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Agenten im falschen Film

 
     
 
Schlechte Agentenfilme kennt der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Uhrlau, zur Genüge. Jetzt steckt er selbst mittendrin in so einem Stück um Pressefreiheit und mehr. Die Übeltäter: BND-Agenten, wer sonst. Schließlich haben Spione Dunkelmänner zu sein.

Ungewöhnlich ist, daß der Geheimdienst-Chef alles auf die Karte Öffentlichkeit setzen will. Seine Agenten hatten, soviel ist aus dem Untersuchungsbericht des früheren Bundesrichters Gerhard Schäfer über die Folgen einer Geheimnisverrats-Affäre bekannt geworden, einige Journalisten bespitzelt - vorwiegend Presseleute, die interne
Berichte und Vorgänge aus dem Nachrichtendienst erfahren und veröffentlicht hatten. Darunter auch der pittoreske Plutonium-Skandal von 1995. Damals hatten V-Leute des BND radioaktives Material von Waffenschmugglern ankaufen und mit einer Lufthansa-Maschine nach München schmuggeln wollen. Wozu die "Operation Hades" dienen sollte - wirklich nur ein Wahlkampf-Trick oder doch eine Aktion, um internationalen Waffenhandel mit Atombomben-Material aufzudecken - blieb unbekannt. Jedenfalls war der BND ins Mark getroffen und zog offensichtlich alle Register, um den Verrat aus den eigenen Reihen zu unterbinden.

Seit klar ist, daß bei diesen Ausforschungen vorwiegend Berufskollegen der Redakteure und Reporter die Arbeit für den BND machten, ist die Empörung in den Medien über den Tabubruch besonders groß. Aber über wessen Tabubruch? Uhrlau möchte, ganz gegen die Gewohnheiten eines Geheimdienstmannes, den Bericht mit allen Einzelheiten veröffentlicht sehen. Das wird zwar unangenehm tiefe Einblicke in die Arbeitsweisen der Auslandsaufklärung erlauben und Verantwortliche identifizieren. Aber nach der Veröffentlichung des Schäfer-Berichts werde mehr über die Rolle der Presse in der ganzen Affäre diskutiert, läßt sich Uhrlau zitieren.

Daß es falsch, ja rechtlich angreifbar war, die Journalisten direkt auszuforschen, ist inzwischen auf allen Etagen des Bundesnachrichtendienstes angekommen. Bisher war der BND allein auf das Koppelwort Affäre abonniert. Nun lebt der BND-Chef in Schicksalsgemeinschaft mit Chefredakteuren diverser Medien, die Tag um Tag neue Enthüllungen fürchten müssen. Eines ist sicher: Agenten in der Redaktion oder im Mitarbeiterstamm fördern nicht gerade das Ansehen des Blattes oder des Senders. Und ebenso scheint sicher, daß noch längst nicht alle Einzelheiten auf dem Tisch sind - die Affäre geht weiter. Und es muß ja nicht nur um Spitzel gehen, die auf der Gehaltsliste des Bundesnachrichtendienstes stehen oder standen.

Für Journalisten liegen die Dinge wenigstens theoretisch klar: Nach dem Kodex des Presserates, dem sich seriöse Journalisten freiwillig unterstellen, heißt es deutlich: "Nachrichtendienstliche Tätigkeiten von Journalisten und Verlegern sind mit den Pflichten aus dem Berufsgeheimnis und dem Ansehen der Presse nicht vereinbar." Der Sprecher des Presserates, Fried von Bismarck, erinnerte unter dem Eindruck des jüngsten Geheimdienst-Skandals die Presse noch einmal unmißverständlich an die Hausordnung. Auch der Deutsche Presserat verlangt übrigens, daß alle Fakten des Schäfer-Berichts auf den Tisch kommen.

Die strikte Trennung von Journalismus und Nachrichtendienst, also Spionage, ist nicht allein berufliches Ethos, das in der Aufgabenverteilung einer Demokratie wurzelt. Seit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in den 70er Jahren in Helsinki haben sich die Pressevertreter weltweit mehr und mehr Respekt und freien Zugang zu Informationen verschaffen können - doch nicht überall: In undemokratischen Regimen wird selbstbewußter Journalismus schnell zur Mutprobe. DDR, Sowjetunion und andere Diktaturen hatten Journalisten oft genug sofort zu Agenten fremder Mächte erklärt und eingesperrt. Die Distanz zu den Spionageorganisationen hat - neben dem demokratischen Selbstverständnis - auch ganz praktische Gründe.

Das es in der Praxis gelegentlich anders aussieht, wird in der aktuellen Aufregung von vielen Medien ausgeklammert. In der Tat wird kein Journalist, der Geheimdienst-Affären recherchiert und Spionage-Interna veröffentlichen möchte, so blauäugig sein und glauben, die Nachrichtendienste ließe dies völlig kalt. Er muß damit rechnen, daß man an seine Quellen kommen möchte. Man kann nicht den Tiger reiten, ohne nach Raubtier zu riechen.

Journalisten dürfen, aus gutem Grund, ihre Informanten schützen und notfalls vor Gericht die Aussage verweigern. Und die meisten Profis wissen auch, wie man das macht. Mit normalen Ermittlungsverfahren kommen die Behörden also nicht weiter.

Zu den Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes gehört alles, was sich mit dem ranken Begriff Auslandsspionage umschreiben läßt. Der Dienst hat Informationen über sicherheitsrelevante Vorgänge jenseits der Landesgrenzen zu beschaffen, die nicht zuletzt der Terrorabwehr dienen sollen. Ein Leck in der Geheimhaltung kann für den Nachrichtendienst zum existentiellen Problem werden. Die befreundeten Geheimdienste des Westens tauschen regelmäßig Informationen aus, allerdings nur solange, wie die Geheimhaltung gesichert ist. Das muß man respektieren, auch in den Zeitungsredaktionen. Und das kann auch erklären, warum wegen der Plutonium-Affäre von 1995 Großalarm herrschte.

Entscheidend in der aktuellen Affäre wird sein, die Rolle der sich als Agenten verdingenden Journalisten zu bewerten. Die peinlichste aller Spätfolgen wird sein, wenn die Spitzel-Redakteure in den Re-daktionen Desinformation im Auftrag von Geheimdiensten betrieben haben sollten.

Das war übrigens eine Spezialität des einstigen DDR-Geheimdienstes HVA, der den Westmedien über seine Einflußagenten gefälschte Unterlagen zugeschoben hatte. Die Desinformationskampagnen hatten in den 70er Jahren ihren Höhepunkt erreicht - und mit dem damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke auch das Staatsorgan Nummer eins angegriffen. Die Zeitschriften, die sich verdingten, sind inzwischen fast gänzlich vom Markt verschwunden und auch keiner Erinnerung mehr wert.

Ans Pult zitiert: Auf BND-Chef Ernst Uhrlau kommt ungewollte Aufmerksamkeit zu
 
     
     
 
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