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Viele Jubiläen und wenig Jubel

 
     
 
Die Magie der runden Zahl macht sich in Österreich heuer besonders deutlich bemerkbar. Es geht um die Würdigung verschiedener Ereignisse vor 10, 50 und 60 Jahren, alle von großer symbolischer wie praktischer Bedeutung. Schon im Vorjahr hatten daher die Planungen begonnen. Doch eine richtige Jubelstimmung will kaum aufkommen und das nicht nur wegen der Tsunami-Katastrophe, bei der auch über hundert Österreicher den Tod gefunden haben dürften. Vielmehr liegt es daran, daß die Ereignisse selbst recht "vielschichtig" sind - um ein Modewort zu gebrauchen.

Das zeigte sich schon an der Bezeichnung: Ein "Jubiläumsjahr"? Oder schon wieder irgendein "Gedenkjahr"? Aus dem Mund von Bundeskanzler Schüssel kam - als typischer Kompromiß - ein "Gedankenjahr". Eingeleitet wurde das "Denken" mit einer Festversammlung im alten Reichsratssaal des Parlaments - in jenem Saal, der nicht wie der National
ratssaal bombenzerstört war und daher nach wie vor den imperialen Prunk der Donaumonarchie ausstrahlt. Der Kontrast zur rudimentären Souveränität des heutigen Österreich muß manchem "Denker" aufgefallen sein.

Doch was sind die eigentlichen Anlässe? Am 1. Januar 1995 trat Österreich der EU bei. Die Volksabstimmung darüber hatte eine Zweidrittelmehrheit an Ja-Stimmen ergeben - nach einer Propaganda-

walze, die eine Milliarde Schilling verschlang und letzten Endes vom Bürger selbst zu tragen war. Vorzuwerfen ist der damaligen rot-schwarzen Koalition nicht der EU-Beitritt an sich, sondern daß man den Nettozahler Österreich viel zu billig verscherbelte und die Bevölkerung mit Versprechungen abspeiste, die jeder einigermaßen informierte Mensch schon damals als haltlos erkennen konnte. Mit der angeblichen "Mitsprache" Österreichs war es demgemäß nicht weit her, etliche Sonderregelungen mußten inzwischen begraben werden, und die "Sanktionen" setzten allem die Krone auf. Kein Wunder, daß heute die meisten Österreicher in der EU mehr Nachteile als Vorteile sehen. Aber der 1. Januar ist ja schon vorbei ...

Die Ereignisse vor 50 Jahren sind weit eher Grund zum Feiern, in erster Linie die Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955. Zehn Jahre lang hatte es immer neue Frustrationen durch an den Haaren herbeigezogene Forderungen Moskaus gegeben, und bis zum Bruch zwischen Tito und Stalin hatten sogar jugoslawische Gebietsansprüche mitgespielt - Kalter Krieg eben. Doch mit Chruschtschow tat sich dann - ähnlich wie für Deutschland mit Gorbatschow - ein Fenster auf, und plötzlich war es so weit.

Ebenfalls 1955 wurden das Burgtheater und die Staatsoper wiedereröffnet und der Fernsehbetrieb aufgenommen. So wie der Wiederaufbau des Domes zu St. Stephan oder die Großkraftwerke an der Donau und in den Alpen waren dies sichtbare Zeichen einer aufblühenden Wirtschaft und Symbole neuen Selbstvertrauens - ganz anders als in der Ersten Republik 1918 bis 1938, in dem "Staat, den keiner wollte", wie ihn der Publizist Hugo Portisch treffend nannte. Wer den Aufschwung in der Nachkriegszeit miterlebte, ist heute allerdings um so mehr irritiert von Auswüchsen im "Kulturbetrieb", von der öko-ideologischen Lähmung bei allen größeren Projekten einschließlich neuer Kraftwerke und von der fremdgesteuerten Selbstzerfleischung, die sich "Vergangenheitsbewältigung" nennt.

Besonders kontrovers dürfte daher auch die "Aufarbeitung" von 1945 ausfallen: Die Wiedererrichtung der Republik noch vor Kriegs-ende unter sowjetischer Ägide. Eine "Befreiung", die vor allem, aber beileibe nicht nur, in der Sowjetzone neuen Schrecken und ständige Demütigungen brachte. Eine "Entnazifizierung", die manch Unschuldigen traf, manchem Belasteten eine steile Karriere brachte und auch manche Emigranten und sonstige Opportunisten in hohe Ämter hinaufspülte. Und natürlich die Vertreibungen und Repatriierungen - bei Kriegsende gab es auf österreichischem Staatsgebiet zwei Millionen "displaced persons"! Zusammen mit den Legendenbildungen um Staatsvertrag und Neutralität gibt es also genug Stoff für jeden Geschmack, und über manche Groteske wird im Laufe des Jahres noch zu berichten sein.

 
     
     
 
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