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Erst im März 1941 zog Margarete Lorenz mit den Kindern für kurze Zeit in die ostdeutsche Hauptstadt um: "Meine Familie ist eben gut hier angekommen, da Winzige ist entzückend, überoptimales Kindchenschema, zum Aufessen. Ich habe die größte Freude damit." Mitte April 1941 ließ Lorenz Stresemann wissen, daß er sic "merkwürdig stark über die Ernennung" zum ordentlichen Professor gefreut habe und ansonsten froh sei, daß nach dem langen ostdeutschen Winter das Eis auf de städtischen Gewässern breche: "Die Enten schwimmen behend zwischen de Eisschollen". Hinter solchen Briefinhalten scheint die weltanschauliche und aktuel politische Dimension der Königsberger Zeit ganz zurückzutreten. Zwar bekennt er nach de Besetzung Athens im April 1941: "Die Fahne auf der Akropolis hat doch wa Ergreifendes" und hofft, daß "die Engländer beginnen, jetzt langsam übl Ahnungen zu kriegen", doch zuvor hatte er nach dem Soldatentod eines Freundes übe die "verkehrte Selektion im modernen Krieg" geklagt und im Interesse der eigene Forschungen und der Arbeiten im Profil gewinnenden Schülerkreis (Alfred Seitz, Pau Leyhausen) immer wieder auf baldigen Frieden gehofft: "Wenn der verdammte Krieg nich wäre, könnte man großzügiger arbeiten".
Wer außerhalb dieser Korrespondenz und publizierter Aufsätze aus jenen Jahren nac politischen Motiven sucht, muß fast schon in die Königsberger Lokalgeschicht hineinleuchten. Dort findet er, Mitte Februar 1941 ein "PZ-Gespräch mit Professor Lorenz". Ob de Reporter einige Aussagen verschärft, ob er Lorenz Aussagen nur wortgetre kolportiert, ist heute nicht mehr zu ermitteln. Jedenfalls mußte der Leser den Eindruc gewinnen, daß die so idyllisch anmutenden Enten-Beobachtungen auf Königsberger Teiche geradewegs ins ideologische Zentrum der NS-Rassenpolitik führten: Lorenz Forschungen seien von "größter Bedeutung für die wissenschaftliche Unterbauung de Pflege unserer heiligsten rassischen, völkischen und menschlichen Erbgüter". De Gelehrte erteilte zudem Auskunft über die sozialpsychologische Komponente seine Tierversuche: Für den Menschen ergäbe sich daraus die rassepolitisch wichtige Frage welche seiner Eigenschaften angeboren, welche erzieherisch beeinflußbar seien. Wa wiederum Aufklärung verspreche über die "Ursachen mancher bedrohliche Verfallserscheinungen im Verhalten zivilisierter Menschen" und Fragen de "rassischen Auslese".
"Bis auf den letzten Platz gefüllt", so die PZ Anfang April 1941, war de Vortragssaal des Zoologischen Museums, als Lorenz vor den Mitgliedern des in Königsber tagenden Reichsbundes der Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde sein Forschungsergebnisse präsentierte. Mit den im PZ-Interview geäußerten Ansichten hatt sich Lorenz Ende Oktober 1940 schon vor der altehrwürdigen Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft zum Thema "Haustier und Zivilisationsmensch" vernehmen lassen. Dor führte er aus, daß "domes tikationsbedingte Veränderungen arteigenen angeborene Verhaltens auf sozialem Gebiet schwerste Störungen" zur Folge hätten. Lorenz warnt davor, daß dies beim Menschen dazu führe, höher differenzierte soziale Reaktione abzubauen: "Das Zugrundegehen von Kulturvölkern, die das Stadium der Zivilisatio erreicht haben, wie es in der bisherigen Weltgeschichte regelmäßig eintrat, hat sein Ursachen in eben dieser ,Korruption". In diesem Stadium würden asozial Elemente den noch gesunden Völkskörper wie eine Krebsgeschwulst zerstören. Mithi könne ursächliche Erforschung der Domestikationsfolgen vielleicht die Mittel liefern die "katastrophalen Zivilisationsfolgen an unserem eigenen Volk weltgeschichtlic erstmalig zu verhindern."
Die taz kam dann Ende 1941 anläßlich ihrer ausführliche Berichterstattung über eine von der Königsberger Kant-Gesellschaft veranstaltete Vortragsreihe: "Zur Theorie der menschlichen Natur" wieder auf die politische Aspekte der Zusammenarbeit zwischen den beiden Referenten Lorenz und Baumgarten zurück In ihrem "in Deutschland einmaligen Institut" werde die Annäherung von Biologi und Philosophie nachhaltig gefördert, was die Grundlagen der biologischen Denkweis festige. Und gerade Lorenz Domestikationsforschung finde bereits Anwendung auf de Menschen.
