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Streit in Istrien: Fischereikrieg an der Adria

 
     
 
Piran und Portoroz in Sloweni en oder Umag, Rovinj und Pula in Kroatien - diese Namen istrischer Küstenorte rufen bei vielen Deutschen romantische Urlaubserinnerungen wach. Bilder von malerischen Felsbuchten, wolkenlosem blauen Himmel und der nicht weniger blauen Adria.

In der Beliebtheitsskala europäischer Tourismusziele steht die sonnenverwöhnte Halbinsel weit oben. Das war zu den Zeiten des alten, untergegangenen Jugoslawiens der Fall und ist heute wieder so. Nur in den 1990er Jahre
n blieb ein Teil der ausländischen Gäste vorübergehend weg.

Obwohl Istrien in den Kriegen, die dem Zerfall Jugoslawiens folgten (vor allem 1991/92, aber auch beim NATO-Bombardement Serbiens 1999), immer Etappe war, bekamen nicht wenige westliche Touristen kalte Füße bei dem Gedanken, in einem vermeintlichen Kampfgebiet Urlaub zu machen.

Tatsächlich gab es andere Konflikte, die Istrien international in die Schlagzeilen brachten: die italienischen Forderungen nach Minderheitenrechten und Entschädigungen für Heimatvertriebene sowie der anhaltende Streit zwischen Slowenien und Kroatien um die Bucht von Piran.

Mittlerweile gehört Istrien überwiegend zu Kroatien; nur zehn Prozent seiner Fläche sind slowenisch und ein noch kleineres Gebiet um die Hafenstadt Triest italienisch. Die Geschichte der Halbinsel ist vielfältig und begründet die bis in die Gegenwart erhobenen italienischen Gebietsansprüche. Ebenso wie Dalmatien fiel die Region im Jahre 538 an Byzanz, das ab dem 7. Jahrhundert vorrückende slawische Stämme immer wieder zurückdrängen konnte, so daß diese erst Jahrhunderte später zu kultureller Bedeutung kamen.

Seit dem 12. Jahrhundert geriet die Region dann immer mehr in wirtschaftliche Abhängigkeit von Venedig; 1420 war schließlich der gesamte Küstenstreifen venezianisch. Ähnlich wie in Dalmatien sind die nachfolgenden Jahrhunderte ganz von der Ausstrahlung der mächtigen Lagunenstadt geprägt worden. Noch heute weisen die Altstädte an der Küste den mediterranen Charakter italienischer Ortschaften auf. Besonders sehenswert sind das slowenische Piran und das kroatische Rovinj.

Eine andere Entwicklung haben das istrische Binnenland mit der Grafschaft Pazin sowie Triest genommen, die von den Habsburgern regiert wurden. Mit dem Wiener Kongreß 1815 fiel dann ganz Istrien an Österreich, das bedeutende Erfolge beim Ausbau der Infrastruktur verzeichnen konnte - befestigte Straßen, Eisenbahnen und Hafenanlagen (Pula wurde neben Triest zum wichtigsten österreichischen Kriegshafen).

Hinsichtlich der Bevölkerungsverhältnisse läßt sich vereinfachend sagen, daß an der Küste das italienische und im Inland das slawische Element dominierte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Halbinsel dem Königreich Italien angeschlossen, das eine rigide Italienisierungspolitik betrieb, die heftige Gegenwehr von Kroaten und Slowenen provozierte. Im April 1945 eroberten Tito-Partisanen Istrien. Nach Jahren voller Unsicherheit und ethnischer Auseinandersetzungen fiel 1947 bzw. 1954 auf Geheiß der Alliierten die gesamte Region mit Ausnahme Triests und seines Umlands an das wiederhergestellte Jugoslawien.

350 000 Italiener flüchteten vor der Partisanenherrschaft aus ihrer Heimat. Bis heute werden in den Reihen ihrer Vertriebenenverbände Entschädigungen für den völkerrechtswidrig konfiszierten Besitz erhoben, manchmal sind sogar Rückgabeforderungen zu hören. Dann heißt es, daß die Regierung in Rom zwar im Vertrag von Osimo 1975 gegenüber Jugoslawien dessen Oberherrschaft über Istrien als „endgültig“ anerkannt habe, jedoch dieses Jugoslawien inzwischen gar nicht mehr bestehe, weshalb der Vertrag hinfällig sei.

Für die offizielle italienische Politik sind solche Ansichten kein Thema. Anders ist das mit den Minderheitenrechten für die verbliebenen Landsleute, die beharrlich eingefordert werden. Im kroatischen Teil Istriens leben noch etwa 25 000 Italiener, im slowenischen sind es um die 30 000. Eine Hochburg ist die slowenische Hafenstadt Koper (ital.: Capodistria), wo es zweisprachige Ortsschilder und einen eigenen Radiosender gibt, und Buje in Kroatien. Dort ist jeder vierte der 24 000 Einwohner Italiener.

Die besondere Geschichte der Halbinsel ist eine der Erklärungen für das im kroatischen Teil zu beobachtende starke istrische Regionalbewußtsein. Auf dem parteipolitischem Feld findet es seinen Ausdruck in der Bewegung IDS (Istarska Demokratska Sabor - Istrische Demokratische Versammlung). Zu den Zeiten von Präsident Tudjman wandte sich die IDS gegen allzu zentralistische Verwaltungsreformen. Nach dessen Tod wurden die Regionalisten an der Regierung beteiligt, und die vorherigen Konflikte verloren seither an Bedeutung. Dafür trat eine andere Streitfrage in den Vordergrund: die seit einem Jahrzehnt schwelende Auseinandersetzung mit Slowenien um die Adriabucht von Piran.

Für das Alpen- und Karstland Slowenien ist dessen 35 Kilometer langer istrischer Küstenstreifen der einzige Zugang zum Meer. Der Hafen von Koper ist für den Handel des kleinen Landes von außerordentlicher Bedeutung. Zum Leidwesen der Regierung in Lai-bach sind die Seegrenzen allerdings so ungünstig gezogen, daß Slowenien nicht an internationale Gewässer grenzt, sondern nur an italienische und kroatische. Aus Sicht der slowenischen Handelsflotte und Fischerei ist es leicht nachvollziehbar, daß die Regierung in Laibach Anspruch auf einen „Korridor“ erhebt, der von der Bucht von Piran über den Golf von Triest ins offene Mittelmeer führt.

Die kroatische Regierung von Ministerpräsident Racan gab diesem Ersuchen vor einem Jahr endlich nach, zumal auch die EU auf eine solche Lösung drängte. Doch die Mehrheit des Zagreber Parlaments sperrt sich dagegen, den von den beiden Regierungschefs unterzeichneten Vertrag über die Abtretung eines Teils der kroatischen Hoheitsrechte in der winzigen Bucht von Piran zu ratifizieren.

Insbesondere im August wuchs sich der Grenzstreit zu einem regelrechten Fischereikrieg aus. Die Spannungen zwischen den beiden sich ohnehin nicht sehr gut verstehenden Völkern erreichten einen gefährlichen Höhepunkt.

Erst seit dem 10. September kühlen die Gemüter ab, nachdem sich die Ministerpräsidenten Drnovsek und Racan auf einen vorläufigen Kompromiß geeinigt haben: Fischern beider Länder soll für zunächst drei Monate der Fischfang in der gesamten Bucht ermöglicht werden. Die Klärung des Grenzkonflikts wurde jedoch vertagt. Somit ist wohl noch eine ganze Weile für Unruhe in dem romantischen Urlauberparadies gesorgt.
 
     
     
 
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