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Auf Hamburgs Straßen fährt die Zukunft! Silbern glänzt sie im Sonnenlicht und hinterläßt eine weiße Dampfwolke. Und genau diese ist das Besondere, denn das Gefährt, bei dem es sich auf den ersten Blick um einen normalen Mercedesbus handelt, stößt keine giftigen Abgase mit dem gefährlichen Kohlendioxyd (CO2) in die Atmosphäre, sondern reinen Wasserdampf.
Seit September letzten Jahres hat die Hamburger Hochbahn drei mit Wasserstoff (H2) betriebe ne Busse im Einsatz. Und nicht nur in Hamburg, sondern auch in Amsterdam, Barcelona, London, Luxemburg, Madrid, Stockholm, Stuttgart und Porto sind jeweils drei H2-Busse auf den Straßen unterwegs. Dieses Projekt wird von der Europäischen Kommission über zwei Jahre lang mit 18,5 Millionen Euro gefördert und hat die Aufgabe, die Fahrzeuge auf ihre Alltags-tauglichkeit unter verschiedenen topographischen und verkehrstechnischen Rahmenbedingungen zu prüfen. Wo in Hamburg Regen und Stau, in Stuttgart Steigungen und in Barcelona Hitze dominieren, soll beobachtet werden, wie die neue Technik darauf reagiert. Aber auch verschiedene getestete Arten der Wasserstofferzeugung liefern dringend benötigtes Datenmaterial für die Weiterentwicklung der zukunfts-trächtigen Antriebstechnologie. Diese ist nämlich, zumindest wenn es nach EU-Kommissionspräsident Prodi geht, Europas Zukunft. Prodi, der sich wünscht, daß sich die Menschen später positiv wegen seiner Beiträge zur EU-Osterweiterung und der Umsetzung von Wasserstoff als Hauptenergieträger an ihn erinnern, hat schon einen ehrgeizigen Plan vorgelegt. Bis 2050 sollen sich die Länder der EU nämlich von den angeblich klimaschädigenden und nicht erneuerbaren Energieträgern abgewandt und den Einstieg in ein neues Energiesystem vollzogen haben. So sollen ab 2020 H2-Pkws marktreif sein und 2050 sogar Flugzeuge mit Wasserstoff betrieben werden.
Ein schöner Plan angesichts der zur Neige gehenden fossilen Brennstoffe und der stets als Folge von zu viel CO2 in der Umwelt angeführten Klimaveränderung.
Hamburgs Fahrgäste jedenfalls sind neugierig und bestaunen die neuen Fahrzeuge der Hochbahn. Und auch die Busfahrer finden die Führung eines solchen Fahrzeug reizvoll. Über 100 Fahrer bewarben sich für die Sonderausbildung auf diesen eben nur optisch dem normalen Bus ähnlichen Fortbewegungsmittel.
Die Technik der H2-Busse ist dann nämlich doch eine andere, was der Fahrer vor allem in Kurven merkt, denn auf dem Dach befinden sich zwei Brennstoffzellen und mehrere Wasserstofftanks, die ein Gewicht von zwei Tonnen zusätzlich ausmachen. Daß die Busse sich da ein wenig anders in die Kurven legen als ein mit Diesel betriebener Bus, ist nur logische Folge. Außerdem sind die Busse kälteempfindlich. So mußten die Busse im Winter immer über Nacht an die Steckdose, damit die Brennstoffzellen warm bleiben. Für alles andere sind die Techniker da, denn wenn eine von den entscheidenden Warnlämpchen angeht, sollte rechts rangefahren werden.
Die Citaro-Stadtbusse, die von der Mercedestochter Evobus hergestellt werden, haben eine Leistung von 280 Kilowatt und erbringen eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde bei einem Verbrauch von 17 bis 20 Kilo Wasserstoff auf 100 Kilometern. Laut Aussage der Techniker sind sie keineswegs gefährlicher als Dieselbusse, da mehrere Sicherheitsventile unkontrolliertes Entweichen des Gases verhindern. Sollte es dennoch dazu kommen, besteht auch keine ernsthafte Gefahr, da Wasserstoff leichter als Luft ist und von den auf dem Busdach befindlichen Tanks sofort nach oben in die Atmosphäre entweicht, es sei denn, man ist in einem Tunnel.
Die in Hamburg tätigen Techniker sind auf jeden Fall begeistert von ihren drei Patienten, die im Rahmen des Projektes mehr als eigentlich notwendig gewartet werden, um jede Veränderung wahrzunehmen. Die Ausfallquote ist sensationell gering. Allerdings nur bei den Bussen. Die Wasserstofftankstelle, die gemeinsam von den Hamburgischen Elektrizitäts-Werken (HEW) und BP betrieben wird, hat hingegen schon so manche Ausfälle gehabt.
