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Zwei Dinge weiß man über Venezuela: Dort gibt es viel Öl und guten Rum. Und das genügt den meisten Außenpolitikern. Wenn dann noch ir-gendwie Wahlen abgehalten werden, das Land ordentlich aus Europa importiert, seine Schulden bezahlt und die Lage auch ansonsten stabil erscheint, dann bleiben im Kurzzeitgedächtnis nur noch Faß und Flasche. Ein verhängnisvoller Irrtum. In Venezuela braut sich eine Krise zusammen, die über kurz oder lang auch die Märkte in Europa in Mitleidenschaft ziehen dürfte.
Der neue alte Präsident Hugo Chavez hat einen Masterplan. Er eifert seinem Idol Fidel Castro nach und will das Land in eine kommunistische Diktatur verwandeln, die sich im Namen der Befreiung - in Lateinamerika geschieht das immer im Namen des historischen Unabhängigkeitshelden Simon Bolivar - auf die gesamte Region erstreckt, also auch Kolumbien, Peru und Bolivien umfaßt und sich über die neuen Linksregierungen in Brasilien und Argentinien de facto über den ganzen Subkontinent erstreckt. Das mag vermessen erscheinen. Aber Chavez hat Geld, viel Geld. Allein im vergangenen Jahr hat Venezuela für 24 Milliarden US-Dollar Öl nach Nordamerika exportiert, die Tagesproduktion beläuft sich auf drei Millionen Barrel, das sind fast so viel wie in Saudi-Arabien. Der staatliche Ölkonzern Citgo verfügt über 14.000 Tankstellen in den USA und ist der zweitgrößte Zulieferer in den Vereinigten Staaten.
Auch das Muster für die "bolivianische Revolution" ist bekannt. Man sichert zunächst die Grundbedürfnisse der Bevölkerung - Ernährung, Gesundheit, Bildung - schränkt sodann die Freiheiten ein und exportiert schließlich von einer soliden Diktatur aus die Revolution. So geschieht es: Chavez kauft das Volk mit zinslosen Krediten für Autos, Möbel, Konsumgüter, kubanische Experten, vor allem medizinisches Personal, verteilen in Ambulanzstationen Medikamente und fangen jetzt auch damit an, das Bildungspersonal zu indoktrinieren. Mehr als tausend venezolanische Lehrer haben bereits Kurse auf Kuba absolviert. Ein nächster Schritt könnte das Abwürgen oder Konfiszieren der katholischen Schulen sein. Fernsehen und Radio sind weitgehend gleichgeschaltet. Die einzige Opposition sind Teile der Presse und die katholische Kirche. Ihre Glaubwürdigkeit ist dem Regime ein Dorn im Auge. Führende Bischöfe werden abgehört und beschattet. Auch anonyme Drohungen und offene Beschimpfungen sind keine Seltenheit mehr. Funktionäre schüren offenen Haß gegen alles Geistliche. Bisher haben sich aus Europa nur die Adenauer-Stiftung und die internationale Hilfsorganisation Kirche-in-Not der Kubanisierung und schleichend wachsenden Diktatur in Venezuela zugewandt, das außenpolitische Establishment in Brüssel, Berlin, Rom, Paris und London schläft den Schlaf der Selbstgerechten.
Der Export der Revolution geschieht über die bereits vorhandene Guerrilla-Infrastruktur in Kolumbien. Als die von den USA im Krieg gegen Terroristen und Drogenmafia unterstützte kolumbianische Regierung jüngst einen Guerilla-Führer aus Venezuela entführen ließ, kam es zur diplomatischen Krise. Es wurde ruchbar, daß Venezuela den Drogenterroristen als sicheres Hinterland dient und von dort aus Operationen plant und durchführt. Washington hält sich zurück - noch. Aber die Verbindung Petrodollars-Drogen-Terror-Ideologie hat aufhorchen lassen. Sie enthält viel Sprengkraft für die Ölmärkte, mithin für den Ölpreis. Das zwingt zur Vorsicht. Wegschauen aber ist keine Lösung; erst recht nicht die von Spanien propagierte Appeasementpolitik gegenüber Kuba. Europa, insbesondere Deutschland, hat viel Prestige in Lateinamerika. Das könnte man bei der Eindämmung des Revolutionärs Chavez in die Waagschale werfen, bevor es zu spät ist und das Jammern über den Ölpreis alles übertönt.
Venezuelas Staatschef Hugo Chavez (r.) mit seinem großen Vorbild Fidel Castro: Stück für Stück wird in Venezuela den Bürgern ihre Freiheit genommen und die Opposition ausgeschaltet. |
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