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Wären die Zeiten normal, dann hätte die Idee, im 16. Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands nach institutioneller Zukunft und programmatischer Ausrichtung der Bundesbehörde für die Stasiunterlagen in Berlin zu fragen, durchaus seine Berechtigung; aber die Zeiten sind nicht normal. Und so können die versammelten Vorschläge einer noch von der rot-grünen Bundesregierung eingerichteten "Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichts
verbundes ‚Aufarbeitung der SED-Diktatur ", das heißt zur Abwicklung der einstigen Gauck- und jetzigen Birthler-Behörde, nach ihrem Vorsitzenden auch "Sabrow-Kommission" genannt, nur alle Alarmglocken auf einmal schrillen lassen. Denn in und mit dem 21seitigen Dokument zeigt sich, daß die jahrelange, in letzter Zeit jedoch immer dreister geführte Kampagne zur Relativierung der verbrecherischen Diktatur der kriminellen Organisation SED durch ihre Nachfolgeorganisation PDS Wirkung bis tief in das Parteien- und Geschichtswissenschafts-Establishment der Berliner Republik gezeitigt hat.

Aber auch der Umstand, daß das Kommissionsergebnis - mitsamt dem abweichenden Votum der DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier - nun in die Kompetenz eines CDU-Ministers, des Staatsministers für Kultur Bernd Neumann, fällt, kann ganz und gar nicht beruhigen, angesichts der Geschwindigkeit, mit der seine Partei unter Bundeskanzlerin Angela Merkel freiheitlich orientierte Positionen im Wahlkampf der Koalitionsräson opfert.

Die Sabrow-Kommission war 2005 von Kulturstaatsministerin Weiß eingerichtet worden. Ihr Staatssekretär Nevermann (SPD), ein unvermischtes 68er-Produkt, trotz des betont bürgerlich-hanseatischen Habitus, sorgte schon im Ansatz dafür, daß der von ihm und verwandten Relativierungsgeistern aus der alten Entspannungs-SPD intendierte "Paradigmenwechsel" bei der "wissenschaftlichen und musealen Auseinandersetzung mit dem SED-Regime", wie die "FAZ" schreibt, durch Ansiedlung der Kommission beim "linksorientierten Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam" garantiert wurde. Sabrow selber hat sich als revisionistischer Charakter bekannt, da er für die DDR-Aufarbeitung den "vorwiegend entlarvenden Gestus, der besonders in den 50er und dann wieder in den frühen 90er Jahren vorherrschend war", ablehne. Auch zieht Sabrow, ebenfalls laut "FAZ", "seit Jahren gegen die Kennzeichnung der DDR als totalitäre Diktatur zu Felde" und ließ sich soeben vom Berliner PDS-Kultursenator Flierl für das Projekt eines "Museums des Kalten Krieges" requirieren, das dem bei der neostalinistischen deutschen Linken wegen seiner ungebrochen antitotalitären Grundausrichtung so verhaßten "Haus am Checkpoint Charlie" zukünftig Erinnerungs-Paroli bieten soll.

Um so wichtiger ist der weiterhin freie Zugang zu den Akten des MfS, vor allem aber ihre starke Präsenz im Rahmen einer unübersehbaren Behörde, der auch symbolpolitisch Gewicht zukommt und so zu einer hohen Bewußtseinspräsenz des Materials und seiner politischen Voraussetzungen wie Ziele beiträgt.

Das Verschwinden des Materials der Behörde im Bundesarchiv, wie mittelfristig von der Kommission vorgeschlagen, nebst anderen Aufarbeitungsinstituten, darunter eine Art "Verniedlichungs"-Museum zur Präsentation von "DDR-Alltags-Kultur", wäre in der Konsequenz für das öffentliche Bewußtsein gleichbedeutend mit der Unterschlagung von Beweismaterial. Darum geht es der PDS und ihren intellektuellen und politischen Kollaborateuren aus der westdeutschen Entspannungs-Tradition. Denn eine weichgezeichnete DDR-Geschichte läßt nicht nur die SED-Erben besser aussehen, auch die geistig-moralischen Verratshandlungen westdeutscher Politiker, Wissenschaftler, Theologen und Journalisten vor dem Mauerfall würden dadurch verblassen, und übrig bliebe das beide Interessenten verbindende "Antifaschistentum", das die politischen Diskurse der Bundesrepublik von Tag zu Tag mehr mit dem Leichengift Stalins infiziert.
 
     
     
 
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