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Clemens Gerd (Name geändert) ist Schreiner und Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebes in der Prignitz. "Die Geschäfte gehen ja schon seit Jahren schlecht", klagt er. "Aber jetzt", so Gerd weiter, "geht es zu Ende. Dieser neuen Konkurrenz bin ich nicht gewachsen."
Die neue Konkurrenz, das sind nicht etwa die gefürchteten osteuropäischen Billigkräfte - es ist die landeseigene Beschäftigungs-Gesellschaft. Dieses Staatsunternehmen stellt langzeitarbeitslose Schreiner ein. Mit einem üppigen, aus Steuermilliarden gespeisten Budget kann die Beschäftigungs-Gesellschaft Aufträge annehmen, ohne mit Gewinn und Verlust kalkulieren zu müssen.
Um die Ex-Langzeitarbeitslosen auch wirklich zu beschäftigen, nimmt die Firma selbst Aufträge an, die sich nicht "rechnen" und unterbietet damit regelmäßig Gerds Handwerksbetrieb. Der Schreiner befürchtet, demnächst selbst bei der Beschäftigungs-Gesellschaft anfangen zu müssen. "Hier in Brandenburg gibt es bald nur noch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt. Einen ersten Arbeitsmarkt gibt es hier nicht mehr", sagt er resigniert.
Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen für den Juli liegen seit vergangener Woche vor. Die nackten, unerfreulichen Daten lauten: 326.151 Berliner und 240.634 Brandenburger sind arbeitslos. Tendenz in beiden Ländern: steigend.
Diese Zahlen werden stets unterschiedlich gedeutet. Arbeitsminister Wolfgang Clement sieht naturgemäß "positive Signale". Mit besonderem Stolz verkündete Schröders einstiger Kabinetts-Star: "Auch die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen zeigt aufwärts. Sie betrug im Juli 447.000."
Das stimmt - auf den ersten Blick zumindest. Die Menge der offenen Stellen steigt rasant. In Brandenburg waren im Juli 13.570 freie Posten gemeldet. Das entspricht einem Zuwachs von über 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. In Berlin betrug der Anstieg sogar astronomische 187 Prozent - fast verdreifacht von 7.608 auf 21.880 vakanten Positionen binnen nur eines Jahres.
Doch es ist allein der "zweite Arbeitsmarkt", der diesen Anstieg verursacht hat. In Brandenburg lag die Zahl aller offenen Stellen im April bei 15.458. Damals gab es aber mit 8.132 noch mehr ungeförderte als geförderte Jobs. Mittlerweile sind von den 13.570 zu besetzenden Stellen nur noch 5.888 ungefördert. Die Zahl der "normalen" Stellen ohne staatliche Beihilfe also geht drastisch zurück.
Noch dramatischer sieht die Situation in Berlin aus: Hier stieg der Bestand an offenen Stellen von April bis Juli zwar um fast 5.000. Der Zuwachs geht aber fast ausschließlich auf geförderte Stellen zurück. Die ungeförderten offenen Stellen liegen bei 6.968. Staatlich gefördert werden dagegen 14.912, was mittlerweile mehr als zwei Drittel der insgesamt fast 22.000 offenen Stellen entspricht.
Geförderte Stellen - das sind Jobs bei Personalserviceagenturen (PSA), in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), in Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen (BSI). Vor allem verstecken sich hinter diesem Etikett die neuen Ein-Euro-Jobs.
Sie sind der Motor des neuen "Jobwunders". Dies bestätigt Olaf Möller von der Regionaldirektion der Bundesagentur Berlin/Brandenburg, auch wenn seine Zahlen von denen etwas abweichen, die die Nürnberger Bundesanstalt für Berlin/Brandenburg bekanntgegeben hat. Das Verhältnis gefördert/ungefördert betrage in Brandenburg in etwa 50 zu 50, so Möller zurVerlegerin In Berlin käme dagegen nur ein "richtiger" Arbeitsplatz auf eineinhalb "Ein-Euro-Jobs". Möller: "Das sind vor allem Leute, die Spielplätze beaufsichtigen, Grünflächen säubern oder in der Betreuung alter Menschen tätig sind."
Verkehrsminister Manfred Stolpe, als früherer langjähriger Ministerpräsident in Brandenburg nicht unerheblich am Aufbau der Arbeitsmarktbürokratie dort beteiligt, meldete sich vergangene Woche per Interview in der Netzeitung zu Wort. Schröders "Ost-Minister" prophezeit: "Wir müssen uns angewöhnen, die Aufgabe Ost fair und nüchtern zu betrachten. Das fängt damit an, daß alle erkennen und zur Kenntnis nehmen, daß dieser Prozeß 30 Jahre dauert." Clemens Gerd ist dann wohl pleite.
"Dieser Konkurrenz bin ich nicht gewachsen": Mit den Preisen der staatlich geförderten Ein-Euro-Jobber können "normale" Betriebe nicht mithalten |
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