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Immer noch glauben Journalisten, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern, die deutsche Vergangenheit "bewältigen" zu müssen, indem sie über die damaligen Ereignisse faustdicke Lügen verbreiten. Eines der bei ihnen beliebtesten Themen ist, wohl weil die Mischung aus Nazi und Sex auf manche unverändert faszinierend wirkt, der "Verein Lebensborn e.V.", der bereits vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gegründet wurde, um die damals hohe Zahl von Abtreibungen zu senken. Er sollte vor allem Müttern unehelicher Kinder die Möglichkeit bieten, ohne Diskriminierung durch die Gesellschaft ihre Kinder in angemessener Umgebung zur Welt zu bringen.
Bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges setzte eine massive Propaganda ein, die behauptete, die Lebensborn-Heime seien Einrichtungen zur Menschenzüchtung gewesen. Hier sollten blonde, reckenhafte SS-Männer mit ebenso blonden und reckenhaften deutschen Maiden auf Befehl arische Helden zeugen, um "dem Führer ein Kind zu schenken".
Noch in jüngster Zeit strahlten Sender der ARD im Dritten Programmen mehrfach einen tschechischen Spielfilm aus, der eben diese Thesen wiederholte. "Himmlers Wunschkinder" erlebten immer wieder im Fernsehen ihre Auferstehung, etwa als Arte 2001 eine Reportage zu diesem Thema sendete und in einem Begleittext log: "12.000 Kinder ließ er (Himmler) auf seinen Befehl im deutsch besetzten Norwegen zeugen: Früchte einer Wahnidee, dem Lebensborn, ihre Mütter vergewaltigt von blonden, blauäugigen deutschen Soldaten."
Dabei konnte jeder, der es wissen will, längst erfahren, was es mit dem Lebensborn wirklich auf sich hatte. Schon Georg Lilienthal räumte in seinem wissenschaftlichen Werk "Der Lebensborn e.V.", erschienen 1985 im Gustav Fischer Verlag, mit der Propagandathese von der befehlsmäßigen Zeugung "germanischer" Kinder auf. Doch ergeht es ihm wie anderen seriösen Historikern: Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit werden von den meisten Massenmedien nicht zur Kenntnis genommen.
Den Durchbruch in der Aufklärungsarbeit über den Lebensborn hätte eigentlich das Werk des norwegischen Reichsarchivars Käre Olsen ("Vater: Deutscher - Das Schicksal der norwegischen Lebensborn-Kinder und ihrer Mütter 1940 bis heute") bedeuten können. In Norwegen sind alle Unterlagen über die Organisation Lebensborn mit ihren zwölf Heimen und der Mütterschule erhalten geblieben und von norwegischen Wissenschaftlern erschlossen worden. Sie brauchten keine Rücksicht zu nehmen auf die in Deutschland immer mehr zur Meinungsunterdrückung ausartende politische Korrektheit; außerdem kann man ihnen nicht nachsagen, daß sie die Absicht hätten, die Institution zu rechtfertigen oder zu beschönigen.
Es haftet der Organisation Lebensborn der Vorwurf an, sie hätte sich nur "junger Mütter guten Blutes" angenommen. Tatsächlich war das in der Diktion der damaligen Zeit die Voraussetzung für die Aufnahme werdender Mütter in die Lebensborn-Heime. Was das bedeutete, haben die norwegischen Historiker herausgefunden: Nicht aufgenommen wurden Frauen, die Straßendirnen oder "geistige oder körperliche Krüppel" waren, sowie Lappinnen, heute Samen genannt, die nicht zu den europäischen Völkerschaften zählten. In Deutschland waren auch jüdische Frauen ausgeschlossen. Allerdings warf man in Norwegen nicht etwa Frauen aus diesen ausgeschlossenen Gruppen auf die Straße, sondern vermittelte ihnen Plätze in norwegischen Heimen und Krankenhäusern, wenn die Väter ihrer Kinder deutsche Soldaten waren, wobei der Lebensborn die Kosten trug.
Das alles kann erfahren, wem an historischen Tatsachen gelegen ist. Man hatte in der Vergangenheit mehrmals über die Forschungsarbeiten zum Lebensborn berichtet. Einige Leser ließen sich jedoch nicht überzeugen. Sie verwiesen auf einen Bericht in dem Buch "Tödliche Schatten - Tröstendes Licht" des Franzis-kanerpriesters P. Gereon Goldmann. Darin schildert der Pater sein Leben von der Kindheit in Oberhessen bis zum Kriegsende. Er war Mitglied des Franziskanerordens, studierte Theologie und Philosophie bis zum Sommer 1939. Zu Kriegsbeginn war er, wie er sich unklar ausdrückt, zusammen mit anderen Seminaristen "bei einer SS-Einheit gelandet". Hier will er erlebt haben, wie auf einem "Julfest" 1939 ein "SS-Befehl" des "Reichsführers SS" verlesen wurde, der sinngemäß nach der Schilderung P. Goldmanns lautete: "Hier spricht der Reichsführer zu seinen Soldaten. Unser glorreicher Sieg über Polen hat uns Ruhm gebracht, aber er hat auch das Blut vieler tapferer Deutscher gefordert. Diese Soldaten kehren nicht mehr nach Hause zurück. Familien verloren die Väter, Bräute ihre zukünftigen Männer. Einen solchen Verlust kostbaren deutschen Blutes müssen wir ersetzen. Der Sieg ist erst dann sicher, wenn der heilige Strom des Blutes erneuert wird. Das aber ist die Aufgabe der SS, der Elitetruppe des Führers. Wir müssen dem Führer Kinder schenken, den Strom des Blutes wieder fließen lassen. Viele edle Mädchen in der Heimat sind bereit, auf diese Weise dem Vaterland zu dienen. Jeder SS-Mann, der dazu willens ist, bekommt zu diesem Zweck Sonderurlaub. Der Staat übernimmt alle Unkosten und wird dem jeweiligen Vater eine Belohnung von 1.000 Reichsmark ausbezahlen."
