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Die Angst vieler Polen vor dem EU-Beitritt bekommt einen neuen Namen: "Bäuerlich Selbstverteidigung Nationaler Block". Initiator dieser in Planung befindliche Partei ist, wie könnte es anders sein, der im Frühjahr 1999 durch die erbitterte Bauernstreiks international bekannt gewordene Andrzej Lepper.
Der Führer der landwirtschaftlichen Gewerkschaft "Samoobrona" (Selbstverteidigung) will die neue Sammlungsbewegung am 17. Januar in Warschau offiziel gründen. Sie soll nach Angaben des Mittvierzigers Lepper als "dritte groß Kraft" mit der Wahlaktion Solidarität (AWS) und der Demokratische Linksallianz (SLD konkurrieren und die Interessen der EU-Gegner bündeln.
Die schwerfällige und altbackene postkommunistische Polnische Bauernpartei (PSL) sol außen vor bleiben, während die SLD zwar als einzige Partei ein Angebot Leppers
zur Zusammenarbeit erhielt, dieses jedoch ablehnte. Der charismatische Bauernführer der schon während der ersten "Solidarnosc"-Regierung in den frühen 90er Jahre einen Hungerstreik bankrotter Landwirte organisiert hatte, ist der etablierten Linksparte offenbar zu radikal und zu unberechenbar.
Bei den Protesten Ende Januar und Anfang Februar hatten sich seine Leute mit de Polizei regelrechte Straßenschlachten geliefert. Auch will man sic trotz aller Detailkritik am Verlauf der Beitrittsverhandlungen nicht mit de kompromißlosen EU-Gegnern in ein Boot setzen. Andrzej Lepper muß sich also ganz au seine gewerkschaftliche Hausmacht stützen. Zu dieser zählt immerhin ein nicht geringe Teil der annähernd 3,8 Millionen in der Landwirtschaft verdienenden Polen (etwa ei Viertel der berufstätigen Bevölkerung). Darüber hinaus erhofft sich der Aktivis größere Zustimmung unter den organisierten Arbeitern im Verkehrsbereich sowie von seite der besonders unter Massenentlassungen leidenden Bergleute. An Motivation fehlt es seine Anhängern jedenfalls nicht spätestens, nachdem die letzten Meinungsumfragen übe die rapide wachsende EU-Skepsis bekannt wurden.
Auf die Frage, ob sich der Beitritt positiv auf den polnischen Lebensstandard auswirkt äußerten sich 1996 noch 61 Prozent zustimmend, 1997 war es 47 Prozent, 1998 dann wiede 50 Prozent, und im Mai dieses Jahres nur noch 38 Prozent.
Ähnliche Ergebnisse zeigen die Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwische der EU-Osterweiterung und der Arbeitslosigkeit in Polen. Eine dadurch bedingte Zunahm erwarteten 1996 lediglich 24 Prozent, Mitte dieses Jahres aber schon 46 Prozent. Und die Ergebnisse der neuesten großen Umfrage vom Oktober sehen aus Sicht de EU-Befürworter noch schlechter aus.
Während in der Mitte-Rechts-Regierung aufgeregt darüber dis-kutiert wird, wie man die Stimmung durch Information und Propaganda wieder wenden kann, wittert das radikal link und extrem rechte EU-feindliche Spektrum Morgenluft. Neben dem einstigen Kommuniste Lepper ist es besonders das christlich-fundamentalistische und nationalistisch "Radio Maryja", das durch aggressive Stimmungsmache für Schlagzeilen sorgt.
Auch eine neue Partei hat die Hochkonjunktur der EU-Gegner schon hervorgebracht: Am 27 November trafen sich im oberschlesischen Oppeln 60 Delegierte de "Polnischen Partei der Arbeiter und Bauern" (PPR-Ch) zu ihrem erste Kongreß. Nach Angaben ihres Vorsitzenden Jozef Korol ist dies Formation bereits seit einem Jahr tätig und umfaßt gegenwärtig 170 Mitglieder. Programmatische Eckpfeiler sind das Nein zu Privatisierungen un Strukturreformen. Zu den gemeinsamen Feindbildern der ideologisch heterogene Anti-EU-Front gehört Finanzminister Balcerowicz. Dieser beendete nach den letzten Wahle die zwischen 1993 und 1997 von den Linksparteien betriebene Schonung des sozialistische Erbes in der Landwirtschaft.
Während nicht nur die politischen Freunde aus der Freiheitsunion (UW) Balcerowicz sei der ersten bürgerlichen Regierung nach 1989 als "Vater des polnische Wirtschaftswunders" bezeichnen, nennt Bauernführer Lepper ihn den "Volksfein Nr. 1".
Für viele Polen dürfte es eine Genugtuung gewesen sein, als die vom Finanzministe forcierte Steuerreform (s. OB 46/99, S. 6) Ende November durch das Veto von Präsiden Kwasniewski auf Eis gelegt werden mußte. Diese Niederlage brachte Balcerowicz zwar in Wanken, doch gefallen ist er nicht.
Schließlich wird dieser im Ausland hochangesehene Politiker noch gebraucht, um die verbliebenen Hürden auf dem Weg in die EU zu nehmen. Eine Erfolgsgarantie gibt es abe auch mit dem Reformkünstler Balcerowicz nicht, denn das letzte Wort liegt beim Volk Dieses muß dem Beitritt in einem Referendum zustimmen.
Die jetzigen internen Schwierigkeiten der polnischen Regierung beunruhigen nich zuletzt Politiker und Unternehmer in Sachsen, Brandenburg und Vorpommern. Eine positiv ökonomische Entwicklung ist hier langfristig ohne den mit der Osterweiterung verbundene Ausbau des grenzüberschreitenden Handels nicht denkbar.
Noch rangiert die Republik Polen zum Beispiel in der Handelsbilanz Sachsens nur a sechster Stelle. Dies würde sich nach einem Beitritt des Nachbarn zweifellos schnel ändern. Pläne wie der von Dresden aus unterstützte Versuch, in Breslau eine Mess aufzubauen, wären dann viel leichter umzusetzen. Und die Zahl der derzeit etwa 15 sächsischen Firmen, die sich allein im jenseits der Neiße gelegenen Niederschlesie engagieren, würde sich in Kürze vervielfachen.
Die Sorgen eines Großteils der polnischen Bauern sind angesichts der hiesige Erfahrungen mit der Brüsseler Landwirtschaftspolitik zwar mehr als verständlich, dennoc ist ein schneller EU-Beitritt der wirtschaftlich besser gestellten ostmitteleuropäische Staaten aus deutscher Sicht wünschenswert.
Für Sympathien mit den zumeist weit links angesiedelten polnischen EU-Gegnern bleib da wenig Raum. Wie stark diese wirklich sind, werden unter anderem die im Jahr 200 anstehenden Präsidentschaftswahlen zeigen. Dann nämlich tritt der Bauernführer Leppe gegen Amtsinhaber Kwasniewski und den Solidarnosc-Veteranen Lech Walesa an |
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