Mehr als nur regionale Resonanz erhielten solche Erwartungen durch einen Artikel in de um die Meinung des europäischen Auslandes werbenden Wochenzeitung "Das Reich" Darin heißt es im November 1941: Lorenz komme von tierpsychologischen Forschungen her zu einer Anschauung vom asozialen Menschen, die der Aufmerksamkeit wert sei. Die von ih untersuchten Domestikationsfolgen und die soziale Entdifferenzierungen in der moderne Zivilisation wiesen auf parallele biologische Abläufe. Daher rede man zutreffend vo asozialen Menschen als Schädlingen der Volksgemeinschaft, die sie wie eine Krebskrankhei befielen. Auf diese Weise transportierte Lorenz jene vom Reichsforschungsrat finanzierte Untersuchungen über "Domestikationsbedingte Störungen arteigenen Verhaltens" deren weitere Unterstützung er im Januar 1942 von Königsberg aus mit Erfolg beantragte ins Politische. Die gesellschaftliche Bedeutung tierpsychologischer Forschung stand woh auch bei dem Vortrag im Vordergrund, der zugleich eine auch in Posen fortdauernd Verbindung zur Albertina dokumentiert: Im Rahmen der Wehrbetreuung referierte Lorenz nebe Baumgarten und Ipsen im Oktober 1943 in Dorpat vor Soldaten der Heeresgruppe Nord über "Die biologischen Grundlagen der Psychologie".
Auf den Königsberger Spuren von Konrad Lorenz scheinen sich nur weitere Belege fü jene zu Beginn dieses Beitrags zitierten moralischen Verurteilungen angefunden zu haben Ausgehend von einem kurzen Aufsatz über "Systematik und Entwicklungsgedanke in Unterricht", erschienen 1940, kann man jedoch auch zu Interpretationen gelangen, die eine spezifische Verwandtschaft zwischen den weltanschaulichen Implikationen de vergleichenden Verhaltensforschung und der NS-Ideologie recht fraglich erscheinen lassen Der Aufsatz erschien in der Zeitschrift "Der Biologe", dem Organ de Reichsbundes für Biologie. Lorenz firmiert dort als Sachbearbeiter für Psychologie un Zoologie, seine Kollegen Koehler und Kurt Mothes leiteten die Königsberger Ortsgruppe des Bundes. Der Aufsatz enthalte Stereotypen einer genuin "linken" Aufklärungsideologie: Den Antiklerikalismus, den Lorenz schon 1938 in seinen Ausfälle gegen die "schwarzen Schweinehunde" offenbarte, das unbegrenzt Vernunftvertrauen und das wissenschaftsstolze Forscherpathos, den Fortschrittsoptimismus der sich gegen den "Kulturverfall" stemmt, die utopistische Glücksverheißun der "höherentwickelten" Menschheit. Mit dem Pragmatisten Baumgarten teilt Lorenz zudem den "Wahrheitsbegriff der biologischen Philosophie": Absolut Wahrheiten und Dogmen seien wissenschaftlich unhaltbar. "Wahrheit als menschliche Wahrsein ist nur möglich in der Weise eines nie aussetzenden Dialogs" (Baumgarten) Das war schlechterdings unvereinbar mit dem "granitenen Fundament", auf de unveränderlich Adolf Hitlers Weltanschauung beruhte. Ebenso mit de NS-Geschichtsphilosophie vom unaufhebbaren Rassenkampf. Als echter Berührungspunkt bleib die sozialdarwinistische Idee der "Aufartung". Aber auch diese sozial- un rassenhygienische Machbarkeitsideologie weist eher auf Ursprünge im westeuropäische Aufklärungsdenken. Nicht zufällig trafen mit Baumgarten und Lorenz zwei Forsche zusammen, die einen Teil ihrer Studienzeit in den USA verbracht hatten. Wenn man die Königsberger Zeit Lorenz also vom Nationalsozialismus geprägt sehen will, dann vo jener ganz unspezifischen Strömung, die man die alternative oder "NS-Moderne" genannt hat und als deren Verkörperung der Technokrat Albert Speer gilt. Lorenz Kritiker Bischof räumt denn auch ein, daß er "ziemlich sicher kein Rassist" gewesen sei und sich bei ihm "keinerlei Anzeichen eines nennenswerten Antisemitismu fänden.
