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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Eigentlich schade, daß Hartz nun doch weiter Hartz heißen soll. Niemand wäre über eine Titeländerung heftiger erleichtert gewesen als VW-Vorstand Peter Hartz selbst und alle armen Teufel, die denselben Nachnamen tragen. Wer heute mit "Guten Tag, mein Name ist Hartz" das falsche Lokal betritt, wird schnell Verständnis dafür aufbringen, warum Zahnersatz teurer wird. Mit sicherem Sinn dafür, wo das Volk der Schuh drückt in diesen unübersichtlich
en Tagen, hatte Regierungssprecher Bela Anda erkannt, daß "Hartz lautmalerisch so hart klingt". Die Macher der Reform wollten das aber nicht auf sich sitzen lassen, schließlich hatten sie selbst mit dem Etikett "Arbeitslosengeld 2" (statt Sozialhilfe!) ein lautmalerisches Meisterstück von feinster Raffinesse hingelegt.

Also wird weiter gehartzt, was den Demonstranten sehr recht sein dürfte, paßt "Reform am Arbeitsmarkt", wie der Kanzler nun zu flöten pflegt, kaum auf die Transparente, mit denen die schon leicht abgeschmolzenen Montagsmassen vergangenen Wochenbeginn in Berlin vor die Zentrale der Grünen gezogen sind. Das Ziel ist nicht umsonst gewählt, denn dort ist der Überraschungseffekt am größten. Während die Anhänger der anderen Parteien fest damit rechnen, daß die Marschierer bei ihnen vorbei- gucken, dürfte das Theater die Freunde von Joschka Fischers Truppe ziemlich unvorbereitet getroffen haben. Vermutlich wissen sie gar nicht, worum es geht. Woher auch? Laut einer Studie des Focus gucken nur die Parteigänger von Union, SPD und FDP besonders gern die Tagesschau, während als TV-Spitzenreiter unter den Grün-Wählern Stefan Raabs "TV Total" absahnt. Da gibt s nicht viel von Hartz. Bei den PDS-Sympathisanten ist Günther Jauchs "Wer wird Millionär" ganz vorn. Dem Reiz des großen Geldes (anderer Leute) vermochte sich der rote Saum des politischen Spektrums noch nie zu entziehen.

Verborgen bleibt den Genossen dabei natürlich, wie garstig die Wirklichkeit außerhalb von Jauchs Budenzauber ist, die wahre Welt also, wo man nur durch harte Arbeit an jene Posten kommt, in denen man Millionen verdient. Wir wissen das! Wissen wir es wirklich? Die französische Volkswirtin Corinne Maier hat ein Buch darüber geschrieben, wie man heute besonders erfolgreich Karriere macht. Maier ist bei Frankreichs Energie-Gigant "Electricité de France" (EdF) tätig und kennt die Szene. Ihr Buch, dem sie den charmanten Titel "Bonjour paresse" ("Sei gegrüßt, Faulheit") verlieh, befreit uns endgültig von dem Albdruck der schrecklichen Ahnung, daß nur Arbeitseifer wie zu Wirtschaftswunderzeiten in die obersten Etagen der Konzerne führt. Wir stöhnen, so die frohe Botschaft, nicht mehr unter der düsteren Ära dumpfer Fabrikbosse, die mit ihrem ganzen Vermögen für den Erfolg des Betriebs bürgten und morgens mürrisch herumfluchten, weil sie auch die fünf kurzen Nachtstunden nicht schlafen konnten wegen der unausweichlichen Entlassungen nächsten Monat. Heute leben wir im "Kommunikationszeitalter", mit anderen Worten: Auf die Selbstdarstellung kommt es an. Madame Maier weiß, wie man die anstellt: Benutze eine wichtigtuerische, aufgeblähte Verwaltungssprache, rät sie uns. Immer gut ankommen würde es auch, für viel Geld externe Berater zu engagieren, die dann das "herausfinden", was die Konzernleitung sowieso gerne hören wollte. Um Fleiß vorzutäuschen reiche es, möglichst lange im Büro auszuharren, wobei es natürlich nicht völlig ohne Belang ist, was man dort tut. Maiers Tip: "Wählen Sie in großen Unternehmen die überflüssigsten Posten wie Forschung oder Beratung", denn: Je überflüssiger der eigene Posten, desto weniger lasse sich feststellen, was man zum Erfolg (oder Mißerfolg) des Unternehmens eigentlich beigetragen habe.

