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Von ausländischen Heuschrecken bedroht

 
     
 
Im Jahr 2005 traten die „Heuschrecken“ auf – und es war durchaus umstritten, ob sie nun Plage oder Segen darstellen. Auf jeden Fall sind die sogenannten Private-Equity-Firmen aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken. Nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Kapitalsbeteiligungsgesellschaften (BVK) sind diese Finanzinvestoren
hier zu Lande an fast 6000 Unternehmen mit über 600000 Mitarbeitern beteiligt. Beliebte Tätigkeitsfelder sind Bayern, NRW und Baden-Württemberg. Und sowohl Kritiker als auch Befürworter dieser Erscheinungsform des angelsächsischen Kapitalismus lassen keinen Zweifel daran: 2006 wird für die Private Equities ein noch besseres Jahr.

Worauf stützt sich der Optimismus dieser Branche? Beim BVK gibt man sich auf Anfrage bedeckt. Man könne keine Unternehmensnamen aus Baden-Württemberg nennen, da man auch über keine Informationen über Übernahmekandidaten verfüge. Doch das „Ländle“ sei ohne Zweifel sehr attraktiv: „Baden-Württemberg verfügt über eine starke mittelständische Wirtschaftsstruktur und viele Familienunternehmen. Damit bieten sich viele lohnende Investitionsmöglichkeiten für Beteiligungsgesellschaften an. Entgegen einigen Unkenrufen, daß Private-Equity-Investoren den Unternehmen Schaden zufügen, hat sich inzwischen die Meinung durchgesetzt, daß sie langfristig überwiegend positive Effekte für die Partnerunternehmen bringen, diese bei der unternehmerischen Weiterentwicklung unterstützen und langfristig volkswirtschaftlich positive Investitions- und Arbeitsplatzeffekte erzeugen“, so die BVK-Geschäftsführung.

Diese Meinung stößt auf Skepsis. Das Geschäft der Private-Equity-Anbieter boomt in Deutschland erst seit dem Jahr 2000. „Die ausländischen Finanzinvestoren können viel versprechen. Sie können zum Beispiel zusagen, daß sie ein Unternehmen gewinnbringend an die Börse bringen oder ein marodes mittelständisches Unternehmen wieder sanieren. Doch die Zeit war bisher zu knapp, um diese langfristigen Ziele einem Praxistest zu unterziehen“, sagt ein Brancheninsider, der auf gescheiterte Fälle wie bei der „Bosch“-Tochter „Tenovis“ oder dem Müllkonzern „Grüner Punkt“ verweist. „Autoteile Unger“ und der Geldautomatenhersteller „Wincor Nixdorf“, der mittlerweile erfolgreich an der Börse positioniert wurde, gelten als positive Gegenbeispiele, wo einige hundert Jobs geschaffen wurden.

Im Jahr 2005 entfielen 35,7 Prozent des Investitionsvolumens der Finanzinvestoren auf Baden-Württemberg. Die schwedische Investmentgesellschaft „EQT Partners“ übernahm „MTU Friedrichshafen“ für 1,6 Milliarden Euro und stach dabei den US-Investor „Kohlberg Kravis Roberts“ (KKR) aus. KKR, so ein Zeitungsbericht, gleiche wohl am ehesten einer „Heuschrecke“. Bei dem Triebwerkhersteller „MTU Aero Enginges“ in München – einer früheren Muttergesellschaft von „MTU Fried-richshafen“ – habe KKR schnell an der Börse Kasse gemacht, Gelder für Forschung und Entwick-lung gekürzt und rund 700 Mitarbeiter entlassen. Weitere bekannte Beispiele für das Engagement von Finanzinvestoren sind „Kabel Baden-Württemberg“, die Automobilzulieferer „Mahle“ aus Stuttgart und „Schefenacker“ aus Esslingen sowie der schwäbische Telekom-Dienstleister „Debitel“. Bei „Kabel Baden-Württemberg“ gab es Ende letzten Jahres Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsleitung. Wie die Presse berichtete, gipfelte der Streit in der fristlosen Kündigung aller Betriebsräte. Hintergrund der Entlassungen: Der Betriebsrat habe der Einführung einer Telefonanlage, welche die Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Beschäftigten ermöglichte, nicht zugestimmt. Außerdem haben Finanzinvestoren begehrliche Blicke auf „Märklin“ aus Göppingen, den größten Modelleisenbahn-Hersteller der Welt, gelenkt. Die Marke genieße Kultstatus und übe seit Jahren eine magnetische Wirkung auf Firmenjäger aus, schrieb das „Manager-Magazin“.

