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Basar der Legenden

 
     
 
Sie, die Österreicher, erkannten ihre menschliche Pflicht umgehend und handelten Jetzt wollte ein Kanzler Schröder sie nicht sehen, der bis zuletzt für Abschaffung de Erfassungsstelle Salzgitter eingetreten war. Jener von den Ländern getragene Institution, die entscheidend dazu beitrug, das schwere Los politischer Gefangener in de DDR zu erleichtern, indem es ihre Fälle dokumentierte und bekanntmachte. Es ist in unzähligen Berichten von Betroffenen belegt, daß sich ihre Haftbedingungen schlagarti besserten, sobald bei den DDR-Behörden ruchbar wurde, daß "Salzgitter" Bescheid wußte.

Gerhard Schröder
wollte nicht nur die Einheit nicht, er wollte auch die Instrument praktischer Humanität zerstören.

Das sind die Geschichten, die heute nicht mehr erzählt werden sollen. Politiker, au deren Mund unablässig Vokabeln vom "Aufarbeiten der Vergangenheit", vo "Verstrickung" und "Schuld" hervorsprudeln, reagieren bei "Aufarbeiten" ihrer historischen Rolle entlarvend gereizt – wie Ertappt eben. Eine Jugend, die politisch gesehen überhaupt noch keine Vergangenheit haben kann mahnen sie mit der Moralkeule bewaffnet, tagein, tagaus "aus der Geschichte zu lernen" und Scham zu demonstrieren. Auf die eigene Vergangenheit angesproche vermelden Politiker scharenweise, daß doch schließlich jeder mal Fehler macht, nich wahr?

Besonders dreist folgt auf derlei Ausflüchte nicht selten die Behauptung, wir hätte doch alle nicht mehr an die Einheit geglaubt. Dies ist schlicht Lüge, indes weiß de Verfasser dieser Zeilen noch allzugut, was Deutsche, die in der 80er Jahren öffentlich a die Einheit "glaubten" und entsprechende Forderungen an die hohe Politik vo Bund und Ländern stellten, erleben mußten. Spinner und Träumer waren noch die mildeste Verdikte, die überwiegend aus dem Lager von Union und FDP stammten. Auf der politische Linken war längst ein Prozeß der Verteufelung von Einheitsbefürwortern in Gan gekommen. Wie hätte sich dieser Trend weiterentwickelt, wenn die Revolution 198 ausgeblieben wäre, die Teilung noch zehn oder mehr Jahre weiterbestanden hätte? Kei Zweifel: Die Befürwortung der deutschen Einheit hätte eine medial dominierende Link schon bald als Ausdruck demokratie- und friedensfeindlicher Rechtsradikalität denunziert Ein Blick auf die derzeitige Kampagne "gegen rechts" (und eben nicht blo rechtsextrem) nährt überdies die Befürchtung, daß Einheitsbefürworter bald auch vo der Union kaum noch Unterstützung hätten erwarten dürfen. Die Absetzbewegungen vo Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz waren in den Reihen der CDU Ende der 80er Jahr bereits unübersehbar. Nicht allein der Name Geißler steht für jenen Irrweg. Altkanzle Kohl hatte recht, als er den Menschen in Mitteldeutschland das Verdienst zuwies, diese fatalen Entwicklung abrupt ein glückliches Ende gemacht zu haben.

Noch 1987 indes Kohl bügelte den damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Bernhar Friedmann ab, als dieser neben dem Bemühen um menschliche Erleichterungen auch ein "operative Wiedervereinigungspolitik" einforderte. "Blühender Unsinn" sei das, so Kohl damals. Und weiter: Die deutsche Einheit stehe "nicht auf de Tagesordnung der Weltpolitik", sondern sei bestenfalls "eine Aufgabe fü kommende Generationen". So richtig und berechtigt es war, SPD und Grüne auf ihr verheerende Rolle in der Deutschlandpolitik hinzuweisen, so sehr hätte man sich auc über ein wenig Selbstkritik aus dem Munde des Pfälzers gefreut. Solche Worte wäre nicht nur der Wahrheit dienlich gewesen, sie hätten auch die hysterischen Vorwürfe vo Rot-Grün, Kohl belaste den Tag der Einheit mit kleinlichem Parteiengezänk, glat entkräftet.

