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Rot-grünes Bauernopfer

 
     
 
Sein letzter Auftritt war auch sein stärkster: Bei ARD-Christiansen verabschiedete sich der Chef der Bundesagentur für Arbeit in die Arbeitslosigkeit - mit heftigen Vorwürfen gegen seine bisherigen Arbeitgeber. Florian Gerster sieht sich als Opfer einer "gezielten Demontage", und so ganz verkehrt ist diese Sichtweise nicht. Da mag Ursula Engelen-Kefer, die DGB-Vize-Chefin mit dem messerscharfen Intellekt und der stechenden Akustik, noch so oft ihre Unschuld beteuern - beim Sägen an Gersters Stuhl war sie stets mit dabei.

Das öffentliche Mitleid mit Gersters traurigem Schicksal dürfte sich in engen Grenzen halten; der Mann war nicht gerade das, was man einen Sympathieträger nennt. Als Schröder ihn nach Nürnberg
holte, erhoffte er sich eine Art "Wunderwaffe" im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit; ansonsten galt das Motto "Ich dulde keine Strahlemänner neben mir".

Das mit der Wunderwaffe ging dann aber total daneben (wie so oft in der Geschichte). Die Arbeitslosenzahl ging nicht herunter, neue Arbeitsplätze entstanden allenfalls in den von Gerster beglückten Beratungsunternehmen. Außerhalb dieses elitären Kreises schuf Deutschlands oberster Erwerbslosen- verwalter sich nur Feinde. Die Arbeitslosen fühlten sich von seinen flott-forschen Sprüchen auf den Arm genommen, die Politiker wurden - angesichts anhaltender Erfolglosigkeit - zunehmend sauer, die eigenen Mitarbeiter resignierten nach demotivierenden Äußerungen ihres Chefs - um Gerster wurde es immer einsamer.

Ausschlaggebend für den - finanziell gut abgefederten - Karriereknick aber war, daß Gerster sich im eigenen Hause, insbesondere im Verwaltungsrat der BA, Feinde gemacht hatte, indem er Sand in das fein austarierte Geldverteilungsgetriebe streute. Dieses System hatte bislang reibungslos funktioniert, sozusagen "wie geschmiert". Da sitzt zum Beispiel an der Spitze des BA-Aufsichtsrats Frau Engelen-Kefer, zugleich stellvertretende DGB-Vorsitzende und bis ins Jahr 2003 auch Aufsichtsratsvorsitzende des DGB-eigenen Berufsfortbildungswerks, das wiederum mit dreistelligen Millionenbeträgen aus dem BA-Etat gefüttert wird. Die resolute Vielfach-Funktionärin hält also die eine Hand auf, verteilt mit der anderen Hand die Millionen - und vorsichtshalber "kontrolliert" sie den Geldfluß auch noch selbst. Und dann kommt Schröders "Wunderwaffe" und streicht da mal eben ein paar Milliarden aus dem prallgefüllten Weiterbildungs-Topf, der fast allen - außer den Arbeitslosen - zugute kam. Das kann man sich doch nicht bieten lassen!

Natürlich war die Störung dieses "Selbstbedienungsladens" nicht der einzige Grund, warum Gerster einfach weg mußte. Es zeigt sich, daß die Umbenennung von "Anstalt" in "Agentur" keine neuen Arbeitsplätze schaffte (außer vielleicht bei den Schildermalern). Auch von den sonstigen Reformen bleibt der Arbeitsmarkt bislang unberührt. Die Folge: Schröders SPD sackte bei den jüngsten Umfragen auf 24 Prozent ab.

Die in Berlin Regierenden reagierten, wie das bei Regierenden so üblich ist: Ein Sündenbock mußte her. Für diese Rolle hatte Gerster sich allerdings durch seine zahlreichen Ungeschicklichkeiten förmlich aufgedrängt.

Jedenfalls ist FDP-Chef Westerwelle zuzustimmen, wenn er von einem "Bauernopfer" spricht. Und letztlich hat er auch recht, wenn er anregt, statt den Chef zu entlassen besser den ganzen Laden aufzulösen. Denn was in diesem Lande konkret für die Arbeitslosen getan wird - Stellenvermittlung, Beratung, materielle Unterstützung -, geschieht nicht in Nürnberg, sondern vor Ort in den einzelnen Arbeitsämtern, die sich neuerdings "Agenturen" nennen dürfen (oder müssen). Auf die zentrale, derzeit kopflose Mammutbehörde aber kann man getrost verzichten.
 
     
     
 
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