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Salomonische Lösungen

 
     
 
Es war eine salomonische Entscheidung, die kürzlich in Wien getroffen wurde: Bei der Aufstockung eines älteren Gebäudes - in sensibler Lage, gleich gegenüber der Kapuzinerkirche mit der habsburgischen Familiengruft - war die erlaubte Bauhöhe deutlich überschritten worden. Im Normalfall enden illegale Aufbauten mit einem Abriß, doch siehe da, hier entschied der Bauausschuß, daß bloß die Farbe von hellgrau auf dunkelgrau zu ändern sei. Wird ohnehin ausbleichen.

Vielleicht hätte dem Bauherrn nicht einmal sein Intimverhältnis zur alleinregierenden Wiener SPÖ geholfen, aber da es sich um niemand Geringeren als den Immobilienhändler Ariel
Muzicant handelt, der zugleich Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) ist, wollten auch ÖVP und Grüne nichts ris-kieren. Einzig die FPÖ stimmte dagegen.

Muzicant, Freund und Studienkollege von Ron Sommer, der sein Studim in Israel absolvierte, profiliert sich nicht nur im Wiener Stadtbild, sondern gleichermaßen als Kämpfer gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung. Als Anfang 2000 bei der Holokaust-Konferenz in Stockholm die Österreich-Sanktionen ausgeknobelt wurden, drohte er sogar, die Juden zum Auszug aus Österreich aufzurufen. Aber schon bald darauf forderte er die Zuwanderung von Juden, um die Überalterung der IKG auszugleichen. Dementsprechend heftig war sein Protest gegen die Planung eines strengeren Einwanderungsgesetzes, denn dieses kennt aus verfassungsrechtlichen Gründen keine religiösen Quoten, - von denen man salomonische Ausnahmen verlangen könnte. Einigermaßen salomonisch war dafür das vom amerikanischen Ex-Staatssekretär Stuart Eizenstat ausgehandelte - wieder einmal "endgültige" - Entschädigungsabkommen mit just dieser angefeindeten Regierung. Salomonisch, weil es Muzicant erlaubte, sofort neue Forderungen anzumelden. Hintergrund sind die Finanznöte der IKG, deren Aktivitäten in keinem Verhältnis zur Zahl ihrer knapp 8.000 Mitglieder stehen. (Die allermeisten Juden in Österreich sind übrigens keine Mitglieder.) Als anerkannte Religionsgemeinschaft wird die IKG zwar staatlich subventioniert, weit überproportional sogar, doch die IKG pocht darauf, daß sie auch ihren Sicherheitsdienst unterhalten muß - durchwegs in Israel ausgebildete und militärisch erprobte Leute.

Nun nahm Muzicant einen neuen Anlauf: Wenn die IKG nicht bis 1. Juli zusätzliches Geld kriege, müsse mit der "Liquidation" jüdischer Einrichtungen begonnen werden. (Tatsächlich besitzt die IKG gut verwertbare, derzeit ungenutzte Immobilien.) Der zur Unterstützung eingeflogene Michel Friedman erklärte sogar, Bundeskanzler Schüssel stehe vor einem "Offenbarungseid": Er müsse sich entscheiden, ob er wolle, daß in Österreich Juden leben oder nicht.

In der Folge kam es zum Eklat, denn laut Muzicant habe Schüssel gesagt, Österreich werde keine "abgetakelten Mossad-Agenten" subventionieren. Das Bundeskanzleramt dementierte zwar, und sogar Stuart Eizenstat erklärte, daß dies "keine genaue Wiedergabe" seines Vieraugengesprächs mit Schüssel sei. Doch dahinter steckt ein reales Problem, das es wert ist, weltweit offen und ausführlich diskutiert zu werden: Warum sind einige wenige Botschaften und Einrichtungen so sehr gefährdet? Und warum sollen die jeweiligen Gastländer, die doch für die Ursachen nicht verantwortlich sind, ein erhöhtes Risiko mittragen, außerordentliche Maßnahmen finanzieren oder gar - unter Mißachtung der eigenen Souveränität - fremde Sicherheitsorgane dulden? Salomonische Lösungen drohen auch bei anhängigen Verfahren um Kunstwerke, die "arisiert" gewesen waren, aber nach 1945 (mit Einverständnis der Besatzungsmächte) von den ursprünglichen Eigentümern in Österreich verkauft wurden.

Allerdings zu damaligen Preisen, was die Erben heute ziemlich irritiert! Und so kam es etwa, daß Schiele-Bilder, die vor fünf Jahren für eine Ausstellung in den USA hergeliehen worden waren, dort beschlagnahmt wurden. Um die Rückgabe wird - bisher vergeblich - prozessiert. Ein noch pikanterer Fall dreht sich um Klimt-Gemälde: Die 1925 verstorbene ursprüngliche Eigentümerin, die auch auf einem der Werke abgebildet ist, hatte diese der Österreichischen Galerie im Schloß Belvedere vermacht, wo sie bereits seit 1919 als Leihgabe ausgestellt waren. Wegen Umbaus der Galerie befanden sich die Bilder 1938 aber im Palais ihres Gatten und wurden beschlagnahmt.

Eine Nichte der Verstorbenen "entdeckte", daß nicht die Tante, sondern der 1945 in der Schweiz verstorbene Onkel Eigentümer gewesen sei, und verklagte Österreich auf Herausgabe. Gegen alle völkerrechtlichen Grundsätze erklärte sich das dortige Gericht für zuständig, was von Österreich beeinsprucht wurde. Nun liegt der Fall beim Obersten Gerichtshof in Washington. Ob demnächst US-Gerichtsvollzieher in Österreich aufkreuzen werden? 
 
     
     
 
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