In dieser Perspektive ist auch Lorenz Beteiligung an "psychotechnische Untersuchungen von Anlagen verschiedener Volkselemente" in Posen zu sehen. De Baltendeutsche Rudolf Hippius hatte Lorenz neben dem Königsberger Dozenten Kurt Leide und zeitweise in Königsberg lehrenden Philosophen Kurt Stavenhagen dazu verpflichtet Daß die Resultate ihrer Forschungen über deutsch-polnische "Mischehen" ein technokratisch verstandene, bevölkerungspolitische "Entmischung" des Warthegau flankierten, ist nicht zu bestreiten. Daß Lorenz sich dabei besonders profiliert habe oder daß er die praktischen Folgen erkannt haben könnte, erscheint aber zumindes zweifelhaft.
In einem an Stresemann gerichteten Feldpostbrief vom 24. Mai 1944, geschrieben in Mittelabschnitt der Ostfront, vier Wochen vor seiner Verwundung und Gefangennahme be Witebsk, übergeht er die "Mischlings"-Erhebungen und erwähnte nur jene Posene Erfahrungen, die ihn etwas auf seine neue Tätigkeit als Feldarzt vorbereiteten. Dami werden zugleich Relationen deutlich, da neben der psychiatrischen Hauptaufgab Lorenz Beteiligung am Hippius-Projekt wie eine Feierabendbeschäftigung wirkt "Seit im Juni 42 die Heerespsychologie eingestampft wurde, bin ich Arzt, und zwa Neurologe und Psychiater in Posen. Das habe ich in den fast zwei Jahren gut gelernt, d Voraussetzungen in Gestalt von Anatomie und Physiologie des Zentralnervensystems gegebe waren. So schön und lehrreich meine Tätigkeit in neuropsychologischer Hinsicht in Pose war, so anstrengend war sie. Ich hatte außer einer psychiatrisch-neurologischen Ambulan (mit vierzig Patienten pro Tag) eine der größten Hysteriker-Heilungsstationen der ganze Wehrmacht, fast völlig selbständig. Sie können sich denken, wieviel ich da gelern habe. Nur war eben die Arbeit so viel, daß ich bei dem mäßigen Futter auf 72 Kilo vo 100 abgenommen habe. Hier geht es mir glänzend. Ich bin faul, gefräßig, aber nich feig, und wenn es mal fast vor und um meinen Bunker rumst, was schon vorkam, s kriege ich erheblich weniger leicht weite Pupillen und Stielaugen als alle anderen. Dabe lebe ich am Rande eines herrlichen Waldes, mit dem reichsten Vogelkonzert, das Sie sic denken können. Einmal habe ich mich vor einem Sprosser auf den Bauch gelegt, was ic sonst nicht so leicht tue. Ich stand nachts vor meinem Sanitätsbunker auf der Rollbahn die dauernd von lieben Iwan etwas beast wird. Auf einmal pfeift es ganz nah tin-tin-tintintin und patsch lag Papa auf dem Bauch im Dreck! Erst dann merkte ich, da es ein Sprosser war, der pfiff." Weiter berichtet Lorenz: "Hier vorne habe ic inzwischen schon Zeit gefunden, das Exposé meines Buches ... und Einleitung und I Kapitel zu schreiben. Dann rumste es gerade in den paar Kilometern Front, und ich hatt zur Abwechslung 30 Stunden aufregendste pausenlose Dauerarbeit, aber mit seh befriedigendem Erfolg." Er schrieb an der Front also bereits an jenem Text, der fas 50 Jahre nach seiner Ausarbeitung in sowjetischen Lagern als das "Russisch Manuskript" aus dem Nachlaß des Forschers herausgegeben worden ist. Diese Manuskript brachte Lorenz im Februar 1948 aus der Kriegsgefangenschaft mit zurück. Au Altenberg erreichten Stresemann im April 1948 folgende Zeilen: "Da bin ich wieder Etwas grau, aber durchaus ungebrochen und mit einem dicken Buchmanuskript unterm Arm. Ic bin in Gefangenschaft wirklich hoch anständig behandelt worden. Ich finde es großartig daß ich den ersten Band ,Einführung in die Vergleichende Verhaltensforschung nich nur fertig geschrieben, sondern auch offiziell mit nach Hause nehmen konnte. Und dabe habe ich mit meinen Freunden ausgesprochenes Glück, Alfred Seitz, Gustav Kramer, vo Host, Tinbergen (war im KZ erheblich gefährdet), Baumgarten, Koehler, sind alle sam Familien gut durchgekommen."
Grundgedanken des "Russischen Manuskripts" gehen in das Alterswerk "Di Rückseite des Spiegels" von 1973 ein. Die Widmung dieses Buches dokumentiert eine um es in der Begrifflichkeit der Verhaltensforschung zu sagen, über Jahrzehnte resistent "Prägung" durch die kurze Tätigkeit an der Albertina. Sie lautet: "De Erinnerung an Königsberg gewidmet sowie meinen Freunden, vor allem Otto Koehler un Eduard Baumgarten. Schluß
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