Überhaupt, nicht die mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeuge sind das Problem, denn auch wenn diese auf Hamburgs Straßen verkehrenden Prototypen so nie in Serie gehen werden, so sind sie doch schon sehr fortschrittlich. Die Wasserstofferzeugung selbst bereitet viel mehr Sorgen. Denn wo soll der Wasserstoff herkommen?
In Hamburg wird das Gas durch Elektrolyse gewonnen. Dabei wird elektrische Energie benötigt. Mit ihrer Hilfe wird im Elektrolyseur Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der gasförmige Sauerstoff wird sofort wieder an die Atmos-phäre abgegeben, während der Wasserstoff gereinigt und auf 440 Bar Druck komprimiert in entsprechenden Tanks gelagert wird. Das ungiftige und für die Umwelt unschädliche Gas kann dann bei Bedarf in den Bus getankt werden. Wasserstoff ist im Grunde ein Energiespeicher ähnlich einer Batterie, und wenn der Bus dann diese Energie benötigt, wird in den Brennstoffzellen auf dem Dach die Energie im umgekehrten Prozeß, durch sogenannte "kalte Verbrennung", freigesetzt, indem der Bus während der Fahrt Sauerstoff ansaugt und mit dem Wasserstoff zusammen wieder als Endprodukt Wasser abgibt. Diese dabei entstehende Energie nutzt der Motor, doch rechnet man die Kosten, dann kann man derzeit noch staunen. Um die 2,80 Euro kostet ein Kilogramm Wasserstoff etwa, genaue Zahlen werden nicht genannt.
Und außerdem: Wo soll die elektrische Energie für die Elektrolyse herkommen? Da Wasserstoff ja ein umweltfreundlicher Energieträger sein soll, wäre es widersinnig, diesen mit regulärem Strom aus der Steckdose herzustellen, denn dieser wird zum Großteil mit fossilen Brennstoffen oder in den in Deutschland verpönten Atomkraftwerken erzeugt.
In Hamburg verwendet die HEW uneingeschränkt Strom aus regenerativen Energien wie Wind, Sonne, Wasserkraft oder Biomasse, doch der ist teuer. Und nicht nur teuer, sondern auch umstritten, da Subventionen diese Energie nur künstlich auf dem Markt bestehen lassen. Zudem, die Brennstoffzellen der H2-Busse nutzen effektiv nur etwa 50 Prozent der Energie. Dies ist zwar in Anbetracht eines Dieselmotors, der nur etwa 35 Prozent nutzt, schon viel, doch angesichts der Tatsache, daß die anderen 50 Prozent des teuren, über regenerative Energien erzeugten Wasserstoffes einfach ungenutzt bleiben, ist an der Wirtschaftlichkeit zu zweifeln. "Dann doch lieber die regenerative Elektroenergie gleich ins Stromnetz einspeisen", lautet das Plädoyer des Vorstandmitglieds des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Professor Jürgen Garche.
Reinhard Kaiser, Leiter des Stabes Umwelt und Verkehr im Bundesumweltministerium, betont jedoch, daß regenerative Energien die einzigen klimaverträglichen Quellen zur Erzeugung von Wasserstoff seien. "Dar-um finde ich es immer so grotesk", sagte er in Bild der Wissenschaft, "wenn ich auf Tagungen erlebe, wie manch Wasserstoffbegeisterter angewidert die Stirn runzelt, sobald das Wort ,Windkraftwerke fällt."
Eines wird aus diesen Bemerkungen schon ziemlich deutlich: Wasserstoff ist nicht nur ein Energieträger für eine neue Technologie, sondern auch Politikum und Ideologie, was man auch daran erkennt, daß die Wirtschaft noch sehr zögerlich in die Wasserstofforschung investiert, während dank Prodi die EU voller Enthusiasmus Fördergelder freigibt.
Ist Wasserstoff die Alternative für die Zukunft? "Ohne zu testen und zu forschen, wird die Frage nicht beantwortet werden können und wird es keine Weiterentwicklung geben", so die nachvollziehbare Antwort von Gabriele Steeb von der Hamburger Hochbahn. Fritz Hegelmann
Fährt auf Hamburgs Straßen die Zukunft? Seit September 2003 hat die Hamburger Hochbahn drei mit Wasserstoff betriebene Busse im Einsatz. In dem von der EU mit 18,5 Millionen Euro geförderten, in neun europäischen Städten laufenden Projekt sollen die Stärken und Schwächen der Technik getestet werden.
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