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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Das soll eine EM gewesen sein? Eine Farce war das. Allein, daß alle großen Länder frühzeitig rausflogen und am Ende lauter Wurzelzwerge um den Ball tanzten, ist weder demokratisch noch sozial gerecht. Doch nicht nur dies nagt an der Berechtigung sogenannter Europameisterschaften. Die Wut ist weg, die früher alles so reizvoll gemacht hat. Angeekelt mußten wir statt satter Schimpfkanonaden verfeindeter Fanpulks wüste Verbrüderungsszenen unterschiedlichster Nationen mitansehen, die sich in den guten alten Tagen in anständiger Feindschaft
gegenseitig in heftigste Rage hänselten. Deutsche mit Holländern, Deutsche mit Tschechen saßen in Portugal friedlich europarülpsend gemeinsam an einem Tisch! Was soll das?

Geht diese bedenkliche Entwick-lung vom stolzen, bierdünstenden Ersatzkrieg zum "völkerverbindenden" Kaffeeklatsch mit Gerstensaft weiter, wird es eines Tage keine hämischen Sieger und gedemütigten Verlierer mehr geben, sondern bloß "erste" und "zweite Sieger" wie bei Kinderwettkämpfen in den Zeiten, als man noch glaubte, daß Niederlagen die Gören traumatisieren und zu späteren Triebtätern machen.

Dann wäre es endgültig aus, und die deutschen TV-Fußballkommentatoren müßten um ihre Stellen fürchten, da für solch öden Kram keiner freiwillig die Abendserie verpaßt. Sie versuchen es listig mit der Masche verschlagener Werbeheinis, die die Wertlosigkeit des angepriesenen Produkts mit anglisiertem Sprach-Schnickschnack wegfaseln. Wo Kampfgeist weit und breit nicht zu sehen war, sülzten die TV-Schwätzer in Portugal vom "fighting spirit". Der anständige Fußballfreund versteht natürlich nur "Sprit" und geht zum Kampfsaufen über. Auch gibt es kein "Endspiel" mehr (für die Deutschen sowieso nicht), sondern es geht aufs "finish". Das reimt sich auf "Haschisch", womit wir wieder bei unseren holländischen Nachbarn wären. Die haben unsere Mannschaft mit dem Refrain "Schade Deutschland, alles ist vorbei!" verabschiedet. Immerhin funkelt hier noch ein wenig Säure hindurch. Vor zehn Jahren aber wäre es da richtig zur Sache gegangen. Damals haben uns die Holländer noch ordentlich gehaßt, weil sie kleiner sind und deutsche Truppen der Kolonialmacht Holland demonstriert hatten, was es heißt, eine Kolonialmacht im Haus zu haben. Jetzt heucheln sie sogar so etwas wie Mitleid. Zum Abgewöhnen. Es ist an uns, die Dinge wieder geradezurücken. Nur weil die Deichlinge plötzlich Bier mit statt gegen uns trinken wollen, heißt das noch lange nicht, daß wir bei dieser widerlichen Kuschelei mitschleimen müssen. Spricht ja keiner vom Rumspucken wie dieser Italiener. Angiften und Auslachen aber ist das mindeste.

Das führt uns zum Kern der Misere dieser faden EM. Der elfte oder zwölfte Weltkrieg gegen England kam durch die Schuld der Zwergvölker gar nicht erst zustande. Auf die Briten wäre schließlich Verlaß gewesen. Einen Vorgeschmack haben sie uns gegeben darauf, was uns entgangen ist, weil das Spiel der Spiele die Meisterschaft nicht hatte krönen dürfen. Am Tag, als Rudi Völlers Elf verdampfte, kugelten sich die wunderbar unsympathischen Schmerbäuche auf ihrer nebligen Warft in der Nordsee vor Schadenfreude, feixten die englischen Billigblätter zum Magenauspumpen. Doch einen, nur einen Tag später versiebt ihre eigene Mannschaft den Elfmeter. Einfach Klasse! Wann haben uns Hohn und Spott das letzte Mal soviel Spaß gemacht? Es war noch einmal wie in den guten, bösen alten Tagen. Denn so ein Fußballspiel Deutschland gegen England war stets inszeniert wie ein schöner amerikanischer Western. Der Schurke speit Galle, er hetzt, er sabbert und er geifert - doch am Ende gewinnen immer die Guten, also wir. Denn spätestens beim Elfmeter rutscht den Insulanern, die sich selbst großprotzig "Löwenherzen" nennen, benanntes Organ zuverlässig in die Beinkleider und der alles entscheidende Ball saust ins Gemüse.

Nicht unerwähnt bleiben darf die Mitschuld der Medien an dem fatalen Niedergang der Völkerschlacht. Es ist schon schlimm, wenn einen die eigene Propaganda derart überrollt. Jahrzehntelang haben Journalisten gouvernantenhaft gedichtet, daß die Hetzereien aufhören müßten, weil "der Sport die Völker zueinander führen" solle. Wer hätte ahnen können, daß die Fans das dereinst ernstnehmen?

Rudi Völler macht den Blödsinn nicht länger mit. Er, der selbst im Felde stand und dabei von einer holländischen Kröte aus dem Hinterhalt bespeichelt wurde, hat keine Freude an dem Geschmuse. Offiziell gab er an, daß er aus Verantwortung für die Niederlage sein Trikot nehme. Zurücktreten, weil im eigenen Laden nicht alles zum besten steht und man das Desaster nicht hat aufhalten können? Wegen dieser Legende wird der Kanzler Tante Käthe noch mal gehörig in die Locken fahren müssen. Ein DFB- Teamchef Schröder hätte seine "zukunftsweisende Arbeit" so lange eisern fortgesetzt, bis die A-Jugend von Zülpich-Ülpenich seine Nationalmannschaft im Freundschaftsspiel vom Platz fegt, um nachher auf seine "jahrelangen, erfolgreichen Reformanstrengungen" zu verweisen, die "bereits Wirkung zeigen".

Ja, Wirkung, und was für eine: Laut Stern ist die deutsche Wirtschaft nämlich viel besser, als wir denken. Überall auf der Welt fahren sie deutsche Autos. Nun gut, nicht alles an denen ist noch in Deutschland gefertigt, ganz gewiß aber die Rückspiegel, in denen wir auf vergangene Erfolge zurückblicken können. Die ganz Neuen haben sogar eine kleine Ecke, die endlich den toten Winkel sichtbar macht. Dort hat der Stern eine Reihe deutscher Mittelständler entdeckt, die in ihrem Marktsegment sogar die Ersten in der Welt sind. So führen deutsche Hersteller den Weltmarkt an für Zierfischfutter, Seifenblasen und moderne Beinprothesen, sagt Stern. Sehen Sie, Herr Herzog? Es ruckt schon im Aquarium!

Aufbruch überall. Selbst im Irak läuft alles wie am Schnürchen. Vor Monaten hatten die USA eine Übergangsregierung eingesetzt und ihr befohlen, die USA Mitte des Jahres um "Übergabe der Souveränität" zu ersuchen, worum diese die USA jetzt in Ausübung ihrer Selbstbestimmung ersucht hat, zwei Tage früher sogar! Zum Abschied erklärte George Bush, daß der Irak zur Saddam-Zeit ein Land gewesen sei, "in dem die Menschen gefoltert wurden", was durch den Einsatz der Koalition vor 15 Monaten beendet worden sei. Siehe da: Die wirklich bedeutenden Männer verstehen es, selbst die ganz großen Ereignisse der Geschichte mit einer Prise Humor aufzulockern.

"Aber Rudi - das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen!"

 
     
     
 
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