töricht, den USA und Israel "moralische" Vorwände für eine "Intervention" zu liefern, der man nichts entgegenzusetzen hätte. Dem syrischen Baath-Regime kann man zwar einiges vorwerfen, aber Selbstmörder sind dessen durchaus weltliche - und westlicher Lebensart mehr als aufgeschlossene - Vertreter keineswegs! Und eben deswegen entbehrt es auch jeder politischen Logik, hinter den Attentaten auf "antisyrische" Libanesen eine syrische Urheberschaft zu vermuten. Der Mord an Ex-Ministerpräsident Hariri bleibt trotz internationaler Untersuchung unaufgeklärt. Beziehungsweise muß es bleiben, denn der riesige Krater am Ort des Attentats kann keinesfalls von einer Autobombe stammen, und realistische Erklärungen wären zu gefährlich. Inzwischen wurden noch ein Journalist und der frühere KP-Chef durch gewöhnliche Autobomben umgebracht. Aber diese Morde mußten anscheinend "passieren", weil die Syrer so widerspruchslos abgezogen waren.
In Syrien selbst ist die Wirtschaftslage noch schwieriger geworden: Aus dem Libanon kehrten nicht nur 14.000 Soldaten und etliche Geheimdienstleute heim, sondern auch rund 500.000 Gastarbeiter, die nun die Reihen der Arbeitslosen verstärken. Wirksamste Stütze des Systems bleiben aber - just die USA: Die syrische Bevölkerung weiß nur zu gut, daß "Demokratie" nach einem Regimewechsel wie im Irak oder in Afghanistan nur Schrecken ohne Ende bringen würde. Und da Oppositionspolitiker, mögen sie auch die lautersten Absichten haben, unweigerlich vom Ausland vereinnahmt werden, ist das Vertrauen in sie gering.
Die libanesischen Parlamentswahlen brachten bisher keine brauchbaren Ansätze für die Zukunft. Die siegreichen "antisyrischen" Gruppierungen sind derart heterogen, daß mit ihrem Zerfall jederzeit zu rechnen ist. Und wie verworren die Lage ist, läßt sich auch an zwei anderen Beispielen veranschaulichen: Ex-General Aun, der gegen die Syrer gekämpft hat, verbündete sich nach seiner Rückkehr aus dem Exil mit prosyrischen Gruppen. Und im Südlibanon kandidierten Christen auf der schiitischen Liste, weil sie sonst nie ins Parlament gekommen wären. Man kann also nur sagen: . Prof. Dr. Küssner
Fundamentalist oder iranischer Robin Hood? Mit Entsetzen nahm der Westen die Wahl des Ahmedinedschad zum Präsidenten Irans zur Kenntnis. Vor allem die iranische Jugend hatte dem Unterstützer der Armen ihre Stimme gegeben. |
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