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In der Berichterstattung über den Kosovokrieg werden immer wieder Mutmaßungen über das Interesse der USA im südlichen Balkan angestellt. Selbst Pete Scholl-Latour, ein ausgewiesener Kenner der US-amerikanischen Außenpolitik, bekannte in einem Interview der Berliner Wochenzeitung "Junge Freiheit" (Folge 17/99), da er sich keinen Reim auf die Gründe des aus seiner Sicht unangemessenen Engagement s de Amerikaner machen könne.
Um die möglichen Motive soll es im nachfolgenden Beitrag gehen, der den Gründen fü die zunehmende geopolitische Bedeutung des südlichen Balkan nachzuspüren versucht, au dem inzwischen eine ganze Reihe von Projekten seitens der USA und der Europäischen Unio angestoßen worden sind.
Eines dieser Projekte ist nach Angaben der "US-Agentur für Handel un Entwicklung" (TDA) eine von den USA getragene "Entwicklungsinitiative südliche Balkan" (SBDI), die die Entwicklung eines transeuropäischen Korridors zum Ziel hat Dieser soll von Burgas bzw. Varna in Bulgarien nach Durres in Albanien führen.
Über Sinn und Inhalt dieser Maßnahme äußerte sich der Koordinator fü Hilfsmaßnahmen in Osteuropa im Washintoner Außenministerium, James Holmes, in einer Red am 2. Juni 1998 in Ohrid (Mazedonien). In den USA hätte man zur Kenntnis nehmen müssen daß während des Bosnienkrieges insbesondere die westlich orientierten Volkswirtschafte von Albanien, Mazedonien und Bulgarien aufgrund des Embargos mit erheblichen Problemen zu kämpfen gehabt hätten. Um diesen Negativeffekten abzuhelfen, sei die SBDI aus der Tauf gehoben worden, mit der die USA insbesondere die jugoslawischen Anrainerstaate unterstützten.
Mehr und mehr kristallisierte sich im Zuge der Diskussion um dieses Vorhaben jedoc heraus, daß es bei "SBDI" um mehr geht als eine regionale Handelsroute zu Nutzen von ein paar balkanischen Kleinstaaten. Vielmehr fügt sich das Projekt in ein transkontinentale Entwicklungsachse ein, die den amerikanischen Einfluß an der gesamte Südflanke des europäischen und zentralasiatischen Rußland ausbaut und zementiert. De bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas kommt in diesem Zusammenhang aus Sicht der USA ein hervorgehobene Rolle zu, weil derzeit Pläne diskutiert werden, Erdöl aus dem kaspische Raum über oder durch das Schwarze Meer zu transportieren. Von Burgas soll das Erdöl dan durch Röhren nach Vlora in Albanien weitergeleitet werden. Darauf weist die bereits obe schon erwähnte TDA hin, die die Errichtung dieser Pipelines zu ihre Programmschwerpunkten zählt.
Die Trasse ist schon deshalb besonders interessant, weil sich die Türkei weigert, meh Erdöltanker als bisher durch den Flaschenhals Bosporus passieren zu lassen. Zum andere erweist sich die von der US-Regierung und der Türkei bisher favorisierte Pipeline vo Baku (Aserbeidschan) nach Ceyhan (Türkei) mehr und mehr als zu teuer. Die Weltban errechnete nach Angaben von "Dow Jones Newswires" (10. Mai d. J.) eine Transportpreis von 2,22 Dollar pro Faß (159 Liter). Diese Pipeline ist damit die mi Abstand teuerste aller derzeit diskutieren Modelle.
