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Krakauer Deklaration für eine andere EU-Agrarpolitik

 
     
 
Vielleicht muß man es mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt haben, wie die im letzten Jahrhundert nach den beiden Weltkriegen größte Geldvernichtungsmaschine Europas - die gemeinsame Agrarpolitik der EWG, später der EG und schließlich der EU - zusammengeklopft wurde, um ermessen zu können, was sich vom 6.-8. November in Krakau wirklich ereignete.

Der Titel der an diesem verlängerten Wochenende in der "heimlichen Hauptstadt" Polens abgehaltenen international
en Tagung klingt nicht unbedingt aufregend: "Konferenz zur EU-Erweiterung und Landwirtschaft. EU-Agrarpolitik für die Menschen und die Umwelt".

Doch anders als bei zahllosen anderen Konferenzen zu allen erdenklichen Themen kam bei dieser Zusammenkunft von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) etwas Beachtenswertes heraus. 250 Organisationen einigten sich auf eine sogenannte "Krakau-Deklaration". Darin wird gefordert, daß:

"1. Die politischen Führungskräfte der Beitrittsländer die EU-Agrarpolitik so umsetzen, daß nachhaltige Entwicklung, Qualität sowie Diversität von Lebensmitteln und Landwirtschaft in den lokalen Ökonomien erhalten bleiben und daß sie im besonderen anerkennen, daß intensive Landwirtschaft unsichere, ungesunde Lebensmittel produziert, Umweltverschmutzung verursacht und Probleme im Bereich des Tierschutzes und der ländlichen Entwicklung verursacht sowie die Aufgabe von einst profitablen kleinstrukturierten Landwirtschaften zur Folge hat.

100 Prozent der Gelder für die Entwicklung des ländlichen Raums sollen für eine umweltgerechte Landwirtschaft, eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Wirtschaftsräume, inklusive artgerechter Tierhaltung, verwendet werden.

2. Die Führungskräfte der EU-25 die Diskussion für eine radikale Umformung der Agrarpolitik in Richtung Nachhaltigkeit, Qualität und lokale Diversität von Lebensmitteln und Landwirtschaft eröffnen, welche nachhaltige Landwirtschaft und Viehzucht belohnt und naturnahe Bewirtschaftungsmethoden bewahrt, die Stärkung von Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards sichert, den Gebrauch schädlicher Pestizide sowie aller in Landwirtschaft und Lebensmitteln eingesetzter Chemikalien beschränkt, Fördergelder im Rahmen der ländlichen Entwicklung gezielt für die Stützung der lokalen Lebensmittelkette, Diversifizierung der Beschäftigungsstruktur im Landwirtschaftssektor, zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Wirtschaftsraumes sowie für eine umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft einsetzt, fairen Handel für die gesamte Lebensmittelkette durch starke Wettbewerbspolitik und deren Vollzug garantiert, direkte und indirekte Exportsubventionen beseitigt, institutionalisierte Überproduktion vermeidet und den Bauern und Bäuerinnen in den Ländern des Südens nicht schadet, die Reformierung des Welthandels in Richtung eines gerechten und nachhaltigen Weltagrarhandels unterstützt (...).

3. Der Handel (Supermärkte, Großhandel, Einzelhandel, Märkte sowie öffentliche Versorgungseinrichtungen wie Spitäler, Schulen und Behörden) schrittweise verantwortungsvollen Konsum unterstützt und das Recht der KonsumentInnen zur Wahlfreiheit geschützt wird durch bevorzugte Behandlung von Lebensmitteln aus nachhaltiger Landwirtschaft, insbesondere frei von Pestiziden und gentechnisch veränderten Organismen (GVO), wie z. B. aus biologischer Landwirtschaft, die Verwendung regional hergestellter Produkte, um die Transportwege im Interesse der Umwelt zu reduzieren, Bereitstellung von Information für die KonsumentInnen, unter welchen Bedingungen die Lebensmittel hergestellt wurden, angemessene Bezahlung der Bauern und Bäuerinnen für ihre Produkte und die Zusicherung, daß keine unangemessenen Forderungen eingesetzt werden, um die Preise zu drücken.

