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Genosse der Bosse ist gestärkt

 
     
 
Lafontaine hatte in den fünf Monaten seiner Amtszeit vieles erreicht – im negativen Sinne: Das Ansehen der Bundesrepublik ist international lädiert, mit seinen Theorien von festen Wechselkursen und Steigerung der Nachfrage als Konjunkturelement löste er Kopfschütteln von Japan bis Amerika aus. Die Steuerreform des Saarländers wird sich als Jobkiller erweisen. Selbst milliarden
schwere Ausschüttungen an die Familien durch höheres Kindergeld zeigten auf dem Arbeitsmarkt keine Auswirkungen.

Und jetzt Schröder allein. Der Niedersachse, der sich gerne Kanzler aller Autos nennen läßt, gilt auch als "Genosse der Bosse". Von Lafontaine nicht mehr gebremst, könnte Schröder jetzt der deutsche Tony Blair werden und wirkungsvolle Reformen im Sozialrecht und auf dem Arbeitsmarkt durchziehen, von denen Kanzler Helmut Kohl wegen des Widerstandes der eigenen Partei nur träumen konnte. Die einzigartige Pannenserie der rot-grünen Koalition hat mit Lafontaines politischem Ende ihren Höhepunkt erreicht – vielleicht aber auch ihr Ende. Jetzt wird das Kanzleramt wieder Machtzentrale der Republik. Der Widerstand der SPD-Linken gegen Kanzleramtschef Bodo Hombach zeigt: Selbst altlinke Vorkämpfer der Sozialdemokratie trauen sich nicht mehr mit direkter Kritik an Schröder, den Vormann der "Neuen Mitte", aus der Deckung. Das stärkt Schröder.

Natürlich sind da noch die Grünen, aber sie spielen derzeit nur noch die Rolle des Mehrheitsbeschaffers, die wissen: Legen sie sich quer, gibt Schröder ihnen den Laufpaß und koaliert mit der FDP oder der CDU. Die Opposition hat nach der Wahl denselben Fehler begangen wie bereits während des Wahlkampfes. Die CDU hegte und pflegte ihr Feindbild namens Lafontaine. Jetzt ist der Union das Feindbild abhanden gekommen. Vielleicht werden Historiker zum Ergebnis kommen, daß Lafontaine nichts anderes als eine Erscheinung der Ära Kohl war – der Gegenspieler des Oggersheimers über ein Jahrzehnt. Mit Kohl, so könnte es später heißen, mußte zwangsläufig auch Lafontaine scheitern.

Schröder ist noch nicht zu packen. Der Niedersachse mag Autos, liebt Arbeitnehmer und Rentner, hält es gut mit der Wirtschaft, ändert seine Meinung nach Wetterlage und hat weder inner- noch außerparteilich einen gleichwertigen Gegenspieler. Das von Lafontaine bemängelte fehlende Mannschaftsspiel ist gar nicht notwendig. Schröder steht allein auf dem Platz und unterhält die Öffentlichkeit in Fernsehschauen und mit Neuigkeiten aus seinem Kleiderschrank. Es ist ein Armutszeugnis für die deutsche politische Klasse, daß sie zu Schröder keine Alternative mehr kennt.

Doch mit Fernsehauftritten und Kaschmirmänteln ist auch im Medienzeitalter allein kein Staat zu machen. Die deutsche Ratspräsidentschaft in Europa mag Schröder noch mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft und zu Lasten der deutschen Bauern zu Ende bringen, doch im Inland muß er Beschäftigungserfolge vorweisen. Danach sieht es derzeit nicht aus, zumal die rot-grünen Beschlüsse gegen Nebenjobs und zur Bekämpfung der angeblichen Scheinselbständigkeit jede Flexibilität ersticken. Auch die Haushalts- und Finanzpolitik erinnert an eine Trümmerlandschaft. Und: Die Rentenversicherung ist akut gefährdet.

Schröder wird am 12. April auf dem Sonder-Wahlparteitag in Bonn den Höhepunkt seiner Macht erreichen, wenn er den Parteivorsitz übernimmt. Dieser Tag markiert auch den Beginn seiner Entzauberung. Es fragt sich nur, wie lange dieser Prozeß dauern wird.

 
     
     
 
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