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Jedesmal, wenn wir Angela Merkel abends auf dem Bildschirm sehen, können wir uns eigentlich nur für sie freuen: Sie hat wirklich Format gewonnen. Aus der noch vor einem Jahr oft schüchternen, linkisch und verlegen wirkenden Pfarrerstochter aus der DDR ist eine selbstbewußte, glaubhaft dauerlächelnde Staatslenkerin geworden. Merkel mit Bush, Merkel mit Putin, Merkel mit dem chinesischen Staatschef: mit Chirac, mit dem polnischen Ministerpräsidenten, mit den Spitzen der EU. Nur wir, die Wähler der CDU/CSU, die sie in dieses Amt gebracht haben, wissen gar nicht mehr so recht, ob wir uns darüber freuen sollen. Haben wir etwas erreicht, wie bei der Wahl der Unionsparteien gehofft? Sehen wir Angela Merkel zusammen mit Erika Steinbach das versprochene "Zentrum gegen Vertreibungen" einweihen, sehen wir sie mit Arnulf Baring die große Debatte über die Nation eröffnen, sehen wir sie mit dem Wirtschaftsminister eine unternehmerfreundliche, an Leistung orientierte Lohn- und Steuerpolitik entwerfen, mit Ursula von der Leyen eine neue, kinderfreundliche Familien-Politik einleiten? Nein. Statt dessen hören wir vom linken Flügel der SPD-Fraktion zufriedene Zustimmung für die erfolgreiche Durchsetzung sozialdemokratischer Ziele.
Vor allen Dingen auf dem Gebiet der Familie hoffen die jungen und die alten in der Wolle gefärbten Sozialisten in der SPD auf einen endgültigen Durchbruch ihrer uralten utopischen Ziele von einer staatlich gelenkten Kindererziehung rund um die Uhr. Im Grunde hoffen sie auf eine Abschaffung der Familie als der immer noch stabilsten Keimzelle dieser Gesellschaft, die sie ändern wollen. Wohin? Mit welchem Ziel? Beziehung zwischen Mann und Frau als lockere Zweckgemeinschaft, Kinder als Produktion von Nachwuchs und ihre Erziehung in Heimen durch Fachleute. Diese Idee ist uralt und wurde in ihren Grundzügen vor mehr als 2400 Jahren von dem griechischen Philosophen Platon in seinem Buch "Der Staat" entworfen. Sie ist durch die edle Abkunft und das hohe Alter nicht besser geworden und, zum Glück für die Kinder, nie dauerhaft verwirklicht worden. Ansätze dazu im China Mao Tse-tungs und in Pol Pots Horrorstaat in Kambodscha mußten wieder aufgegeben werden, die Familie erwies sich auch dort am Ende als stärker. Für Millionen Opfer zu spät.
Wieder scheinen rationale, wirtschaftliche Zwänge den utopischen Gesellschaftsmodellen Auftrieb zu geben. Die rasch wachsende, hochtechnisierte Wirtschaft braucht gut ausgebildete, hochqualifizierte Frauen. Gleichzeitig aber braucht das Land auch mehr Kinder, weil sonst Deutschland vergreist, die übrigen europäischen Staaten, vornehmlich die Länder des früheren Ostblocks, ebenfalls.
Die Medien schlagen Alarm. Uns droht eine Katastrophe, schlimmer als das Ozonloch oder die Erderwärmung. Vogelgrippe und Aids können wir in den Griff bekommen, aber diese drohende Gefahr nicht. Niemand weiß einen Rat. Aber alle schlagen wenigstens Alarm. Der Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Frank Schirrmacher, kann nachts nicht schlafen vor Sorge und schreibt vor lauter Angst einen Bestseller. Nützen tut es nur ihm und seinem Verlag. Denn einen Ausweg weiß er auch nicht. Es gibt auch keinen Ausweg. Es gibt keine Ordnung im Schweinestall.
Die Deutschen im zeugungsfähigen Alter wollen keine Kinder. Oder kriegen einfach keine. Jedes Jahr gibt es mehr Alte und weniger Kinder. Deutschland stirbt aus. Langsam natürlich. Kann man ja nachrechnen: Jedes deutsche Ehepaar müßte mindestens zwei Kinder bekommen, damit wir nur den Stand halten. Dazu kommen noch die Schwulen, die katholischen Priester und die ganz besonders klugen "Dinks" (= doppeltes Einkommen, no kids), das macht, eigentlich erstaunlich wenig, noch mal 0,1 Kinder pro Frau hinter dem Komma. Insgesamt braucht man 2,1 Kinder pro Frau in einem Volk, sonst wird es kleiner. Bei über 2,1 spricht man von einem Bevölkerungsüberschuß, den hatten wir zuletzt 1960, beim Babyboom. Einen riesigen Geburtenüberschuß haben die meisten Völker Asiens und Afrikas.
Deshalb haben unsere Politiker schon seit vielen Jahren alle Hemmungen des Grundgesetzes, das bekanntlich vom "deutschen Volk in seinen Stämmen" spricht, abgelegt und vorgeschlagen, die Reihen der Deutschen einfach aufzufüllen mit ein paar Millionen Schwarzen, Braunen und Gelben aus Afrika und Asien. Der gedankenlose Gedanke ist der: Haben wir fünf Millionen weniger Kinder, dann holen wir schnell mal fünf Millionen Einwanderer ins Land. Es gibt ja genug Arme in der Welt, die gerne nach Deutschland kommen. Aber die Rechnung geht nicht auf. Nicht mal die bisher sieben Millionen ins Land geholten Ausländer, vornehmlich Türken und andere Muslime, haben die Entwicklung aufhalten können. Jeder Türke hat inzwischen auch seine zwei Omas und Opas nachgeholt und damit die Zahl der Alten erhöht. Hier werden sie gut betreut. Doch damit ist der Wirtschaft nicht geholfen. Die Wirtschaft braucht, durch die Gewerkschaften und ihre hohen Lohntarife gezwungen, alle einfachen, körperlichen Arbeiten zu automatisieren, nur hochqualifizierte Fachkräfte, keine Hilfsarbeiter aus Anatolien und dem Sudan.
