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Schubkraft für deutsche Identität

 
     
 
Die eher verhaltenen Ankündigungen und Berichterstattungen im Hinblick auf die Eröffnung der neuen Berliner Gemäldegalerie haben es bisher nur teilweise deutlich gemacht, daß mit dem neuen Haus nicht nur für die Hauptstadt und Deutschland, sondern für die Welt Großes an der Spree geschehen ist. Diese Gemäldegalerie mit abenteuerlicher Vergangenheit bedeutet für die Zukunft ein Magnetfeld, so sagte ein Besucher aus Übersee, das Freunde der Kunst und insbesondere der Malerei
im wahren Sinne des Wortes global anziehen und in seinen Bann schlagen wird.

Bundesinnenminister Manfred Kanther mag solches gemeint haben, als er zur Eröffnungszeremonie für das Haus zahlloser Meisterwerke vom 13. bis zum 18. Jahrhunderte davon sprach, daß sich Berlin damit nicht nur als die politische, sondern auch als die kulturelle Hauptstadt Deutschlands fühlen könne. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen sprach von dem neuen Haus als einem "Glücksfall", der der "gesamten Kunstwelt" zukomme.

Rund 285 Millionen Mark kostete der neue Bau, der von außen betrachtet eher unscheinbar wirkt, sich aber in seiner Konzeption der Architekten Heinz Hilmer und Christoph Sattler äußerst harmonisch in die Reihe der übrigen modernen Bauten des Berliner Kulturforums unweit des Potsdamer Platzes einfügt. Die schlichten, aber gerade deshalb besonders eindrucksvollen Innenräume empfangen ihr Licht zumeist von oben, so daß man das Haus im Einklang mit der ausgestellten Tageslichtmalerei der alten Meister als ein Tageslichtmuseum bezeichnen kann, wie Direktor Prof. Jan Kelch von den Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz betont. Architektonisches "Herzstück" des Museumsgebäudes ist eine große, dreischiffige Wandelhalle. Sie soll – und das ist für Museen dieser Art recht ungewöhnlich – ein Ort der Begegnung, aber auch ein Ort der Kontemplation für die Galeriebesucher sein.

Zu solcherlei Kontemplation gehört auch das Nachdenken darüber, das die gezeigte Sammlung teilweise überwältigender Meisterwerke zunächst durch Wirren des Zweiten Weltkrieges und danach durch die unselige Teilung Deutschlands in Segmente auseinandergerissen war. Hinzu kamen tragische Verluste durch Feuer und Beschuß am Ende des Krieges sowie Verschleppung einzelner Werke durch die Siegermächte. Daß eine große Zahl dieser "erbeuteten" Kunstwerke jetzt wieder zurückgekehrt und Teil der Galerie ist, gehört ohne Zweifel gleichfalls auch zu dem von Diepgen erwähnten Glücksfall.

Einmal auseinandergerissen, war ein Teilbestand, zu denen beispielsweise Werke von Albrecht Dürer, Giotto, Hans Holbein d.J., Martin Schongauer oder Peter Paul Rubens gehörten, in Berlin-Dahlem, der andere Teil im Bode-Museum, dem früheren Kaiser-Friedrich-Museum im Osten Berlins, zu sehen. Daß dies wieder alles unter einem Dach vereint ist, bedeutet indes nicht nur einen Glücksfall, sondern gehört zweifelsohne zu den außerordentlichen Schubkräften für die Wiedergewinnung einer Deutschen Identität.

Der neue Mantel für die alte, wiedervereinte Sammlung ist mit modernster Museumstechnik ausgestattet, derer sich die Besucher bedienen können. Dennoch aber wurde das alte Konzept der 1830 unter Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. eröffneten Galerie beibehalten: der umfassende Überblick über die Geschichte der europäischen Malerei über sechs Jahrhunderte hinweg. Dabei geht die Sammlung bis auf Bilder zurück, die der Große Kurfürst im 17. Jahrhundert für eine Privatgalerie erworben hatte.

Die Kategorie des Ästhetischen ist bei der Galeriekonzeption nicht unberücksichtigt geblieben, konstatierte Direktor Kelch. Ein reines Bildungsmuseum hätten die hiesigen Väter des ersten öffentlichen Museums in Berlin nicht konzipiert. "Erst erfreuen, dann belehren", sei das Grundkonzept gewesen. Im neuen Haus mitten im Kulturforum ist jedenfalls viel davon zu spüren.

 

 
     
     
 
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