Unter erhöhtem Zugzwang stehen die USA aber insbesondere deswegen, weil Rußlan inzwischen ebenfalls auf dem Balkan aktiv geworden ist. Moskau plant nach Angaben de Washingtoner "Zentrums für politische und strategische Studien" (CPSS) ein Erdölleitung vom Schwarzmeerhafen Noworossijsk nach Burgas und zum griechischen Hafe Alexandropolis am Ägäischen Meer. Diese Verbindung ist wesentlich wirtschaftlicher als die von der US-Regierung bevorzugte Leitung BakuCeyhan, die vor allem geopolitische Erwägungen entsprungen ist. Sowohl russisches als auch iranisches Territorium blieben be einer Realisierung dieser Pipeline nämlich ausgespart.
Deshalb versucht Rußland jenes Vorhaben mit aller Macht zu hintertreiben. Sollte e nämlich realisiert werden, würde Rußland nicht nur eine ansehnliche Devisenquell verlieren, sondern auch die Kontrolle über die kaspischen bzw. zentralasiatische Staaten.
Was die Amerikaner beunruhigen muß, ist die Tatsache, daß die Staaten der EU de russischen Plänen nach Angaben der oben erwähnten CPSS-Studie durchaus gewogen sind Sollten es die Russen schaffen, so der Tenor, sowohl mit Bulgarien als auch mi Griechenland handelseinig zu werden, seien entsprechende Kredite europäischer Großbanke zur Förderung dieses Projektes zu erwarten. Und die EU hat allen Grund, hier zu investieren, denn nach Auffassung vieler Fachleute wird die Abhängigkeit der EU von de zentralasiatischen Erdöl- und Erdgasexporten in den nächsten 25 Jahren dramatisc zunehmen.
Im gleichen Maße nun, wie die Realisierung der Pipeline BakuCeyha unwahrscheinlicher wird, wächst der Druck auf die Amerikaner, über alternative Route nachzudenken. Eine mögliche Alternativtrasse läuft, wie oben bereits angesprochen, vo Baku über Poti (Georgien) nach Burgas bis Durres. Nach Lage der Dinge werden die US alles unternehmen, um die Russen als unliebsame Konkurrenten aus dem Geschäft zu drängen. Denn sollten die Russen das Rennen machen, bedeutet dies für die USA, da Moskaus geopolitisches Gewicht in einem sehr sensiblen Bereich deutlich zunimmt. Werde aber die Russen aus dem Geschäft gedrängt, droht diesen der Staatsbankrott, denn, s stellt die Studie des CPSS fest: Die Öl- und Gasexporte seien die Hauptdevisenquelle fü Rußland, die einen wesentlichen Teil der russischen Wirtschaft "über Wasse hält".
Die Pläne der USA sind indessen nur dann zu realisieren, wenn der in Rede stehend Raum möglichst unter ihrer Kontrolle ist. Deshalb liegt die Vermutung nahe, daß die vo den USA betriebene militärische Intervention in Restjugoslawien auch diesem Ziel dient Sie ermöglicht den USA nämlich die langfristige Stationierung von Truppen, die ihr wirtschaftlichen Vorhaben militärisch absichern. Ansonsten wäre man weitgehend au wackelige Regime in Albanien und Mazedonien angewiesen. Mittels ständiger Truppenpräsen kann Washington die Sicherheit des Korridors im Ernstfall selbst in die Hand nehmen.
Nur nebenbei sei darauf verwiesen, daß auch im Hinblick auf den Iran das letzte Wor noch nicht gesprochen ist. "Dow Jones Newswires" läßt durchblicken, daß ein Pipeline vom Kaspischen Meer durch den Iran von allen diskutierten Vorhaben die kostengünstigste Lösung wäre. Vielsagend wird darauf verwiesen, daß die am Kaspische Meer schon tätigen US-Firmen darauf hoffen könnten, daß sich die Beziehungen zwische den USA und Teheran verbesserten und die Handelsbeschränkungen gegen den Ira heruntergefahren werden könnten. Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß die kommerziellen Interessen der USA die ideologischen Streitereien mit de "Schurkenstaat" Iran bald überlagern könnten.
