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Ratlosigkeit macht sich breit. Was sollen wir nur tun? Muslimische Produkte boykottieren und eimerweise dänischen Solidaritätsjoghurt schaufeln, bis Brechreiz einsetzt oder der Herzrythmus zu schlackern anfängt? Nein, nein, das würde die Lage nur weiter verschlimmern, gesundheitlich wie politisch.
Politiker aller Länder und Richtungen setzen auf den - was sonst - "Dialog der Kulturen". Der funktioniert immer, wie uns der Streit um die Bildchen vom Propheten selbst bewiesen hat. Dänische Zeichner präsentierten uns Mohammed als Ebenbild des gewalttätigen Muslim - einen grimmigen, bärtigen Mann, der ganz und gar den Eindruck erweckt, gleich über die "Ungläubigen" herfallen zu wollen. Kaum waren die Zeichnungen überall in der islamischen Welt bekannt, fielen dort grimmige, bärtige Männer über die Einrichtungen der "Ungläubigen" her. Der gepriesene "Dialog" läuft mittlerweile ganz ohne Worte: Der eine malt ein Bild und der andere tut, was darauf zu sehen ist.
Das gegenseitige Verständnis setzt voraus, daß man "mehr voneinander weiß", wie die professionellen Dialogteilnehmer täglich herausstreichen. Auch damit waren wir offensichtlich viel weiter, als wir dachten. Viele merken erst jetzt, daß sie schon lange von der islamischen Gedankenwelt mehr wußten, als sie ahnten. Denn so, wie diese Welt sich ihnen zur Zeit präsentiert, hatten sie sich die mohammedanische Nachbarschaft im Grunde schon immer vorgestellt.
Aber darf man so reden? Verletzt solcher Sarkasmus nicht Gefühle? Das jedenfalls finden Europas Politiker und weisen darauf hin, daß sie unter "Dialog" etwas völlig anderes verstehen als sich gegenseitig dabei behilflich zu sein, die Hosen runterzulassen. Sie fühlen sich wohl in der Rolle des fürsorglichen Therapeuten und gehen auf die islamischen Gesellschaften gern zu wie auf 1,3 Milliarden Jugendliche mit düsterer Sozialprognose. Verständnis zeigen heißt hier: öfter mal was durchgehen lassen und vor allem "keine Gefühle verletzen", die Jungs seien schließlich ohnehin schon schwer traumatisiert. Unsensible Fragen, etwa warum Moslems Rom betreten dürfen, obwohl Mekka für Christen strikt versperrt bleibt, könnten hier ebenso zu unkalkulierbaren Reaktionen führen wie der hemdsärmelige Hinweis darauf, daß Moslems in vorwiegend christlichen Ländern missionieren dürfen wie sie wollen, während christliche Mission in überwiegend islamischen Staaten selbstverständlich verboten ist.
Der "Dialog" ist keine Besprechung unter Gleichen, wo Roß und Reiter wie Moscheebau hier und (kein) Kirchenbau dort beim Namen genannt werden. Der Dialog ist dazu da, daß sich die ältere Religion bei der jüngeren wie ein verständnisvoller, fortschrittlich gesinnter Vater danach erkundigt, wo ihr der Schuh drückt und welche Bedürfnisse sie hat, damit der Generationenwechsel in Harmonie vonstatten geht.
Im Interesse jener kuscheligen Zweisamkeit des langsamen Übergangs ist das grelle Licht, das derzeit die islamische Gemeinschaft auf sich selbst richtet, überaus schädlich. Die Tumulte locken die Ewiggestrigen, die sich frech bestätigt fühlen, aus ihren Höhlen. Baden-Württembergs Europaminister Stächele will allen Muslimen, die sich offen gegen das Grundgesetz stellen, mit eindeutiger Absicht eine "Fahrkarte" in die Hand drücken. Die Grünen fordern entrüstet, der CDU-Mann solle sofort zurücktreten oder sich in aller Form entschuldigen. Bei wem, blieb unerwähnt. Aber letztlich können die Grünen ja nur jene Muslime gemeint haben, die das Grundgesetz für eine Frechheit der Ungläubigen halten. Über andere hatte Stächele nicht geredet.