Obwohl das Traditionsunternehmen pflichtgemäß dementierte, kocht die Gerüchteküche munter weiter. Schließlich hat der Weltmarktführer angeblich mindestes 60 Millionen Euro Schulden, so daß die größten Gläubiger wie die „Landesbank Baden-Württemberg“ und die „Kreissparkasse Göppingen“ wohl nichts gegen einen finanzkräftigen Investor einzuwenden hätten. „Doch Namen hört man nie, sonst sind die verbrannt“, so ein Brancheninsider.

Ähnlich vorsichtig dürfte „Daimler-Chrysler“-Chef Dieter Zetsche bei der Partnersuche für die unprofitable Kleinwagensparte „Smart“ vorgehen. An einem Komplettkauf des „Smart“ dürften chinesische Autobauer und Finanzinvestoren interessiert sein.

Eine andere Möglichkeit, die Nachfolgeproblematik bei Mittelständlern zu lösen, stellt die „Indus Holding AG“ dar. Dort verfahre man nach der Devise „buy and hold“ (Kaufen und Halten), erläutert Vorstandschef Helmut Ruwisch. „Unsere Beteiligungsholding kauft nur gut im Markt positionierte Unternehmen und behält ein solches Unternehmen dann in der Regel für rund zwölf Jahre im Bestand“, so Ruwisch. „Indus“ belasse die unternehmerischen Entscheidungen vor Ort und sei nicht daran interessiert, möglichst schnell eine möglichst hohe Rendite per Exit zu erwirtschaften. Dies könnte ein Modell sein für die zahlreichen schwäbischen Familienunternehmer, die im eigenen Haus keinen Nachfolger finden und sich vor einer Zerschlagung ihres Lebenswerkes fürchten. Der ideale Finanzin-vestor sollte bis zu zehn Jahren in einer Firma verbleiben. Die Finanzinvestoren, die im vorigen Jahr vor allem Jagd auf Maschinenbauer und Konsumgüterhersteller machten, bleiben in der Regel höchstens fünf Jahre. Man kann also nicht alle Finanzin-vestoren über einen Leisten spannen: Manche sind reine Schnäppchenjäger und verfahren nach der Devise: Kaufen, ausschlachten, umkrempeln und verramschen.

Gegensätzliche Positionen beziehen das baden-württembergische Wirtschaftsministerium und die Gewerkschaften. Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) ist der Ansicht, mit Beteiligungskapital finanzierte Unternehmen schafften deutlich mehr Arbeitsplätze und investierten mehr in Forschung und Entwicklung. Pfister zufolge braucht das Land eine Prise angelsächsischen Kapitalismus: „Die entwickelten ,Private-Equity-Märkte‘ USA und Großbritannien zeigen, daß Private-Equity-Fonds keinesfalls ein Land abgrasen, um dann weiterzuziehen.“

Der DGB-Bezirk Baden-Württemberg kann das nicht nachvollziehen. Zwar gebe es auch positive Beispiele für das Engagement der Private-Equity-Firmen. Aber grundsätzlich sei nicht der Erhalt von Firmen und Arbeitsplätzen das Ziel, so ein DGB-Sprecher, sondern der höchstmögliche Profit.

Jobvernichter oder -erhalter? Für beides gibt es Beispiele

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