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Nach der Weltmeisterschaft will die Große Koalition zu einem großen Integrationsgipfel laden. Die SPD hofft, daß die Stimmung der Gastfreundschaft anhält und in diesem Sinn das Multikulti-Denken noch einmal poliert werden kann. Bei der Union weiß man nicht so recht, wie man dieses Thema angehen soll. Gastfreundschaft ist die eine Seite, Selbstbehauptung die andere, und es gibt auch noch eine dritte: Was wird aus Europa, hat der alte Kontinent überhaupt noch eine Identität?
Nach dem blutigen Ansturm auf die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in Marokko, nach den mörderischen Überfahrten durch das Mittelmeer nach Sizilien und Süditalien sind im Mai und Juni die Kanarischen Inseln zum Einfallstor der weitgehend afrikanischen Migranten nach Europa geworden. Aus dem Osten Europas hat man weniger zu befürchten. Dort fallen die Geburtenzahlen auf ein Niveau, das noch unter dem EU-Durchschnitt liegt, der Druck aus diesen Ländern wird trotz schwieriger wirtschaftlicher Situationen stark nachlassen. Aber im Süden, in Afrika, nimmt er stark zu. Hier müssen sich die Chefs in Europa etwas einfallen lassen, der bloße Festungsgedanke genügt nicht mehr. Nach den Kanaren wird es ein anderes Leck geben, durch das Flüchtlingswellen nach Europa hineinschwappen. Die Frage ist politischer Natur.
In diesem Sinn ist es ein Fortschritt, daß die EU im Fall der Kanarischen Inseln zum ersten Mal eine gemeinsame Aktion mehrerer Mitgliedsländer und der eigenen, erst im letzten Jahr gegründeten Grenzschutz-Agentur "Frontex" lanciert hat, um die EU-Außengrenze bei Spanien abzudichten. Acht Länder waren sofort bereit, Patrouillenboote und Flugzeuge zu den Kanarischen Inseln abzukommandieren, um die Seewege aus Mauretanien und Senegal zu den Inseln zu überwachen. Außerdem wolle man in diesen Ländern Auffanglager einrichten für die auf See aufgegriffenen illegalen Einwanderer und auch für abgewiesene Asylbewerber. Schotten dicht und Militär gegen Migranten - man muß es bedauern, wenn es nur dabei bleibt. Diese Aktion hat nur Sinn, wenn sie begleitet wird von einer gemeinsamen Einwanderungspolitik. Bliebe es bei der Schotten-dicht-Politik wäre es ein Armutszeugnis selbst für ein rest-christliches sich aber immer noch humanitär dünkendes Europa.
Eine Lösung im Sinne einer kohärenten Politik ist dringend, für Deutschland mehr noch als für alle anderen. Deutschland ist weltweit mit Abstand das Land mit den prozentual meisten Einwanderern. Vermutlich wird man über kurz oder lang zu einer Einwanderungspolitik kommen, wie sie Kanada, die USA oder Australien betreiben. Das aber ist nicht viel mehr als eine neue Form von Kolonialismus, man filtert sich die wirtschaftlich Brauchbaren aus, die dann ihren Ländern fehlen. Ethisch korrekt ist das keinesfalls, aber als politisch korrekt gilt es schon. Um die Migrationsströme der Zukunft zu steuern, muß man zur Quelle. Migration und Entwicklungshilfe bilden eine Einheit. 150 Milliarden US-Dollar schicken die Migranten nach UN-Angaben pro Jahr in ihre Heimat - dreimal soviel wie die staatliche Entwicklungshilfe. Hier muß man ansetzen, bevor die Dämme brechen. Soweit der politische Aspekt. Die Hoffnung, daß die Staats- und Regierungschefs eine christliche Lösung suchen, ist gering. Das Migrationsthema hat eine Tradition des Wegschauens, gefolgt von der üblichen medialen Hysterie, wenn der Zustrom beängstigend wird. Von Multikulti-Lüge bis hin zu plattem Populismus und gar politischem Rassismus reicht dann die Palette der gegenseitigen Vorwürfe. Wenn man sich nach dem Migrationsgipfel in Berlin beruhigt haben wird, wird die Wende in der Ausländerpolitik genommen oder verpaßt sein, je nachdem, wer sich durchsetzt. Da mittlerweile aber bekannt ist, daß Ausländer eher in die Sozialsysteme einwandern als diese entlasten - 2000 Euro netto kostet derzeit jeder Einwanderer pro Jahr - und daß sie auch demographisch "nichts bringen", wird man sich auf ein System, ähnlich wie bei den Angelsachsen einigen. Die Einwanderung wird kontrollierter vonstatten gehen, mit Kontingenten je nach Berufsgruppen und Herkunftsländern. Aber soweit ist man noch lange nicht. Erst mal wird wie immer in Deutschland grundsätzlich diskutiert. Denn der Streit um die Integration ist ein Streit um die Leitkultur in diesem Land. Und dieser Streit um die Identität ist notwendig.
Eines aber kann man verlangen: Daß der Integrationswillige die Sprache erlernt. Ohne das bilden sich automatisch Parallelgesellschaften. Die Sprache ist nach einem Wort von Humboldt "der Geistleib des Menschen", ohne sie gibt es keine Kommunikation, mithin keine soziale Dimension. Wer kein Deutsch lernt, grenzt sich selber aus. Hier hat die Union durchaus recht.
Das also ist der Kern des Themas: Identität bestimmen und Sprachkenntnis einfordern. Hier gibt es eine Bringschuld der Deutschen gegenüber den Ausländern und eine Pflicht der Ausländer gegenüber Deutschland. Beides ist nachprüfbar. Integration ist keine Einbahnstraße.
Natürlich stellt sich mit der Zeit auch die Frage der Identität für die Migranten selbst, auch wenn sie die Sprache des Gastlandes erlernt haben. Man kann es drehen und wenden, das Ergebnis ist immer gleich: Kulturelle Identität hat ihre Grenzen, mithin auch die Integration. Im Klartext: Entweder die Muslime verlieren ihre muslimische Identität und integrieren sich in die westliche Kultur oder es bleibt bei der Koexistenz, sprich den Parallelgesellschaften. Zu dieser Ehrlichkeit sollte der deutsche Integrationsgipfel nach dem Fußballfest bei aller Begeisterung doch kommen.
Flüchtlingslager auf Malta: Genügend Bewohner, um einen eigenen Afrika-Cup auszufechten. |
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