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Die etablierten "Alt"-Parteien sind für die sogenannte heiße Phase des Bundestags-Wahlkampfes gerüstet. Auf ihren Parteitagen haben sie die Programme und personellen Konzeptionen verabschiedet, jetzt geht es in die Sommerpause, die weitgehend zur Mobilisierung des Anhangs genutzt werden soll. Ab Mitte August herrscht dann Wahlkampf pur. Die Zeit bis dahin wird wohl im wesentlichen für den einen oder anderen "Feinschliff" genutzt werden - im Großen und Ganzen aber sind die Fronten geklärt, die Formationen aufgestellt. So sehr sich die beiden Großen, SPD und Union, auch winden und das Wort "Lagerwahlkampf" zu vermeiden suchen, es nutzt nicht viel: Im Grunde ist sich das Wahlvolk einig, daß es letztendlich am 22. September um die Entscheidung zwischen rot-grün auf der einen und schwarz-gelb auf der anderen Seite gehen wird.
Bei allen Aufgeregtheiten und dem Medienrummel im Stadium des Vor-Wahlkampfes - da ist insbesondere das Friedman-Möllemann-Spektakel zu nennen - hat die PDS so gut wie keine Rolle gespielt. Ihre Stellungnahmen zu den Wahlprogrammen der anderen waren altes, ideologisch überkleistertes "Pficht-Blabla", das kaum öffentliche Erwähnung gefunden hatte, wie übrigens auch ihr eigenes "Konzept", das sich in den Floskeln "soziale Sicherheit und Gerechtigkeit" erschöpft. Ein wenig Gerangel hatte es um PDS- "Vorzeige"-Kandidaten aus dem alten Bundesgebiet gegeben, wie zum Beispiel um die frühere "Panorama"-Moderatorin und inzwischen pensionierte Chefredakteurin des hessischen Fernsehens, Luc Jochimsen. Aber auch das gab nur Nebenbemerkungen in einigen Klatschspalten ab. Seit ihr quirliges Zugpferd Gysi in Berlin (ausgerechnet in Berlin!) zu Ministerwürden gekommen ist und dort in der verfahrenen städtischen Finanzkatastrophe unterzugehen droht, herrscht eher Sendepause.
Doch dieses öffentliche Bild ist trügerisch. Die PDS lebt, und sie zeigt keine Neigung, sich aus der deutschen Politik zu verabschieden. Das kann eine solche Gruppierung auch gar nicht, die ja nicht in erster Linie von und in der Öffentlichkeit lebt, sondern deren Wesensmerkmale der Kampf aus dem Untergrund und die Geheimbündelei sind. Kein geringerer Anlaß als der Liebknecht-Luxemburg-Gedenkmarsch zum kommunistischen "Heldenfriedhof" Berlin-Friedrichsfelde Anfang Januar hatte gezeigt, wie viele Tausende die PDS noch auf die Beine bringt. Und bei allen Verlusten, welche die rot-grüne Linke in den letzten östlichen Landtagswahlen hatte hinnehmen müssen, sind die Stimmenanteile der PDS konstant geblieben. Mit den mindestens drei Direktmandaten, die für den Einzug in den Bundestag erforderlich sind, kann die PDS sicher rechnen. Schon deshalb sollte das demokratische Lager diesen totalitären Überrest im deutschen Parteienspektrum nicht aus den Augen verlieren.
Es sind vor allem zwei Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung der PDS nicht vergessen werden dürfen: Erstens ihr ideologisches Grundkonzept und die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen Ziele, zweitens ihr unakzeptabeles, grundsätzlich negatives Verhältnis zum Recht, oder einfacher ausgedrückt: ihre revolutionäre Grundhaltung. Auch im Wahljahr ist es der jetzigen PDS-Führung nicht gelungen, ihr Grundsatzprogramm zu revidieren. Daher gilt noch immer, daß es ihr Ziel ist, den "Kapitalismus" zu überwinden und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten. Sie steht positiv zu dem Experiment eines realen Sozialismus in der DDR und im "sozialistischen Lager" und schreibt sein Scheitern allein "undemokratischen und bürokratischen Strukturen" zu. Daß im Interesse dieses "Experiments" Millionen Existenzen zerstört, der gesamte eurasische Doppelkontinent ruiniert, mehr als einhundert Millionen unschuldige Menschen hingemordet und Generationen von Bürgern im Zustand von Leibeigenen einer Parteikaste gehalten wurden, wird als "Betriebsunfall" einer ansonsten "humanistischen historischen Gesetzmäßigkeit" abgetan ("wo gehobelt wird, fallen Späne"!). Die PDS hat auch nicht den Ansatz eines Versuchs unternommen, die aus dem Marxismus-Leninismus herrührenden Wurzeln des roten Despotismus zu analysieren und sich von ihm loszusagen.
Noch gravierender ist ihr Umgang mit der personalen Hinterlassenschaft ihrer Despotie. Zwischen den Repressionsapparaten à la Stasi und den einst total herrschenden kommunistischen Parteien wird unterschieden, als seien dies völlig unterschiedliche Apparate gewesen, als seien diese wie von unsichtbaren außerirdischen Gewalten über die Regime gekommen. Aber überall waren diese Instanzen ganz offiziell und immer hoch gelobt "Schild und Schwert der Partei"! Die Stasi war die SED, ihr eigentlicher Kern, das Rück-grat der "Bewegung" schlechthin. Das SED-Politbüro an der Spitze, die Bezirks- und Kreissekretäre an der Basis, waren die Vorgesetzten der jeweiligen Stasi-Instanzen, Parteilose gab es bei der Stasi nicht, da war auch die letzte Hilfskraft noch Mitglied der SED.
Staatssicherheitsminister und SED-Politbüromitglied Mielke mußte sowohl nach der Pfeife von Ulbricht und Honecker tanzen, wie in den letzten Wochen der DDR-Existenz nach der von Egon Krenz. Bereitwillig hat die Masse der SED-Mitglieder die Agenten-(Schauer)Geschichten der Stasi aufgenommen und Tausende von vermeintlichen Abweichlern, Dissidenten oder gar "Volksfeinden" verdammt, verurteilt, degradiert, entwürdigt und entmündigt - und all diese "Kader" bilden noch heute (gemeinsam mit den Genossen der "Organe") die Stamm-Mitgliedschaft der PDS.
Mit der Regierungsbeteiligung der PDS in der Hauptstadt Deutschlands hat die Schröder-SPD die PDS grundsätzlich salonfähig gemacht. Am 22. September wird deshalb auch darüber entschieden, ob die SED-Fortsetzer auch im Bund das Heft mit in die Hand nehmen dürfen. Neben den dominierenden Wahlkampfthemen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Soziales, Gesundheit und Bildung sollte dieser Aspekt ganz weit oben angesiedelt werde |
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