So bleibt erneut eine ehrliche Aufarbeitung der westdeutschen Deutschlandpolitik – von Adenauers Umgang mit den Stalin-Noten, der Brandtschen Ostpolitik und de Milliardenkredit des Franz Josef Strauß bis hin zu der schmählichen Rolle der Linke oder dem Inhalt der geheimnisvollen "Rosenholz-Akten" über westdeutsch Stasi-Zuarbeiter – bis auf weiteres ein Wunschtraum. Was wir genau kennen, ist in aller Regel nur das oberflächliche Geschehen, und da schneidet Kohl allemal besser ab als seine alten und neuen Widersacher.

Die Zeit um den zehnten Jahrestag der neuen Berliner Republik war angefüllt mit eine Schwemme öffentlicher Diskussionen. Das meiste waren Rechtfertigungen Selbstglorifizierungen oder der Versuch, die gesamte eigene Politik vor 1989 – nachträglich – zu einem einzigen, gezielten Siegeslauf zur Einheit umzufrisieren Die Grundthese, unnachahmlich vertreten von Ex-Außenminister Genscher, lautet: Durc Anerkennung, also Stabilisierung des Status quo, erst sei der Weg zu einer friedliche Vereinigung geebnet worden.

Auch so eine Legende, wie in einer der zahllosen Fernsehdiskussion ausgerechnet de erfahrene Kreml-Berater Valentin Falin durchblicken ließ. Falin beschrieb in eine ZDF-Runde unter Leitung von Guido Knopp seine verzweifelten Versuche, Gorbatschow scho seit 1986 auf die heraufziehende deutsche Einheit aufmerksam zu machen. Seine Grundidee sei damals gewesen: Eine Welt, in der der Frieden unteilbar sei, vertrüge geteilt Nationen. Für eine Welt, in welcher der Frieden in Gefahr gerate, seien geteilte Natione jedoch eine Bedrohung. Und eine Gefahr für den Frieden habe er seit Beginn der 80er Jahr dämmern gesehen, so Falin, weshalb er die deutsche Frage anders als in den relati stabilen 70er Jahren für sehr dringlich ansah. Keine Frage: Diese Feststellung steht de Genscherschen Beteuerung, die Stabilisierung des Status quo der Teilung habe nur ihre Überwindung gedient, diametral entgegen.

Der Russe Falin gab so den Kritikern der "Entspannungspolitik" nachträglic recht, die nie glauben wollten, daß die Stabilisierung der Teilung in Wahrheit eine gewieften Plan zu ihrer Überwindung verdecken sollte, sondern daß die "Anerkennun der Realitäten" durchaus das bezweckte, was sie auf den ersten Blick aussagte: die Verewigung der Teilung.

Egon Bahr, einer der hellsten Köpfe am Hofe Willy Brandts, äußerte im Sommer de Jahres 1990 im Fernsehen, man sei all die Jahre von einem Wettlauf zwischen europäische Integration und deutscher Einheit ausgegangen, den die deutsche Einheit wohl verliere würde. Oder sollte?

Noch im Herbst 1989 hagelte es Aufrufe, die DDR ja nicht zu "destabilisieren", kurz darauf hieß es, man dürfe die "Einheit nich überstürzen". Waren dies womöglich gar die letzten Versuche, der europäische Integration noch einmal Zeit zu verschaffen, den rasanten deutschen Einigungsprozeß in letzter Minute zu überholen? Damit in einer "Politischen Union" Europas, die nach damaligem Wunsch gleichzeitig mit der Währungsunion kommen sollte (und dann doc nicht kam), Bundesrepublik und DDR nicht enger miteinander verbunden wären als mit Portugal oder Italien? Solche Fragen zu stellen ist legitim. Sie sagen nicht nur einige über die damalige Lage aus, sondern auch über die innere Verfaßtheit bundesdeutsche Politik insgesamt – bis in unsere Tage. Daß sie von den Verantwortlichen derart hoch emotional zurückgewiesen werden, reizt erst recht zum Nachdenken.

Einer weiteren Legende half Ex-Außenminister Genscher selbst zum Sturz: Die endgültige Abtrennung der Ostgebiete sei "der Preis der Einheit" gewesen, hatt Helmut Kohl den Überlebenden der Vertreibung gegenüber beteuert. Genscher hingege betonte, daß jene Abtretung absolut freiwillig, ohne jeden Zwang erfolgt sei. Ein Darstellung, welcher der "Kanzler der Einheit" diesmal nicht widersprach.

 
     
     
 
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