Die Wirtschaft, ständig zu immer neuem Wachstum gezwungen (sagt sie), kann also (sagt sie) ohne unsere, heute meist sehr gut ausgebildeten und qualifizierten Frauen gar nicht mehr auskommen. Hier liegt das Problem: Die Wirtschaft braucht Frauen. Kinder aber brauchen - Mütter. Nicht noch mehr Krippen und Kitas, an denen man seine Kinder, am liebsten vom ersten Lebensjahr an, morgens abliefert und abends wieder abholt. Selbst für die ganz Reichen gibt es jetzt Kitas. In Potsdam wurde gerade die Villa Ritz eröffnet, eine Nobel-Kita mit Chauffeur, der die Kleinen abholt, mit Rundum-Personenschutz, Ballett,- Klavier- und Reitunterricht, Englisch, Spanisch und Chinesisch inklusive. Für nur 1000 Euro pro Kind. Sie glauben es nicht? www.villa.ritz.de.
Wer das Geld nicht hat, muß mit seinem Kind in die Kinderkrippe, auf die die Bewohner der neuen Bundesländer so stolz sind, weil sie davon noch besonders viele seit Ulbrichts Zeit haben. Eine ganze Generation von Deutschen ist dort von klein auf gemeinsam gefüttert, gewickelt und getöpft worden: "Händchen falten, Köpfchen senken, immer an den Genossen Ulbricht denken!"
Mutterschaft kann man nicht kaufen. Das weiß auch Ursula von der Leyen, selber ein Beispiel für Emanzipation, hochqualifizierte Ausbildung und die Fähigkeit, zusammen mit ihrem Mann sieben Kinder aufzuziehen. Sie bietet den Familien ein Erziehungsgeld in Höhe von 67 Prozent des früheren Gehalts, höchstens aber 1800 Euro, für ein Jahr an. Und zwei Monate länger, wenn der Mann sich beteiligt. Aber auch mehr Geld wird nichts nützen. Kinderfreundlichkeit entsteht nicht durch ein paar Euro mehr. Um Frauen und Männer dazu zu bringen, Kinder mit Geschwistern aufzuziehen, also die Erziehung wieder in der Familie stattfinden zu lassen statt von angestellten Betreuern mit einem Sieben-Stundentag, braucht es mehr als ein geringfügig erhöhtes Kindergeld. Dazu bedürfte es einer Änderung des gesellschaftlichen Klimas, das lange verkorkst ist.
1970 begann Alice Schwarzer ihre Kampagne gegen die "Mütter", beziehungsweise die "Nur Mütter". Alles Frühere war ohnehin unter Generalverdacht gestellt. "Hausfrau und Mutter", das wurde zum Lacher und Lieblingsthema der Kabaretts: Frauen, Kinder und Küche. Das war der Witz. Selbstverwirklichung hieß die Parole, und dazu gehörte natürlich auch die Freigabe der Abtreibung. Langsam wandelte sich das gesellschaftliche Klima und niemand in der Union machte es zur Chefsache.
Es ist die, im Grunde gegen die Familie gerichtete Mentalität, die Kinderarmut erzeugt, die Abwertung aller Sinn- und Wert-Gemeinschaften wie Volk, Heimat, Land, Stadt oder Dorfgemeinschaft. Der Nation; deren kleinste Zelle nun einmal die Familie ist - und nicht die Lindenstraße.
Der Hirnforscher Gerald Hüther ermittelte: "frühe emotionale Erfahrungen werden im Gehirn verankert, sichere emotionale Bindungsbeziehungen sind die Voraussetzungen für eine optimale Hirnentwicklung. Störungen stellen für Kinder Belastungen dar, die um so weniger bewältigt werden können, je früher sie auftreten." Der Hirnforscher zieht daraus den Schluß, die elterliche Erziehungskompetenz zu stärken. "Kindertagesstätten können allenfalls der Notaufnahme von Kindern in Not geratener Mütter, nicht aber zur Zwischenlagerung von Störenfrieden berufstätiger Eltern dienen", zitiert Manfred Spieker den Mediziner.
Und der christliche Sozialwissenschaftler stellt drei Forderungen auf: Erstens: Zahlung von Zuschüssen für Familien, die in Richtung eines Erziehungsgehaltes weiterentwickelt werden. Als Investitionen in das Humanvermögen der Gesellschaft. Es gibt keine lohnendere Investition. Zweitens: Garantie des Wiedereintritts der Mütter in das Berufsleben durch eine familienfreundliche Unternehmenspolitik. Ebenfalls eine auf Dauer lohnende Investition, weil die Unternehmen so qualifizierte Arbeitskräfte an sich binden. Voraussetzung dazu sei eine straffere Ausbildung der jungen Frauen vor der Erziehungsphase wie in Frankreich, wo bei Akademikerinnen der Berufseintritt im Alter von 23 bis 24 Jahren erfolgt (Deutschland: 27 bis 28 Jahre). Drittens: Familienwahlrecht. Wahlrecht für alle Bürger von ihrer Geburt an, das bis zur Wahlmündigkeit von den Eltern wahrgenommen wird. Das würde eine Stärkung des politischen Einflusses der Familien bedeuten. Eine Utopie, für die es keine Mehrheiten in der heutigen Parteienlandschaft geben dürfte. Doch ein bedenkenswerter Ansatz. |
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