Neben den USA ist auch die Europäische Union mit eigenen Programmen auf dem südliche Balkan aktiv. Sie dienen ausdrücklich der Entwicklung eines Transportkorridors zwische Europa und Zentralasien, in dem sowohl das Kaspische als auch das Schwarze Mee miteinbezogen sind. Auf dem südlichen Balkan geht es der EU überdies darum, ein Anbindung an das transeuropäische Netzwerk zu schaffen.
Damit gerät die Europäische Union wohl oder übel in Konkurrenz zu den Interessen de USA in der Region. Die USA sind sich dieser Rivalität durchaus bewußt. Denn ein zunehmende energiepolitische Unabhängigkeit Europas, sei es durch das oben skizziert russische Engagement, sei es durch das EU-Engagement in Zentralasien, zöge zwingend eine Vorherrschaftsverlust der USA über Europa nach sich.
Es sei in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des österreichische Europaabgeordneten Hans Kronberger verwiesen, der in seinem Buch "Blut für Öl" zu Protokoll gab: Wer die Pipelines besitze, werde im 21. Jahrhundert die Macht über die Liefer- und über die Verbraucherländer haben. Wörtlich stellt Kronberger fest "Die Pipelines werden die Nabelschnüre der Industriegesellschaft sein, mit all ihre Verletzlichkeit, insbesondere im Erdgasbereich, wo die Flexibilität beim Ausfall de Versorgung relativ gering ist."
Analysiert man vor diesem Hintergrund den Krieg auf dem Balkan, dann drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß Europa auf jeden Fall der Verlierer des Kosovo-Konfliktes sei wird. Zum einen wird durch den Eingriff der USA das Verhältnis zu Rußland nachhalti gestört, das sich zunehmend einer Neuauflage der amerikanische "Roll-back-Doktrin" gegenübersieht. Rußland stellt aber trotz seine momentanen Schwäche das einzig mögliche Gegengewicht zur derzeit unangefochtene Weltmacht USA dar. Es ist keineswegs auszuschließen, daß eine der Folgen des Kriege gegen Serbien eine politische Radikalisierung in Rußland sein wird.
Art und Weise, wie die Friedensinitiativen des ehemaligen Ministerpräsidenten Primako und des russischen Jugoslawienbeauftragten Tschernomyrdin seitens der USA abgeblock wurden, dürften die ohnehin schwierige Lage weiter aufgeheizt haben. Washington (und in seinem Schlepptau nolens volens Frankreich, Deutschland und England) beharrt ohn Abstriche auf einer bedingungslosen Erfüllung der Nato-Forderungen durch Belgrad. Mi dieser Haltung, die die Russen in ihrer Mittlerrolle vor den Kopf stoßen muß, vertiefe sich nicht nur die Gräben zwischen Rußland und den USA, sondern auch die zwischen der E und Rußland.
Gleichzeitig schwingen sich die Amerikaner zu Förderern der islamischen Bevölkerun auf dem Balkan auf, was ihrer Verhandlungsposition gegenüber energiepolitisch wichtige islamischen Staaten im Mittleren Osten und Zentralasien natürlich stärken wird. Die E steht hier in einem denkbar schlechten Licht. Denn abermals bedarf es aus der Sicht de Turkstaaten der Amerikaner, um die Glaubensgenossen auf dem Balkan zu schützen. An diese Konstellation wird sichtbar, wie die USA die außenpolitische Schwäche der EU ausnutzen um zum einen ihre Interessen durchzusetzen und zum anderen die Abhängigkeit Westeuropa von den USA weiter zu verfestigen. Mit der Stärkung des Islam in Europa, eine angeheizten Dauerkonflikt auf dem Balkan und der Entfremdung von Rußland entsteht zu allem Überfluß ein Feuerring schwelender Krisen um EU-Europa, der die dauernd Anwesenheit und Vormacht der USA weiterhin "unverzichtbar" erscheine läßt
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