|
Berlin war dieser Tage traditionsträchtiger Schauplatz zweier bedeutsamer Zusammenkünfte, die aufgrund geschickter Regie dennoch eine Einheit ausmachten. Dabei ging es unter den versammelten Politikern und Wirtschaftsexperten auch um eine Ortsbestimmung international er Politik im Zusammenhang mit Südosteuropa.
Sozusagen "Unter den Linden" trafen sich im wiedererstandenen Hotel "Adlon" hochkarätige Mitglieder der "Trilateralen Kommission", eines exklusiven Polit-Klubs unter US-Führung, der seit Jahrzehnten maßgeblichen Einfluß auf Außen- und Sicherheitspolitik im Weltmaßstab nimmt. Scherzhaft läuft die Organsisation, die die beiden vormaligen Kriegsgegner Japan und Deutschland im Blick hält, auch unter dem Namen "Zentralkomitee des Kapitalismus". Hauptthemen dieser der Öffentlichkeit kaum zugänglichen Konferenz waren "Weltweite Kapitalströme und die neuen Industrieländer". Diskutanten Zbigniew Brzezinski, Richard Holbrooke, Henry Kissinger, Heinrich von Pierer, Günter Verheugen und Wolfgang Schäuble, Eberhard Diepgen, Kanzler Helmut Kohl.
Gewichtigstes Thema dürfte die Frage nach "Herausforderungen für Europa" gewesen sein. Und dabei ließ vor allem der amtierende Vermittler der USA im Zypern-Konflikt, Richard Holbrooke, die Katze aus dem Sack: Die USA sind über die derzeitigen Verhältnisse zwischen EU und Türkei äußerst ungehalten. Der Beschluß der Gemeinschaft, das Beitrittsgesuch der Türken zurückzuweisen, beschädige "ernsthaft die Suche nach Stabilität in Südosteuropa". Gleichzeitig zog der US-Senior-Politiker Henry Kissinger im Hinblick auf die Nato-Osterweiterung die Bremse. Sie dürfe zumindest nicht "grenzenlos" sein. Mit dem Stichwort "Türkei" war gewissermaßen der Bogen hin zu einer weiteren Veranstaltung gespannt, bei der die Trilateralen zwar nur zu Gast, aber doch integraler Bestandteil waren. Im preußischen Kronprinzenpalais tagte mit höherem Öffentlichkeitsanspruch eine internationale Konferenz mit dem globalistisch anmutenden Thema "Geistige Führung im 21. Jahrhundert", bei der zugleich die Gründung der "American Academy" in Berlin gefeiert wurde, die zukünftig amerikanische Funktionseliten an der Spree sehen möchte.
US-Vizeaußenminister Strobe Talbott forderte im Kronprinzenpalais unmißverständlich, daß seitens der EU die Tür zur Türkei nicht zugeschlagen werden dürfe. Talbott bezeichnete die USA zwar nur als ein "interessiertes Nichtmitglied der EU", erklärte aber unmißverständlich, sein Land stehe nachdrücklich "für die volle Integration der Türkei in die europäischen Institutionen".
Nicht, daß die USA die Problemfälle Kurdenfrage oder Fundamentalismus nicht sähen, allein für sie sind ganz andere Dinge Kriterien politischer Strategie: Nie zuvor war die Türkei für die USA von ähnlich wichtiger geostrategischer Bedeutung. Die Einbindung Ankaras in amerikanische Interessen ist gleichbedeutend mit Stabilisierung des Balkans sowie des Nahen und Mittleren Ostens. Eine Lösung der palästinensisch-israelischen Frage wird ohne den Katalysationsfaktor Türkei und dessen Einfluß auf den Irak kaum möglich sein. Schließlich ist die Türkei auch Transitland für Gas und Öl.
Solcherlei Faktoren verführen zu beinhartem Pragmatismus und liefern auch einen Vorgeschmack darauf, was Europa im Sinne globaler Politik unter US-amerikanischer Führung in Zukunft zu erwarten hat.
Dies erkannt und in diplomatischer Form im Kronprinzenpalais genannt zu haben ist einmal mehr das Verdienst von Wolfgang Schäuble. Klar und deutlich warnte der Badener davor, daß die Türkei zwar in der eigenen Interessensphäre zu halten sei, Europas Identität aber nicht durch ständige Erweiterungen der EU aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Giftig reagierte darauf ein Kommentator der "Frankfurter Rundschau". Männer wie Schäuble, so schreibt er, die vor Europas "Überfremdung" warnten, "fürchteten ganz anderes: die Türkinnen und Türken selbst, ausgestattet mit Freizügigkeit". Militanten Fundamentalismus und Kurdenkämpfer in Deutschland stören den Kommentator dabei offensichtlich nicht.
So war denn der Konferenz-Block eine aufschlußreiche politische Ortsbestimmung im Hinblick auf die Türkei. Spannend dürfte nunmehr werden, wie beispielsweise die Bundesregierung den Spagat zwischen der Befriedigung amerikanischer Interessenlage einerseits und Vorstellungen der EU zur Türkei-Einbeziehung zu bewältigen versucht.
|
|