Der Leser mag kaum glauben, daß der Band erst jetzt erschienen ist. Hat sie gar abgeschrieben von den geheimen Aufzeichungen mancher deutscher Konzernchefs? Maiers Arbeitgeber ärgert der Band, er will klagen. Das könnte nicht die letzte Klage gewesen sein. Zu befürchten steht, daß auch Mannesmann-Entsorger Klaus Esser oder DaimlerChrysler-Chef Herbert Schrempp ihre Anwälte einschalten wegen "Ideenklau". Schrempp hat etliche Milliarden, die die alte Daimler-Benz AG erwirtschaftet hatte, bei schwungvollen Abenteuern in den USA, wo er eine Bruchbude namens Chrysler erwarb und in Japan, wo es ihm die abgrundtief verschuldete Mitsubishi Motors angetan hatte, verfeuert. Als am Ende alles perfekt in der Grütze lag, verlängerte der Aufsichtsrat Schrempps Vertrag bis 2008. Dort heißt der Vorsitzende übrigens Hilmar Kopper. Ja genau, das ist jener Bankmanager, der sich mit der Schneider-Pleite ("Peanuts") auf ewig in die Annalen der Deutschen Bank eingegraben hat. Gute Leute erkennen sich und lassen sich nicht hängen.

Trotz allem ist Deutschland gerade erst wieder Exportweltmeister geworden. Wir exportieren alles mögliche. In zunehmendem Maße auch große Traditionsmarken wie Mannesmann, oder Hoechst. Vor 141 Jahren gegründet war der Betrieb einst der größte Pharma- und Chemiekonzern der Welt. Dann kamen die Berater. 1999 fusionierte Hoechst mit der französischen Rhone-Poulenc zu "Aventis", weil jetzt "Globalisierung" war und es auf "maximale Synergieeffekte" ankam. 2001 wurden Hoechst dann etliche Geschäftszweige durch Aventis weggenommen, der Umsatz sank von 14,3 auf 4,8 Milliarden Euro. 2004 wurde wiederum Aventis zwecks weiterer Synergien von der französischen Sanofi geschluckt, weshalb Hoechst jetzt ganz verschwinden soll. Begonnen hatte die Erfolgsgeschichte wie bei Mannesmann mit einem dynamisch denkenden neuen Manager: Jürgen Dormann. Dormann ist heute übrigens Chef des ABB-Konzerns. Um besorgten Leserfragen vorzugreifen: Den gibt es trotzdem noch.

Nicht loszukriegen ist hingegen die "Deutsche Börse" in Frankfurt. Die sollte eigentlich nach dem Willen ihres Chefs Werner Seifert, eines Schweizers, mit der Schweizer Börse "fusionieren". Denn, so Seifert, "deutsch" sei die Deutsche Börse sowieso nicht mehr, sondern "global". Pech: Seine Landsleute ließen ihn im Stich. Ausgerechnet die Schweizer wollen die Fusion nicht. Ein Stück Globalisierung ist gescheitert und womöglich bleiben jetzt zahllose Arbeitsplätze am Main auf dem Konzern lasten, die man bei der Fusion ins Ausland hätte verlegen oder gar ganz einsparen können. Und vielleicht muß Seifert jetzt gar noch eine Weile bei der Deutschen Börse bleiben, statt wie Dormann anderwärts weitergrasen zu können. Jetzt will der schwer enttäuschte Börsenchef wenigstens die Bezeichung "Deutsche" aus dem Namen seines Konzerns streichen. Na immerhin.

 

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