Der Stuttgarter Scharfmacher blieb zum Glück die Ausnahme. Nur wenige nutzen die Unruhen aus, um Schreckgespenster an die Wand zu malen und sich zu benehmen wie verantwortungslose Stewards auf einem sinkenden Schiff, die den Passagieren gedankenlos das Anlegen der Schwimmwesten empfehlen, ohne darauf zu achten, welche Panik sie damit auslösen könnten. In ihrer ganz großen Mehrheit reagieren Europas Politiker mit bewundernswerter Besonnenheit auf die allgemeine Erregung und entlarven die Hardliner als diejenigen, die den Konflikt eigentlich verschuldet haben.
Der italienische EU-Kommissar Frattini mahnt, Europa dürfe den Moslems nicht "unser Modell überstülpen" und macht auf diese Weise erkennbar, welches "Modell" in Dänemark, wo die Karikaturen entstanden sind, seiner Meinung nach zu gelten hat. Englands Außenminister Straw maßregelte den dänischen Mißbrauch der Pressefreiheit. Auch zahllose andere europäische Führer wandten sich empört gegen die "Provokation", die "Jyllands Posten" unter Mißbrauch der Freiheit verübt habe. Provokation? Da können wir aus eigener Erfahrung mitreden. Auch die DDR war stolz darauf, daß in ihren Grenzen jeder seine Meinung frei sagen konnte, sofern es sich nicht um eine "Provokation" handelte; die war unter strengster Strafe verboten. Gewisse Denktraditionen haben offenbar einen langen Atem.
In ihrer Verdammung der skandinavischen Provokateure finden die Staatslenker viel Unterstützung bei europäischen Medien. Der ARD-"Weltspiegel" brachte vergangenen Sonntag auf den Punkt, was wirklich passiert ist: "Eine kleine, rechtspopulistische Zeitung in Dänemark hat gezündelt, um bewußt zu provozieren. Als die ersehnte Empörung ausblieb, startete die Zeitung noch eine Umfrage." Keine dummen Bemerkungen zur "Weltspiegel"-Wortwahl "kleine Zeitung" bitte. Wir wissen, daß "Jyllands Posten" das auflagenstärkste Blatt Dänemarks ist. Aber es handelt sich schließlich um "Rechtspopulisten", und die sind immer klein, egal wie groß sie sind.
Das Kernwort lautet "gezündelt". Das warf man schon dem Politiker Friedrich Merz vor, als er im Jahre 2000 mit der brandgefährlichen Vokabel von der "deutschen Leitkultur" herumkokelte, um die Deutschen gegen alte Bräuche wie Frauenbeschneidung oder -beseitigung (in Ehrensachen) oder Zwangsheirat aufzuhetzen. Bestürzte Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen riefen damals den "Aufstand der Anständigen" ins Leben, um der rechtspopulistischen "Zündelei" ein Ende zu machen. Mit Erfolg, die Bräuche leben bis heute fort.
Verärgert müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß neben den Dänen auch andere Volkswirtschaften vom Wirtschaftsboykott betroffen sind, den die Moslems verhängt haben. Die französische Supermarktkette "Carrefour" versuchte sich noch zu retten: Sie ließ aus ihren Filialen in der islamischen Welt geschwind alle dänischen Produkte entfernen und statt ihrer Schilder in die geleerten Regale hängen, auf denen man sich tapfer von den fiesen Skandinaviern distanziert. Leider dürfte diese erstaunlich flinke Reaktion verpufft sein, nachdem die Karikaturen auch in Frankreich erschienen waren.
Übel traf es auch den schweizerische Nestlé-Konzern. Aufgrund irgendwelcher Fehlinformationen verbreitete sich in arabischen Ländern das Gerücht, daß es sich bei einigen Produkten von Nestlé um dänische Erzeugnisse handele. Nestlé ließ daher in einer saudi-arabischen Zeitung große Inserate schalten, in denen beteuert wird: Wir sind Schweizer, keine Dänen! Nur Rechtspopulisten würden den bekennenden Schweizern gern zurufen: "Und wißt ihr, was ihr noch seit?"
In Polen soll der Chefredakteur der Zeitung "Rzeczpospolita" gefeuert werden, weil er die Bilder gedruckt hat. Politiker aller Parteien wandten sich rigoros gegen jegliche "Verletzung religiöser Gefühle". Da Koran und Sunna so ziemlich alle Lebensbereiche genau regeln, sollten polnische Juristen schleunigst die Scharia studieren. Das heutige polnische Recht ist mit den religiösen Gefühlen strenger Muslime nämlich kaum zu vereinbaren.
Freiheit ja, aber "Provokation" wird nicht geduldet.
Das war schon in der DDR so.
"Den Propheten zu karikieren - das wirst du büßen!" |
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