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Das Leben mit Tönen eingefangen

 
     
 
Keiner vermag wie er den Zauber samländischer Sommernächte, den Sonnenbrand über Heide und Moor, das Rauschen dunkler Wälder, den Wogenprall an der Ostseeküste, das Raunen alter Sagen, das Dorfleben mit Spiel und Tanz in Tönen einzufangen", hat Karlheinz Grube, ein ausgewiesener Kenner ostdeutscher Musik einmal über das Werk von Otto Besch gesagt, darunter die "Kurische Suite", das "Ostdeutsche Bilderbuch" oder die "Samländische Idylle
" (alle drei für Orchester geschrieben).

Vor 115 Jahren nun wurde Otto Besch als Sohn eines Pfarrers am 14. Februar 1885 in Neuhausen bei Königsberg geboren. Nach dem Abitur studierte er zunächst Theologie, legte das erste Staatsexamen ab und wandte sich dann endgültig seinem Jugendtraum – der Musik – zu. Er studierte in Königsberg bei Otto Fiebach, in Berlin bei Philipp Rüfer am Sternschen Konservatorium und war schließlich von 1910 bis 1914 Meisterschüler bei Engelbert Humperdinck an der Akademie der Künste in Berlin. – Später sollte er übrigens die Biographie seines Lehrers schreiben.

In der schweren Zeit nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Otto Besch zunächst als Musikkritiker an der Königsberger Hartungschen Zeitung, dann an der Königsberger Allgemeinen Zeitung. Außerdem leitete er eine Kompositionsklasse am Königsberger Konservatorium. Als Musikschriftsteller war er auch Mitarbeiter verschiedener deutscher Fachzeitschriften und auswärtiger Tageszeitungen. In dieser Zeit lernte er auch so bedeutende Komponisten wie Igor Strawinsky, Richard Strauss und Max Reger kennen.

Als dann das Jahr 1945 kam, mußte auch Otto Besch Ende Januar seine Heimat Ostdeutschland für immer verlassen. Sein Weg führte ihn zunächst nach Dänemark, wo er mit seiner Familie bis zum Herbst 1947 in einem Internierungslager lebte. Auch dort wollte er von seiner geliebten Musik nicht lassen – er hielt Vorträge über Musik in den verschiedenen Flüchtlingslagern.

Nach der Entlassung lebte Otto Besch zunächst in Neuengamme bei Hamburg und wirkte als Musikkritiker an der Tageszeitung "Die Welt" und der Nachrichtenagentur dpa. 1951 zog Otto Besch nach Geesthacht an der Elbe. 1958 wurde er von der Freundeskreis Ostdeutschland mit dem Kulturpreis für Musik ausgezeichnet. Ein Jahr später zog er mit seiner Familie nach Kassel, wo er am 2. Mai 1966 starb. Von seinen ersten Begegnungen mit der Musik erzählte Besch anschaulich in seinen im Eigenverlag erschienenen Erinnerungen:

"Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß die Musik von Kindheit an der eigentliche Inhalt meines Lebens war. Selbst in unserem Dorf Neuhausen gab es Gelegenheit genug, mich in dieser Anlage immer wieder anregen und bestärken zu lassen. Wenn zum Beispiel in Manöverzeiten eine Militärkapelle auf der Schloßterrasse musizierte! Alle Musikverständigen des Dorfes versammelten sich, besprachen das Ereignis, übten Kritik oder zollten Beifall. Das waren die ersten Konzerte von Tausenden, die ich einst über mich ergehen lassen sollte …

Zuweilen bekamen wir Besuch von einem Vetter, der das Klavier virtuos beherrschte. Das waren für mich Festtage. Ich zitterte mit einer fast fieberhaften Spannung dem Augenblick entgegen, da er sich an den Flügel setzte. Erst heute weiß ich im Vergleich zum Durchschnitt anderer Kinder, daß das eine immerhin ungewöhnliche Erscheinung war. Meist saß ich dann stundenlang unter dem Instrument, wo der Klang ein stärkeres fast orchestrales Ausmaß bekam. Später versuchte ich am Klavier Themen, die ich behalten hatte, zusammenzusuchen, was auch zuweilen gelang.

Einmal spielte ein Orgelvirtuose auf der Orgel unserer Dorfkirche. Das Instrument, das bisher unter den Händen unseres biederen Dorfkantors nur ernste Choralakkorde hergegeben hatte, ertönte nun plötzlich in rasenden Läufen. Mir war, als hätte der Teufel davon Besitz ergriffen. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu, mir wurde ganz schwindelig dabei, und ich hatte durchaus das Gefühl einer Bloßstellung, einer Profanierung.

Mehr noch als diese Kunstmusik mannigfacher Art waren es die Stimmen der Natur, die ganze Atmosphäre in und um Neuhausen, die mir für das ganze Leben die angeerbte musikalische Resonanz stärkten und mehr und mehr zum unentbehrlichen Instrument machten. Die Glocken vom Turm, was aus den Fenstern und Luken der Kirche an Orgelklängen hervorquoll, das war nicht Glocken- und Orgelton an sich, das kam auf Wellen von Sommerwärme und Blumenduft, Bienengesumm und Vogelstimmen mischten sich darein und schufen insgesamt eine himmlische Musik. Die Fugen meines Inneren standen weit offen, ich trank das begierig in mich hinein.

Erst heute kann ich beurteilen, wie es mir Lebensbedürfnis war, wie ich, ohne mir damals selbst darüber klar zu sein, Schönheit und Reichtum eines Tages danach einschätzte, ob er musikträchtig war oder nicht.

Tag und Nacht und Morgen mußten im Zeichen gehobener Festlichkeit stehen, sonst erschienen sie mir nicht vollwertig. Sonne und Mond genügten oft schon, um das zu bewirken, das übrige taten Wunschtraum und Phantasie. So nahm die Romantik von mir Besitz, der ich Jahrzehnte hindurch im Leben und in der Kunst treu blieb." os

 
     
     
 
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