Goldmann schildert, wie er auf dieser "Julfeier" tapfer seine "erste Predigt" hielt, und zwar gegen den "Befehl, Kinder zu zeugen, und damit auf die Stufe von Zuchtvieh herabgewürdigt zu werden, dem eine Prämie gewährt wird." Dadurch habe er "einen Tumult" verursacht, woraufhin "der SS-Major und sein Adjutant wortlos die Turnhalle verließen."
Tatsächlich steht in diesem "SS-Befehl für die gesamte SS und Polizei" vom 28. Oktober 1939 kein einziges Wort, das in der Weise, wie P. Goldmann es beschreibt, gedeutet werden könnte. Der Reichsführer der SS wies darauf hin, daß der Krieg das Leben vieler Soldaten kosten werde, daß er aber neben dem "betrauernswerten" Verlusten der Soldaten auch den Verlust Neugeborener mit sich bringt. Er fordert die Soldaten auf, nicht etwa nun auf Kinder zu verzichten, weil sie fürchten, im Falle ihres Soldatentodes Frau und Kind unversorgt zurückzulassen. Dazu Himmler: "Für alle während des Krieges erzeugten Kinder ehelicher und unehelicher Art wird die Schutzstaffel (SS) während des Krieges für die werdenden Mütter und für die Kinder, wenn Not oder Bedrängnis vorhanden ist, sorgen." Mit den in der damaligen Zeit üblichen Worten ermunterte er die Soldaten und die Mütter ihrer Kinder, "das Leben für Deutschland weiterzugeben".
Schon damals hat es ein gewisses Aufsehen erregt, daß Himmler keinen Unterschied zu machen schien zwischen ehelich und unehelich gezeugten Kindern, eine Auffassung, die heute niemanden mehr empören würde. Es gab von Seiten der katholischen Kirche Widerspruch, wie Himmler sich in einer Antwort am 30. Januar 1940 ausdrückte, "Nichtverstehen und Mißverstehen". Er argumentierte, daß es neben den ehelichen immer auch uneheliche Kinder gegeben habe und auch heute gebe, und wies den Verdacht zurück, er wolle mit seinem Befehl vom Oktober 1939 seine Soldaten dazu auffordern, sich an verheiratete Frauen heranzumachen. Solche Verdächtigungen bezeichnete er als "Beleidigung der deutschen Frau".
Und zwei Jahre später, am 6. April 1942, ergänzte er seinen Befehl mit einer Weisung, die den Titel trägt "Schutz der weiblichen Jugend". Darin hieß es: "Es ist eines anständigen Mannes unwürdig, ein junges, unmündiges Mädchen zu verführen, in leichtsinnigem Spiel ins Unglück zu stürzen ... Vergeßt nie, wie entrüstet ihr sein würdet, wenn eure eigene Tochter oder Schwester ruiniert werden würde." Er kündigte an, daß er "jeden in unseren Reihen rücksichtslos bestrafen werde, der die Unerfahrenheit oder den Leichtsinn eines unmündigen Mädels gemein und verantwortungslos ausnutzt".
Nichts von 1.000-Mark-Prämien, nichts von Sonderurlaub zum Zeugen eines Kindes, und man darf auch Zweifel anmelden an der Schilderung, P. Gereon Goldmann habe bei der SS-Julfeier seine "erste Predigt" gehalten gegen Himmlers unmoralischen Appell und gegen "die Herabwürdigung der Soldaten zum Zuchtvieh", zumal eine solche "Herabwürdigung" gar nicht Inhalt des Befehls war.
Es gibt noch eine andere Passage in dem Buch, die zu dem Schluß kommen läßt, daß diese Aufzeichnungen nicht als historische Quellen, sondern eher als "Dichtung und Wahrheit" aus der Kategorie der schönen Literatur zu werten sind. Pater Gereon behauptet, den Eid, der er als Soldat der Waffen-SS abzulegen hatte, habe gelautet: "Ich schwöre bei der Ehre des deutschen Blutes." Dabei hätten alle den rechten Arm zu heben gehabt. Eben dieses aber hätten die katholischen Seminaristen verweigert, weil der Eid keinen Gottesbezug enthalten habe. Vor kurzem hat Sven Lange an der Universität der Bundeswehr Hamburg eine Dissertation vorgelegt, die unter dem Titel "Der Fahneneid - Die Geschichte der Schwurverpflichtung im deutschen Militär" in die Schriftenreihe des Wissenschaftlichen Forums für internationale Sicherheit aufgenommen wurde. Auch der Eid der Waffen-SS ist darin zu finden. Er lautete: "Ich schwöre dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deutschen Reiches Treue und Tapferkeit. Wir geloben dir und den von dir bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr mir Gott helfe!"
Pater Goldmann ist vor eineinhalb Jahren gestorben. Die FAZ widmete ihm einen langen Artikel, in dem sie hervorhob, wie er als Missionar in Japan eine umfangreiche wirtschaftliche Tätigkeit entwickelte, um mit den Erlösen gute Werke zu tun. Das sei alles unbestritten. Sein seit Jahren in hohen Auflagen verbreitetes Buch jedoch kann keinen Anspruch darauf erheben, als seriöse Geschichtsquelle gewertet zu werden.
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