4. Konsumentlnnen dahingehend bestärkt werden, Umwelt und Tiere zu schützen, nachhaltige Landwirtschaft zu unterstützen sowie sich gesünder zu ernähren durch den Einkauf lokaler und saisonaler Produkte aus biologischer Landwirtschaft, einen höheren Obst- und Gemüsekonsum sowie geringeren Konsum von weiterverarbeiteten Lebensmitteln, geringeren, aber qualitativ höheren (Bio-) Fleischkon-

sum, den Einkauf bei lokalen, unabhängigen Händlern, z. B. Hofläden, den Kauf von ‚fair trade -Produkten."

Diese Forderungen sind zwar nicht neu und in ihrer feministischen Sprache typisch "westlich". Dennoch gilt es hervorzuheben, daß sie (nicht zuletzt mit den Stimmen vieler inoffizieller ostmitteleuropäischer Organisationen) erhoben werden, bevor die Agrarpolitik der Europäischen Union auch zwischen Oder und Bug bzw. Düna und Theiß eingeführt wird.

Das war 1960, als die unheilvolle gemeinsame Agrarpolitik auf den Weg gebracht wurde, nicht so. Damals gab es keine Opposition.

Vor gut vier Jahrzehnten schien den Menschen die Landwirtschaft, wie sie sie kannten, nur ineffektiv und heillos veraltet zu sein. Obwohl es in der alten EWG mit Belgien und der Bundesrepublik Deutschland nur zwei Industriestaaten gab, war man ein großer Importmarkt für Lebensmittel. Frankreich hatte zu dieser Zeit die seit Colbert und Mazarin, also seit etwa 1660, andauernde Agrarkrise noch immer nicht überwunden; auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig war nur die niederländische Landwirtschaft.

Inzwischen hat sich die Lage völlig verändert: Die Ostmitteleuropäer wissen, wohin die Reise gehen

kann, und versuchen, die Richtung zu beeinflussen. Erstaunlich ist auf jeden Fall, daß die ökologische und alternative Meinungs- und Organisationsvielfalt in den Beitrittsstaaten offenbar riesig ist. Denn außer verschiedensten Gruppierungen aus den heutigen EU-Mitgliedsländern finden sich unter den 250 Krakauer "NGOs" Vereinigungen aus allen Beitrittsstaaten, darüber hinaus 14 weitere aus Ländern wie Island oder Armenien und Georgien.

Daß es allein aus Polen 22 Organisationen sind, ist nicht allzu überraschend, denn kaum etwas macht dem typischen Polen mehr Spaß, als mit zwei bis drei Gesinnungsgenossen eine politische Opposition auf die Beine zu stellen.

Ungarn brachte es auf 17 an der Deklaration beteiligte Gruppierungen, Litauen auf zwölf und Estland auf neun. Einsame Spitze ist allerdings das frühestens für einen EU-Beitritt im Jahr 2007 vorgesehene Rumänien mit 35 Unterzeichnerorganisationen. Diese außergewöhnlich breite alternative Institutionenlandschaft läßt vermuten, daß hier noch manches nachgeholt wird, was in jenen Zeiten zwangsweise versäumt wurde, als der Genosse Nikolae und die Genossin Elena Ceausescu - unter dem Schutz der Securitate - ihren "goldenen Traum vom Sozialismus" träumten.

Bei aller Modernität, die diese Entwicklungen kennzeichnet, ist es unverkennbar, daß sie auch im römisch-antiken Ideal von der ländlichen Glückseligkeit wurzeln, das im östlichen Europa über Jahrhunderte hinweg größere Ausstrahlung bewahrt hat als im Westen des Kontinents (beispielsweise in Gestalt des scholastischen Harmonieideals der polnischen Landadelsgesellschaft).

Doch angesichts der brutalen Wirklichkeit des agrarpolitischen Geschäfts in Brüssel und Luxemburg stehen gerade den Ökologiebewegten in den ostmitteleuropäischen EU-Beitrittsstaaten bittere Enttäuschungen bevor.

Heumahd in Holzmengen/Siebenbürgen: Rumänien ist, ebenso wie Polen, ein klassischer Agrarstaat

 
     
     
 
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