|
Auch wenn die für das deutsche Bildungssystem niederschmetternde Pisa-Studie nichts mit dem weltbekannten schiefen Turm der gleichnamigen Stadt in der Toskana zu tun hat, sich hinter dem Kürzel statt dessen das englische "Programme for international student assessment" verbirgt, sind so viele der bildungspolitischen Antworten auf die Ergebnisse der Studie mindestens so schief wie eben jener Turm. Das trifft auch zu auf die von Andreas Schleicher veröffentliche Studie "Bildung auf einen Blick 2004", die er im Auftrag der OECD erstellt hat. Statistisch werden darin die Bildungsbudget s der Mitgliedsländer und die Schüler-Lehrer-Relationen in Klassenverbänden miteinander verglichen. Obwohl sich aus solchen quantitativen Analysen kaum Aussagen über meßbare Lernqualitäten ableiten lassen, wird von den ideologisch eingefärbten Parteigängern der heutigen Regierungskoalition, zu denen sich übrigens auch Schleicher zählt, gebetsmühlenartig die Forderung nach einer raschen Veränderung des bestehenden dreigliedrigen Schulsystems erhoben. Auf Parteitagen von SPD und Grünen wurde eine neunjährige Grundschule für alle gefordert, vergleichbar der Polytechnischen Oberschule á la DDR.
Aus dem statistischen Zahlenwerk die Forderung nach einer Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems abzuleiten und dieses "als Relikt mittelalterlicher Ständepolitik" zu diffamieren, kann nur als willkommener Anlaß verstanden werden, bildungshemmende ideologische Zöpfe, die man längst überwunden glaubte, wieder einmal zu pflegen, gleichzeitig aber die Tatsache zu leugnen, daß es nun einmal bildungsfähige und -willige Schüler gibt. Auch wenn von den Ergebnissen der Erhebung der Feldzug für die leistungshemmende Gesamtschule keineswegs gedeckt wird, die unergiebigen Feldversuche im Hinblick auf Gesamtschulen in den lange SPD-geführten Länder trotz
finanzieller und personeller Besserstellung in der Rangfolge eher die hinteren Plätze belegten, behaupten Schleicher und die Lehrerlobby der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) allen Ernstes, daß durch das Aufteilen der Schüler schwache Schüler brutal abgeschoben werden, anstatt sie individuell zu fördern. Frau Bulmahn (SPD) begreift vermutlich nicht, daß mit der Beseitigung der Hauptschule nicht automatisch auch die leistungsschwächeren Schüler verschwinden.
Leistungsdefizite vorrangig und isoliert dem dreigliedrigen Schulsystem zuzuschreiben, greift viel zu kurz. Es entspringt vielmehr dem sozialistisch-gleichmacherischen Glauben, jedem Schüler das Abitur zu verpassen, und dem tiefen Mißtrauen gegenüber einer traditionell bürgerlichen Familie, in der man von einer Wertschätzung von Bildung, Leistungsbereitschaft und "mittuendem" Engagement normalerweise ausgehen kann.
Wenn man die Leistungsanforderungen weiter reduziert, das Gymnasium selbst für einstige Hilfsschüler öffnet, ist absehbar, daß der Standort Deutschland weiter an Attraktivität für Investoren verliert. Wo vermehrt Kinder in Klassen unterrichtet werden, in denen allenfalls der Lehrer - wenn überhaupt noch - richtiges Deutsch spricht, man gegen Lebensstile und Kulturen immer größer werdender Bevölkerungsgruppen bestehen muß, kann Schule im herkömmlichen Sinn Leistung kaum noch erzielen. Im täglichen Konkurrenzkampf der Arbeitswelt ist mit Spaß, Watte, Tünche und Gefühlsduselei wenig zu erreichen. Wer bestimmte Leistungsanforderungen in einer auf Gewinn ausgerichteten Arbeitsgesellschaft nicht erfüllt, darf sich nicht wundern, wenn er schnell an Grenzen stößt. Über seinen Cha-rakter oder seine sonstigen Qualitäten sind damit allerdings keine Aussagen getroffen.
Wer dem Wegbrechen der einst anerkannten Bildungsbasis in Deutschland entgegenwirken will, die früher zu den deutschen Wettbewerbsvorteilen zählte, muß nicht ständig am gegliederten Schulsystem sowie einzelnen Lerninhalten "herumdoktern", sondern an den fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen, die mit Gleichmacherei, massenhafter Einwanderung und gleichgültigem Laissez-faire nur unvollkommen beschrieben werden. Zur Wiedergewinnung von Qualität und Leistung im deutschen Schulwesen brauchen wir neuen Mut zur Erziehung, die uneingeschränkte Bejahung von Primär- und Sekundärtugenden, neue Freude an Anstrengung und Leistung, aber auch die Wiederentdeckung der gesellschaftlichen Legitimität von "Tradition und Autorität". Ohne ideologisch indoktrinierte Lehrer und mit kulturell homogener und leistungswilliger Schülerklientel ist ein nach Begabungen differenziertes Schulsystem unschlagbar. |
|